Die drei Weißen schwiegen.
»Ich werde mich nicht unterwerfen«, sagte Egwene. »Nicht, solange das an der Spaltung nichts ändert. Ich werde auch weiterhin behaupten, dass Elaida nicht die Amyrlin ist. Ihre Handlungen haben es bewiesen. Ihr wollt beim Kampf gegen den Dunklen König helfen? Nun, Euer erster Schritt liegt darin, sich nicht um den Wiedergeborenen Drachen zu kümmern. Euer erster Schritt sollte sein, den Schwestern der anderen Ajahs die Hand zu reichen.«
»Warum wir?«, wollte Tesan wissen. »Wir sind nicht für die Taten der anderen verantwortlich.«
»Und Euch kann man keinen Vorwurf machen?«, fragte Egwene und ließ etwas von ihrer Wut durchschimmern. Wollte denn keine ihrer Schwestern wenigstens ein Mindestmaß an Verantwortung akzeptieren? »Die Weißen hätten sehen müssen, wo dieser Weg hinführt. Ja, Siuan und die Blauen waren nicht fehlerlos - aber Ihr hättet erkennen müssen, welchen Fehler man mit ihrem Sturz begeht, um dann Elaida zu erlauben, die Blauen aufzulösen. Außerdem glaube ich, dass mehrere Mitglieder Eurer Ajah einen wesentlichen Anteil daran hatten, Elaida zur Amyrlin zu machen.«
Miyasi zuckte leicht zusammen. Die Weißen wurden nicht gern an Alviarin und ihr Scheitern als Elaidas Behüterin der Chronik erinnert. Anstatt sich gegen Elaida zu wenden, weil sie eine Weiße verstoßen hatte, hatten sie sich scheinbar wegen der von ihr verursachten Schande gegen die eigene Schwester gewandt.
»Ich finde noch immer, dass das eine Aufgabe für die Grauen ist«, meinte Tesan, aber sie hörte sich deutlich weniger überzeugend an als noch Augenblicke zuvor. »Ihr solltet mit ihnen sprechen.«
»Das habe ich«, erwiderte Egwene. Langsam verlor sie die Geduld. »Manche sprechen nicht mit mir und schicken mich zur Buße. Andere sagen, dass diese Zerwürfnisse nicht ihre Schuld sind, aber nach einiger Überredung haben sie sich bereiterklärt, zu tun, was sie können. Die Gelben sind sehr verständnisvoll gewesen, und ich glaube, sie fangen an, die Probleme der Burg als Wunde zu betrachten, die geheilt werden muss. Ich arbeite noch immer an einigen Braunen Schwestern - sie scheinen von den Problemen eher fasziniert als beunruhigt zu sein. Ich habe mehreren von ihnen befohlen, in den historischen Aufzeichnungen nach Beispielen von Zerwürfnissen zu suchen, in der Hoffnung, dass sie auf die Geschichte von Renala Merlon stoßen. Der Zusammenhang sollte offensichtlich sein, und vielleicht sehen sie dann ja ein, dass unsere Probleme gelöst werden können.
Ironischerweise haben sich die Grünen als die stursten erwiesen. In vielerlei Hinsicht können sie sich wie die Roten benehmen, was einen wirklich aufbringen kann, denn sie sollten nun wirklich dazu bereit sein, mich als jemanden zu akzeptieren, der sich ihnen angeschlossen hätte. Damit bleiben nur die Blauen übrig, die man verbannt hat, und die Roten. Ich bezweifle, dass Schwestern dieser Ajah meinen Vorschlägen zugänglich sein werden.«
Ferane lehnte sich nachdenklich zurück, und Tesan saß mit drei vergessenen Walnüssen in der Hand da und starrte Egwene an. Miyasi kratzte ihr eisengraues Haar, die Augen vor Überraschung weit aufgerissen.
Hatte sie zu viel preisgegeben? Aes Sedai ähnelten auf erstaunliche Weise Rand al'Thor; sie erfuhren nicht gern, dass sie manipuliert worden waren.
»Ihr seid schockiert«, sagte sie. »Was denn, seid ihr der Ansicht, ich sollte wie die meisten einfach still dasitzen und die Hände in den Schoß legen, während die Burg wankt? Dieses weiße Kleid wurde mir aufgezwungen, und ich werde nicht akzeptieren, was es repräsentiert, aber ich werde es benutzen. Eine Frau im Weiß der Novizinnen ist eine der wenigen, die im Moment von einem Ajah-Quartier ins andere kann. Jemand muss die Arbeit übernehmen, die Burg zu heilen, und ich bin die beste Wahl. Davon abgesehen ist es meine Pflicht.«
»Wie ... vernünftig von Euch«, sagte Ferane. Ihre alterslose Stirn war in Falten gelegt.
»Danke«, erwiderte Egwene. Machten sie sich Sorgen, dass sie ihre Grenzen überschritten hatte? Waren sie zornig, dass sie Aes Sedai manipuliert hatte? Waren sie entschlossen, dafür zu sorgen, dass sie erneut bestraft wurde?
Ferane beugte sich vor. »Sagen wir, wir würden den Wunsch verspüren, an der Einheit der Burg zu arbeiten. Welchen Weg würdet Ihr vorschlagen?«
Egwene verspürte eine Woge der Aufregung. In den vergangenen Tagen hatte sie nur Rückschläge davongetragen. Diese dämlichen Grünen! Sie würden sich in der Tat sehr dumm vorkommen, sobald man sie als Amyrlin akzeptiert hatte.
»Suana von der Gelben Ajah wird Euch drei bald dazu einladen, mit ihr zu essen«, sagte Egwene. Zumindest würde Suana diese Einladung aussprechen, sobald sie sie dazu gedrängt hatte. »Willigt ein und nehmt Eure Mahlzeit an einem öffentlichen Ort ein, vielleicht in einem der Burggärten. Lasst Euch dabei sehen, wie Ihr die Gesellschaft der anderen genießt. Ich werde versuchen, als Nächstes eine Braune Schwester dazu zu bringen, Euch einzuladen. Lasst die anderen Schwestern dabei zusehen, wie Ihr Euch mit anderen Ajahs trefft.«
»Das ist einfach«, sagte Miyasi. »Das kostet nur wenig Mühe, weist aber ausgezeichnetes Potenzial für einen zukünftigen Gewinn auf.«
»Wir werden sehen«, sagte Ferane. »Ihr dürft Euch zurückziehen, Egwene.«
Es gefiel ihr nicht, auf diese Weise entlassen zu werden, aber dagegen ließ sich nichts machen. Immerhin hatte die Frau ihr den Respekt erwiesen, sie mit Namen anzusprechen. Egwene stand auf und nickte Ferane dann sehr vorsichtig zu. Tesan und Miyasi zeigten keine offensichtliche Reaktion, aber ihre Augen weiteten sich doch. Mittlerweile war es in der Burg allgemein bekannt, dass Egwene niemals einen Knicks machte. Und ungeheuerlicherweise neigte Ferane den Kopf, nur einen Hauch, und erwiderte damit die Geste.
»Egwene al'Vere, solltet Ihr Euch entscheiden, die Weißen zu wählen«, sagte die Sitzende, »dann sollt Ihr wissen, dass Ihr hier willkommen seid. Für eine so junge Person war Eure Logik heute erstaunlich.«
Egwene unterdrückte ein Lächeln. Vor vier Tagen hatte Bennae Nalsad ihr beinahe einen Platz bei den Braunen angeboten, und sie war noch immer überrascht, mit welchem Nachdruck Suana ihr die Gelben hatte schmackhaft machen wollen. Beinahe hätten sie es geschafft, dass sie es sich noch einmal anders überlegte - aber das lag hauptsächlich an den Schwierigkeiten, die sie im Augenblick mit den Grünen hatte. »Danke«, sagte sie. »Aber Ihr dürft nicht vergessen, dass die Amyrlin alle Ajahs repräsentieren muss. Unsere Diskussion war allerdings vergnüglich. Ich hoffe, dass Ihr mir in der Zukunft erneut gestatten werdet, mich zu Euch zugesellen.«
Damit zog sich Egwene zurück und ließ zu, dass sie breit grinste, als sie Feranes stämmigen Behüter zunickte, der auf dem Balkon Wache stand. Ihr Lächeln dauerte so lange an, bis sie den Sektor der Weißen verließ und Katerine sah, die im Korridor auf sie wartete. Die Rote gehörte nicht zu den beiden, die man Egwene früher am Tag zugeteilt hatte, und in der Burg sprach man davon, dass sich Elaida immer stärker auf Katerine verließ, jetzt, da ihre Behüterin der Chroniken in einer geheimnisvollen Mission unterwegs war.
Katerines scharf geschnittenes Gesicht trug ebenfalls ein Lächeln. Das war kein gutes Zeichen. »Hier«, sagte sie und hielt einen Holzbecher mit einer klaren Flüssigkeit. Es war Zeit für Egwenes Nachmittagsdosis Spaltwurzel.
Egwene schnitt eine Grimasse, nahm aber den Becher und trank ihn leer. Sie wischte sich den Mund mit dem Taschentuch ab und ging dann langsam weiter.
»Und wo genau wollt Ihr hin?«, wollte Katerine wissen.
Die Selbstzufriedenheit in ihrem Tonfall ließ Egwene zögern. Stirnrunzelnd drehte sie sich um. »Mein nächster Unterricht ...«
»Für Euch wird es keinen weiteren Unterricht mehr geben«, sagte Katerine. »Jedenfalls nicht von der Art, wie Ihr ihn erhalten habt. Alle sind sich einig, dass Eure Fähigkeiten mit Geweben für eine Novizin beeindruckend sind.«
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