»Es wäre denkbar.«
»Mein Vater wollte davon natürlich nichts wissen«, fuhr sie fort und lachte. »Er schloß mich in meinen Gemächern ein, aber der Höchste Wissende der Stadt schickte Krieger, die in unsere Wohnung eindrangen und meinen Vater verprügelten, bis er sich nicht mehr rühren konnte. Ich begleitete sie voller Freude. Oh, wie sehr es mich freute, als sie ihn schlugen und er schrie! Ich Hasste ihn – wie sehr ich ihn Hasste! Er war kein richtiger Mann, und obwohl er der Kaste der Ärzte angehörte, konnte er keinen Schmerz ertragen. Er ertrug ja nicht einmal den Schrei eines Larl.«
»Vielleicht fühlte er sich als Arzt besonders am Platze, weil er Schmerzen nicht ertragen konnte.«
»Vielleicht«, sagte Vika. »Er wollte immer helfen, immer das Leiden anderer Leute beenden, sogar von Tieren oder Sklaven.«
Ich lächelte.
»Wie du siehst, war er ein Schwächling.«
Sie räkelte sich auf dem Seidenlaken. »Du bist der erste Mann, der mit mir über solche Dinge spricht. Ich liebe dich, Tarl Cabot.«
»Ich glaube nicht«, sagte ich leise.
»Aber bestimmt!«
»Eines Tages«, sagte ich, »wirst du Liebe empfinden – aber wohl nicht für einen Krieger aus Ko-ro-ba.«
»Glaubst du, daß ich nicht lieben kann?« fragte sie.
»Eines Tages wirst du lieben, du wirst dich verzehren vor Liebe.«
»Kannst du lieben?« fragte sie herausfordernd.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich lächelnd. »Vor langer Zeit habe ich einmal geliebt – oder glaubte es jedenfalls.«
»Wer war das Mädchen?« fragte Vika nicht sehr freundlich.
»Ein schlankes, dunkelhaariges Wesen«, sagte ich. »Sie hieß Talena.«
»War sie schön?«
»Ja.«
»So schön wie ich?«
»Ihr seid beide sehr schön.«
»War sie eine Sklavin?«
»Nein«, sagte ich, »sie war die Tochter eines Ubar.«
Wut entstellte Vikas Züge, und sie sprang auf und rannte auf und ab, und ihre Finger kämpften mit dem verhassten Sklavenkragen. »Ich verstehe!« sagte sie. »Und ich – Vika – bin nur ein Sklavenmädchen!«
»Sei nicht wütend«, sagte ich.
»Wo ist sie?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wie lange hast du sie nicht mehr gesehen?«
»Über sieben Jahre ist das jetzt her.«
Vika lachte grausam. »Dann ist sie längst in den Städten des Staubes!«
»Vielleicht«, sagte ich.
»Ich –Vika – bin hier.«
»Ich weiß«, sagte ich und wandte mich ab.
Ich hörte sie an meiner Schulter. »Ich werde dafür sorgen, daß du sie vergisst.«
In ihrer Stimme schwang die grausame, eiskalte, selbstbewusste, leidenschaftliche Drohung einer trevischen Frau, die gewohnt war, alles zu bekommen, was sie sich wünschte, deren Wünsche nicht missachtet wurden.
Wieder wandte ich mich zu Vika um, und ich sah vor mir nicht mehr irgendein Mädchen, sondern eine Frau aus Hoher Kaste, eine Frau aus dem Königreich Treve, die trotz ihres Kragens Befehle zu geben verstand.
Gelassen griff Vika an die Schnalle, die ihre Tunika zusammenhielt und ließ das Kleidungsstück zu Boden sinken. Sie trug ein Brandmal. »Küsse mich«, sagte sie.
»Nein«, sagte ich.
Sie lachte. »Du kannst mich nicht zurückweisen.«
»Warum nicht?«
»Weil ich das nicht zulassen werde. Du musst wissen, Cabot, ich habe beschlossen, daß du mein Sklave sein sollst.«
Sie kam auf mich zu, und ich stieß sie zurück.
»Na gut!« rief sie mit blitzenden Augen. »Gut, Cabot, dann werde ich dich bezwingen!« Und sie nahm meinen Kopf in die Hände und drückte ihre Lippen auf meinen Mund.
In diesem Augenblick nahm ich erneut den leicht säuerlichen Geruch wahr, den ich schon einmal im Korridor gespürt hatte. Ich preßte meinen Mund auf den ihren, bis meine Zähne ihre Lippen ritzten und ich sie zurückgebeugt hatte, so daß schließlich nur noch mein Arm sie vor dem Sturz bewahrte. Ich hörte ihren überraschten Schrei und warf sie ärgerlich auf die Strohmatte am Fußende meines Bettes.
Es wollte mir scheinen, als durchschaute ich nun endlich das teuflische Spiel – aber sie waren zu früh gekommen! Vika hatte keine Gelegenheit gehabt, ihre Arbeit zu tun. Das mochte ihr zum Verderben werden, aber mir war es egal.
Noch immer wandte ich dem breiten Portal den Rücken zu, obwohl der Duft stärker geworden war.
Vika kauerte erschreckt auf der Sklavenmatte. »Was ist los?« fragte sie nervös.
»Du wolltest mich also für sie bezwingen?« fragte ich.
»Was meinst du?« stammelte sie.
»Du bist ein armseliges Werkzeug der Priesterkönige!«
»Nein«, jammerte sie, »nein!«
»Wie viele Männer hast du für die Priesterkönige schon weich gemacht?« fragte ich, griff in ihr Haar und zerrte grausam ihren Kopf in die Höhe. »Wie viele?« brüllte ich.
»Bitte!« weinte sie.
Ich fühlte mich in Versuchung, ihren Kopf gegen die Steinkante zu schlagen. Sie war eine grausame, bösartige Verräterin, die Kragen und Peitsche mehr als verdient hatte!
»Du verstehst mich nicht«, sagte sie. »Ich liebe dich!«
Angewidert stieß ich sie von mir. Noch immer drehte ich mich nicht um.
Vika lag mir zu Füßen, und Blut lief ihr über die Lippen, die noch die Spuren meines Kusses trugen. Sie schaute zu mir auf. Tränen standen in ihren Augen.
Der Duft war jetzt übermächtig. Ich wusste, daß der Priesterkönig ganz nahe sein musste. Warum merkte das Mädchen nichts? Warum wusste sie nicht Bescheid? Gehörte das nicht zum großen Plan?
»Bitte!« sagte sie flehend. »Ich liebe dich.«
»Sei still, Sklavenmädchen!«
Sie senkte den Kopf und begann zu weinen.
Ich wusste nun, daß das Unbekannte uns erreicht hatte.
Auch Vika schien etwas zu spüren, denn ihr Kopf hob sich, und ihre Augen weiteten sich entsetzt, und sie fuhr auf, schlug die Hände vor das Gesicht, als wollte sie sich schützen, und sie schauderte und stieß plötzlich einen wilden, durchdringenden Angstschrei aus.
Ich zog mein Schwert und fuhr herum.
Es stand im Portal.
Auf seine Art war es sehr schön, goldgelb und groß, hochaufragend, von dem massigen Portal umrahmt. Es war vielleicht einen Meter breit, doch der Kopf berührte fast den Torbogen, so daß ich seine Höhe auf fast fünf Meter schätzte.
Das Wesen hatte sechs Beine und einen Kopf wie eine goldene Kugel, in der große Scheibenaugen leuchteten. Die beiden Vorderbeine, die wachsam erhoben schienen, vollführten zierliche Bewegungen. Die Kiefer öffneten sich einmal und gingen wieder zu.
Vom Kopf gingen zwei zerbrechlich wirkende, gelenkige Fühler aus, die mit kurzem goldschimmerndem Haar bewachsen waren. Diese beiden Fühler bewegten sich wie Augen hin und her und schienen sich schließlich auf mich zu richten. Sie krümmten sich wie zierliche goldene Kneifer in meine Richtung, und jedes einzelne winzige Goldhaar an ihnen richtete sich auf und zeigte wie eine zitternde Goldnadel auf mich.
Um den Hals trug das Wesen ein kleines rundes Gerät, eine Art Übersetzer, der den mir bekannten goreanischen Apparaten zu ähneln schien.
Ich spürte neue Gerüche, die offenbar von dem Wesen ausgingen.
Fast sofort begann eine mechanisch erzeugte Stimme aus dem Übersetzer zu sprechen.
Sie gebrauchte die goreanische Sprache.
Ich wusste die Worte schon vorher.
»Lo Sardar«, sagte das Gerät. »Ich bin ein Priesterkönig.«
»Ich bin Tarl Cabot aus Ko-ro-ba«, entgegnete ich.
Kaum hatte ich gesprochen, als ich neue Düfte spürte, die aus dem kleinen Übersetzungsgerät kommen mochten.
Die beiden Fühler der Kreatur schienen diese Information aufzunehmen.
»Folge mir«, sagte die mechanische Stimme, und das Wesen drehte sich um.
Ich ging auf das Portal zu.
Das Wesen ging mit langen, zierlichen Schritten durch den Korridor.
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