»Hier ist auch alles richtig gut gelaufen«, erwiderte Papa.
Um nichts in der Welt hätte Alvin Junior erklären können, warum Mamas Worte sich anhörten wie »Ich gehe nicht weg» und warum Papas Worte klangen wie »Bleib immer bei mir«. Aber er wußte, daß er nicht verrückt war, so etwas zu denken, denn im selben Augenblick hob Measure, der ausgestreckt vor dem Feuer lag, den Blick und zwinkerte, daß nur Alvin Junior es sehen konnte.
Reverend Thrower gestattete sich selbst nur wenige Laster, eines davon aber war es, das Freitagsessen bei den Weavers einzunehmen. Die Bezeichnung Freitagabendessen war allerdings treffender, da die Weavers Kaufleute und Warenhersteller waren und mittags nur eine kleine Mahlzeit zu sich nahmen. Man sagte von Eleanor Weaver, daß sie einen alten Baumstamm nehmen und ihn dazu bringen konnte, so lieblich zu schmecken wie Kanincheneintopf. Doch nicht nur das hervorragende Essen lockte Thrower Weaver, den die Leute ›Brustwehr des Herrn‹ nannten, denn er war ein Kirchgänger, der seine Bibel kannte, so daß man eine gehaltvolle Konversation pflegen konnte, nicht ganz so erhaben wie die Unterhaltung mit hochgebildeten Kirchenmännern natürlich, aber immerhin gepflegter als alles andere sonst in dieser finsteren Wildnis.
Sie aßen gewöhnlich in einem Raum hinter dem Geschäft der Weavers, der sowohl als Küche wie als Werkstatt und Bibliothek diente. Eleanor rührte gelegentlich den Topf um, und der Duft von gekochtem Wild und vom frischgebackenem Brot vermischte sich mit den Gerüchen des hinteren Seifensiederschuppens und des Talgs, das sie hier für das Kerzenmachen verwendeten. »Oh, wir sind etwas von allem«, hatte Brustwehr Weaver beim ersten Besuch des Reverend Thrower gesagt. »Wir stellen Dinge her, die jeder Farmer hier für sich selbst herstellen kann — aber wir machen es besser, und wenn sie uns die Sachen abkaufen, erspart ihnen dies stundenlange Arbeit, so daß sie mehr Zeit haben, um Land zu roden, es zu bebauen und zu bepflanzen.«
Der Laden selbst, der den vorderen Teil des Gebäudes ausmachte, war bis zur Decke mit Regalen bestückt, die angefüllt waren mit Dingen, die von Wagen aus dem Osten herbeigeschafft worden waren. Baumwolltuche aus den Spinnereien und Dampfwebereien von Irrakwa, Zinnteller und eiserne Töpfe und Herde aus den Schmelzereien von Pennsylvania und Suskwahenny, prächtige Töpferwaren und kleine Kommoden und Kisten der Zimmerleute New Englands und sogar ein paar kostbare Gewürzsäcke, die in New Amsterdam aus dem Orient angeschifft worden waren. Weaver hatte einmal gestanden, daß es die ganzen Ersparnisse seines Lebens gekostet hatte, die Waren zu kaufen, und daß es keineswegs sicher sei, daß er hier, in diesem dünn besiedelten Land, zu Wohlstand gelangen würde. Doch Reverend Thrower hatte den ständigen Wagenstrom vom unteren Wobbish und vom Tippy-Canoe bemerkt und sogar einige wenige, die weit aus dem Westen, aus dem Land des Noisy River gekommen waren.
Nun, da sie darauf warteten, daß Eleanor verkündete, das Wildbret sei fertig, stellte Reverend Thrower ihm eine Frage, die ihm schon eine Weile zu schaffen gemacht hatte.
»Ich habe gesehen, was die Leute wegschleppen«, meinte Reverend Thrower, »und ich kann mir nicht im leisesten denken, womit sie Euch bezahlen. Niemand hier macht irgendwelches Bargeld, und es gibt auch nicht viel einzutauschen, was man wieder im Osten verkaufen könnte.«
»Sie bezahlen mit Talg und Holzkohle, mit Asche und gutem Holz, und natürlich mit Nahrung für Eleanor und mich und… wer immer noch kommen mag.«
Nur ein Narr hätte nicht bemerkt, daß Eleanor schon rund genug geworden war, um die Hälfte der Schwangerschaft hinter sich gebracht zu haben. »Aber hauptsächlich«, sagte Weaver, »kaufen sie auf Kredit.«
»Kredit! An Farmer, deren Skalps im nächsten Winter in Fort Detroit ebensogut gegen Musketen oder Schnaps eingetauscht werden könnten?«
»Es wird weitaus mehr über das Skalpieren geredet, als daß skalpiert würde«, meinte Brustwehr Weaver. »Die Roten hier sind nicht dumm. Sie wissen von den Irrakwa, und wie sie im Kongreß von Philadelphia ebenso ihre Sitze bekommen wie die Weißen. Sie wissen, wie sie Musketen erwerben, Pferde, Farmen, Felder und Städte, genau wie in Pennsylvania oder Suskwahenny oder New Orange. Sie wissen von den Cherriky von Appalachee und wie die dort ihr Land bebauen und Seite an Seite mit Tom Jeffersons Weißen Rebellen kämpfen, um ihr Land unabhängig vom König und den Cavaliers zu halten.«
»Möglicherweise ist Euch aber auch der ständige Zustrom vom Flachbooten aufgefallen, die den Hio hinauffahren, und die Wagen, die nach Westen kommen, und die gefällten Bäume und die Blockhäuser, die überall entstehen.«
»Ich vermute, teilweise habt Ihr wohl recht, Reverend«, meinte Weaver. »Ich schätze, die Roten könnten sich in die eine Richtung ebenso entwickeln wie in die andere. Vielleicht versuchen sie, uns alle umzubringen, vielleicht versuchen sie aber auch, sich niederzulassen und mit uns zusammenzuleben. Mit uns zu leben, wäre nicht gerade leicht für sie — sie sind das Stadtleben nicht sonderlich gewohnt, während es für die Weißen die natürlichste Sache von der Welt ist. Aber gegen uns zu kämpfen, das muß noch schlimmer sein, denn wenn sie das tun, werden sie den Tod finden. Vielleicht glauben sie ja, daß sie Weiße umbringen können, um damit andere abzuschrecken. Aber sie wissen ja auch nicht, wie es in Europa zugeht, wie der Traum vom eigenen Land die Leute dazu bringen kann, fünftausend Meilen weit zu reisen, um schwerer zu arbeiten als jemals zuvor in ihrem Leben und um Kinder zu begraben, die in der Heimat vielleicht hätten überleben können, weil es immer noch besser ist, sein eigener Herr zu sein als irgendeinem anderen Herrn zu dienen. Bis auf Gott den Herrn.«
»Und so ist das mit Euch auch?» fragte Thrower. »Alles riskieren, nur für Land?«
Weaver blickte seine Frau Eleanor an und lächelte. Sie erwiderte das Lächeln nicht, wie Thrower bemerkte, doch zugleich bemerkte er auch, daß ihre Augen schön und tief waren, als kannte sie Geheimnisse, die sie ernst machten, auch wenn sie in ihrem Herzen eigentlich fröhlich sein mochte.
»Nicht Land, wie die Farmer es besitzen, ich bin kein Farmer, das kann ich Euch verraten«, erwiderte Weaver. »Es gibt auch andere Möglichkeiten, Land zu besitzen. Versteht Ihr, Reverend Thrower? Ich gewähre ihnen jetzt Kredit, weil ich an dieses Land glaube. Wenn sie kommen, um mit mir Handel zu treiben, lasse ich mir von ihnen den Namen all ihrer Nachbarn nennen und lasse sie grobe Karten von den Farmen und Flüssen zeichnen, wo sie leben, und von den Wegen und Flüssen auf ihrem Weg hierher. Ich lasse sie Briefe mitbringen, die andere geschrieben haben, und ich schreibe ihnen ihre Briefe und schaffe sie zurück nach Osten zu den Menschen, die sie zurückgelassen haben. Ich weiß, wo alles und jedermann sich im ganzen oberen Wobbish und Noisy River Land befindet und wie man dorthin gelangt.«
Reverend Thrower blinzelte und lächelte. »Mit anderen Worten, Bruder Weaver, Ihr seid die Regierung.«
»Sagen wir es einmal so: Sollte die Zeit kommen, da eine Regierung nützlich wäre, wäre ich bereit zu dienen«, antwortete Brustwehr. »Und in zwei, drei Jahren, wenn immer mehr Leute vorbeiziehen und immer mehr anfangen, Dinge wie Ziegel und Töpfe und Steingut herzustellen, Schränke und Fässer, Bier und Käse und Viehfutter, nun, wohin werden die sich wohl wenden, um alles zu verkaufen oder zu kaufen? An den Laden, der ihnen Kredit gewährte, als ihre Frauen sich noch nach dem Tuch für ein buntes, helles Kleid sehnten oder als sie einen Eisentopf oder einen Ofen brauchten, um die Winterkälte abzuhalten.«
Philadelphia Thrower zog es vor, nicht zu erwähnen, daß er etwas weniger Vertrauen in die Wahrscheinlichkeit hegte, daß die dankbaren Leute Brustwehr-Gottes Weaver treu blieben. Und außerdem, dachte Thrower, könnte ich ja auch irren. Und selbst wenn Brustwehr nicht alles verwirklichen sollte, wovon er träumt, so wird er ein gutes Werk getan und dabei geholfen haben, dieses Land für die Zivilisation zu erschließen.
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