Nach einer Weile sah sie, dass Regin seinen Schild modifizierte. Das erforderte große Konzentration, wenn man gleichzeitig noch angriff. Sein Gesicht war starr, und seine Augen flackerten von Zauber zu Zauber.
Mit dieser Strategie könnte es ihm gelingen, sie am Ende zu erschöpfen. Ein einziger machtvoller Zauber würde ihn dazu zwingen, seinen Angriff abzubrechen, das wusste sie, aber ein solches Vorgehen würde sie noch mehr Energie kosten, und genau das wollte er.
Seine List war jedoch gleichzeitig seine Schwäche. Seine Verteidigung würde nur funktionieren, wenn er jeden Zauber bemerkte, den sie aussandte. Also muss ich etwas Unerwartetes tun.
Wenn sie die Richtung eines Zaubers veränderte, nachdem sie ihn losgelassen hatte, kostete sie das zusätzliche Anstrengung, aber nicht so viel, wie ein starker Energiestoß gekostet hätte. Sie konzentrierte sich und veränderte den Lauf eines ihrer Kraftzauber so, dass er im letzten Moment die Richtung wechselte und Regin von hinten traf.
Regin taumelte. Seine Augen weiteten sich, dann wurden sie schmal vor Zorn.
»Halt!«
Sonea brach ihren Angriff ab und ließ ihren Schild sinken. Erwartungsvoll blickte sie zu Balkan empor. »Der erste Sieg geht an Sonea.«
Lautes Tosen brach in der Arena aus, als die Magier sich einander zuwandten, um über den Kampf zu debattieren. Sonea bemühte sich einen Moment lang, ein Lächeln zu unterdrücken, gab den Versuch dann aber auf. Ich habe die erste Runde gewonnen! Sie sah Regin an. Sein Gesicht war dunkel vor Wut.
Balkan hob die Arme, und das Gemurmel verebbte.
»Seid ihr bereit, den zweiten Kampf zu beginnen?«, fragte er Sonea und Regin.
»Ja, Mylord«, antwortete sie. Regins Erwiderung klang schroff und angespannt.
Balkan legte eine Hand an die Barriere der Arena.
»Beginnt!«
37
Der Schützling des Hohen Lords
Lorlen lächelte, als die beiden Novizen sich wieder einander zuwandten. Soneas erster Sieg war alles, was man sich nur wünschen konnte. Sie hatte nicht durch Stärke gewonnen, sondern indem sie eine Schwäche in Regins Verteidigung entdeckt hatte. Als er zu Lord Yikmo hinüberblickte, stellte er zu seiner Überraschung fest, dass der Krieger die Stirn runzelte.
»Ihr scheint nicht besonders erfreut zu sein, Lord Yikmo«, murmelte Lorlen.
Der Krieger lächelte. »Oh doch, das bin ich. Dies ist das erste Mal, dass sie Regin geschlagen hat. Aber in der Freude über eine gewonnene Runde lässt nur allzu leicht die Konzentration nach.«
Als Sonea Regin mit offenkundigem Eifer angriff, stieg auch in Lorlen ein wenig Sorge auf. Sei nicht allzu zuversichtlich, Sonea, dachte er. Regin wird jetzt auf der Hut sein.
Regin verteidigte sich mühelos, dann griff er seinerseits an. Schon bald sirrte die Luft in der Arena vor Magie. Plötzlich riss Sonea die Arme zur Seite und senkte den Blick, während ihr Angriff ins Wanken geriet. Lorlen hörte, dass mehrere Zuschauer im Publikum scharf die Luft einsogen, aber Soneas Schild hielt Regins verstärktem Angriff stand.
Als er den Boden unter Soneas Füßen betrachtete, sah er, dass der Sand sich bewegte. Unter den Sohlen ihrer Stiefel war eine Energiescheibe zu erkennen. Sie schwebte dicht über dem Boden.
Lorlen kannte diese Taktik. Ein Magier mochte einen Angriff aus jeder Richtung erwarten, aber nicht von unten. Es war verlockend, seinen Schild dort enden zu lassen, wo er auf den Boden traf, um Energie zu sparen. Soneas Schild hatte sich offensichtlich bis unter ihre Füße erstreckt, und ihre Kenntnisse der Levitation hatten sie vor der Entwürdigung bewahrt, der Länge nach hinzuschlagen. Levitation wurde, wie er sich erinnerte, erst im dritten Jahr unterrichtet.
»Ein kluger Schritt, ihr das beizubringen«, sagte Lorlen. Yikmo schüttelte den Kopf. »Das war ich nicht.«
Soneas Gesicht war angespannt. Es kostete ein hohes Maß an Konzentration, gleichzeitig zu schweben, einen Schild aufrechtzuerhalten und anzugreifen, und ihre Zauber hatten ein simples Muster angenommen, das leicht abzuwehren war. Lorlen wusste, dass sie Regin in eine Situation hätte bringen müssen, in der er ebenso viel Energie verbrauchte. Der Sand unter Regins Füßen begann zu kochen, aber der Junge machte lediglich einen Schritt zur Seite. Gleichzeitig riss Sonea abermals die Arme hoch, um bei einem weiteren Angriff von unten das Gleichgewicht zu wahren, und ihr eigener Angriff brach ab.
»Halt!«
»Der zweite Sieg geht an Regin.«
Die Novizen brachen in Jubel aus. Während Regin grinste und seinen Freunden zuwinkte, runzelte Sonea die Stirn, offensichtlich verärgert über sich selbst.
»Gut«, sagte Yikmo.
Lorlen sah den Krieger erstaunt an.
»Das hat sie gebraucht«, erklärte Yikmo.
In der kurzen Pause zwischen den Runden suchte Rothen unter den Magiern auf der anderen Seite der Arena nach Dannyl. Er hatte zuvor zwischen den Höheren Magiern gestanden, war jetzt jedoch von seinem Platz verschwunden. Rothen runzelte die Stirn, hin und her gerissen zwischen dem Verlangen, den Kampf zu beobachten, und dem Wunsch, nach seinem Freund Ausschau zu halten.
Er war sehr erstaunt gewesen, als er Dannyl mit Sonea, Yikmo und Akkarin zur Arena hatte kommen sehen. Dannyl hatte ihn nicht von seinem Besuch verständigt, nicht einmal mit einem kurzen Gedankenaustausch. Bedeutete das, dass seine Rückkehr ein Geheimnis gewesen war?
Wenn ja, dann war das Geheimnis inzwischen offensichtlich gelüftet worden. Durch sein Erscheinen zusammen mit Sonea und dem Hohen Lord wusste inzwischen jeder in der Gilde, dass Dannyl zurückgekommen war. Aber es war sein Erscheinen in Gesellschaft des Hohen Lords, das Rothen am meisten besorgte. Und Dannyl hatte schon seit einigen Wochen keine Briefe mehr geschickt.
Fragen über Fragen gingen Rothen durch den Kopf. Hatte Akkarin von seiner Bitte an Dannyl erfahren? Oder hing Dannyls Besuch bei dem Hohen Lord mit seinen Pflichten als Botschafter zusammen? Oder gab es finsterere Gründe dafür, und Dannyl hatte keine Ahnung, dass er einem schwarzen Magier half? Oder hatte er die Wahrheit über Akkarin entdeckt?
»Hallo, alter Freund.«
Rothen zuckte zusammen, als er plötzlich eine Stimme hinter sich hörte. Dannyl lächelte; es freute ihn offensichtlich, dass es ihm gelungen war, seinen Mentor zu erschrecken. Er nickte Dorrien zu, der ihn herzlich begrüßte.
»Dannyl! Warum hast du mir nicht erzählt, dass du zurückkommen würdest?«, fragte Rothen.
Dannyl lächelte entschuldigend. »Es tut mir Leid, ich hätte dich verständigen sollen. Ich habe unerwartet den Befehl bekommen, zurückzukehren.«
»Weshalb?«
Der junge Magier wandte den Blick ab. »Nur um dem Hohen Lord Bericht zu erstatten.«
Nur um dem Hohen Lord Bericht zu erstatten? Balkan verkündete den Beginn der nächsten Runde, und Rothen wandte sich von Dannyl ab. Falls Dannyl bereit war, mit ihm über seine Begegnung mit Akkarin zu sprechen, würde er es wahrscheinlich nicht inmitten einer Ansammlung von Magiern tun wollen. Nein, beschloss Rothen. Ich werde ihn später befragen.
Regin hatte sich für diese Runde eine tollkühne, riskante Verteidigungsstrategie zurechtgelegt. Statt sich mit einem Schild zu schützen, bombardierte er Sonea mit Angriffen. Als seine Magie auf die ihre prallte, war die Arena erfüllt von zersplitterten Energiestrahlen, ein jeder davon zu schwach, um den beiden Novizen Probleme zu bereiten. Einige dieser Strahlen trafen auf die Barriere der Arena und sandten zuckende Lichtblitze von einer Seite zur anderen. Inmitten dieses Feuerwerks attackierte Regin Sonea ein ums andere Mal. Obwohl sie sich mühelos verteidigte, war klar, dass sie mehr Energie verbrauchte als Regin, einfach weil sie ihren Schild ständig aufrecht hielt.
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