»Siebzehn Kupfertarsk und zwei Tarskstücke.«
»Das ist alles?« fragte ich.
Er nickte.
»Aber du hast doch gerade dein Tharlarion verkauft, und gestern abend hat dir Genserix genau wie mir auch einen Silbertarsk gegeben.«
»Das ist richtig, aber ich habe das meiste davon gebraucht, um alte Schulden zu bezahlen. Du würdest doch nicht wollen, daß ich das Wagenvolk verlasse, obwohl ich noch Schulden habe?«
»Natürlich nicht«, sagte ich.
»Außerdem habe ich dieses großartige Schwert erworben.« Er zog es aus der Scheide und fuchtelte damit herum. Er schwang es ohne Mühen. Um ein Haar hätte er dabei einen vorbeigehenden Kutscher geköpft. Es handelte sich um ein langes Schwert mit scharfer Klinge, das beim Wagenvolk den Namen spatha trug. Auf dem Rücken eines Tharlarion ist es nützlicher als das gladius. Unter Hurthas Besitztümern befand sich noch ein sacramasax, ein kurzes Schwert zum Zustechen, das dem gladius sehr ähnelt und zweifellos davon abstammt. »Darum habe ich nur siebzehn Münzen«, sagte er und schob das Schwert in die Scheide. »Wieviel besitzt du?«
»Etwas mehr ist es schon.«
»Großartig. Wir werden vermutlich jedes Tarskstück brauchen.«
»Wieso?«
»Ich habe einen teuren Geschmack«, erklärte er. »Außerdem bin ich ein Alar, und wir Alar sind ein großzügiges, edles Volk.«
»Das ist eine allseits bekannte Tatsache.«
»Wir haben einen Ruf aufrechtzuerhalten.«
»Zweifellos.«
»Wenn uns das Geld ausgeht, kann ich noch immer jemandem eins über den Schädel geben und mir seinen Geldbeutel nehmen.«
»Sicherlich verhältst du dich im Lager deines Volkes anders«, sagte ich.
»Natürlich!« erwiderte er ziemlich überrascht. »Es sind doch Alar.«
»Ich verstehe.«
»Keine Außenseiter, keine Städter.«
»Ich muß dich warnen«, sagte ich. »Außerhalb der Wagenkolonne sieht man es gar nicht gern, wenn man jemanden eins über den Schädel gibt und seinen Geldbeutel nimmt.«
»Ach ja?«
»Ja. Viele Männer haben da ganz bestimmte Vorstellungen.«
»Bemerkenswert.«
»Du lieferst dich doch auch nicht gern niedergeschlagen, oder?«
»Natürlich nicht.«
»Siehst du.«
»Aber ich bin ein Alar.«
»Und welchen Unterschied macht das?«
»Jeden Unterschied der Welt«, sagte er. »Kannst du mir das Gegenteil beweisen?«
»Nein.«
»Siehst du.«
»Ich versichere dir, es gefiele den Leuten nicht, und man könnte dich pfählen oder in Stücke schneiden.«
»Ich bin nicht uneinsichtig, was solche Überlegungen angeht«, sagte er. »Aber ich war der Ansicht, wir besprächen hier bloß Probleme der Moral.«
»Du solltest nicht einmal an Raubzüge denken.«
»Ich versichere dir, für mich ist so etwas keineswegs anstößig. Außerdem steht mir ein derartiges Verhalten durchaus zu.«
»Wieso denn das?«
»Ich bin ein Alar«, antwortete er.
»Da ich nicht die geringste Lust verspüre, gepfählt oder in Stücken an die Sleen verfüttert zu werden, wüßte ich es für die Dauer unserer Reise zu schätzen – sozusagen als persönlichen Gefallen –, wenn du darauf verzichten könntest, gewisse deiner Vorrechte als Alar auszuüben.«
»Aber du hast doch nichts dagegen, wenn mir jemand etwas leiht oder mir Geschenke macht.«
»Natürlich nicht. Wer sollte dagegen etwas haben?«
»Großartig«, sagte er.
Ich entspannte mich.
»Ich hatte schon Angst, du könntest irgendwelche ausgefallene Vorbehalte pflegen.«
»Ich doch nicht.«
»Großartig«, sagte er herzlich.
Wir befanden uns im Lager der Kutscher, die den Nachschub für die Soldaten aus Cos und die cosischen Söldner transportierten. Es war kurz vor Sonnenaufgang. Das Frühstück war vorbei, die Kutscher bereiteten die Wagen vor und schirrten die Tharlarion an. Einige waren sogar schon aufgebrochen. Weder schienen die Fuhrwerke numeriert zu sein, noch gab es Lageraufseher. Trotz der Länge der Kolonne und der so unterschiedlichen Ladung schien alles nur oberflächlich organisiert zu sein. Das war ein krasser Gegensatz zu der Disziplin, die ich beim Transport und dem Schutz solcher Waren erwartet hätte. Ich konnte nicht verstehen, daß Ar derart zögerte, diese Schwächen auszunutzen.
»Bist du bereit?« fragte Mincon, unser Kutscher. Er zurrte das Geschirr des Tharlarion fest.
»Gleich«, sagte ich. »Feiqa, halt still.«
In Mincons Nähe kniete Tula. Das war ein Mädchen aus seinem früheren Dorf, das er gestern abend während meines Besuchs bei den Alar zu seiner Sklavin gemacht hatte. Sie hatte um Nahrung gebettelt. Er stieß sie beiseite. Tula trug eine Tunika, die Mincon für sie gefertigt hatte. Aus weißer Wolle war sie, kurz und ärmellos. Tula hatte prächtige Beine. Anscheinend hatte Mincon ihre einstige Kleidung als freie Frau für ihre Sklavinnentracht benutzt. Sie besaß jetzt auch eine Art Schal, den sie umlegen konnte, wenn der kalte Wind wehte. Aus einem anderen Stück hatte er behelfsmäßige Schuhe gemacht, die sie sich um die kleinen Füße gebunden hatte. Im Se’Kara wären die Pflastersteine der Straße kalt. Ich warf noch einen Blick auf Tulas Beine. Die neue Tunika enthüllte sie auf bemerkenswerte Weise, wie es sich für eine Sklavin gehörte.
Auf Gor entblößen nur die Sklaven die Beine, und obwohl sie es für gewöhnlich voller Stolz und bereitwillig tun, ist ihnen doch klar, das sie letztlich keine andere Wahl haben. Solche Dinge obliegen dem Herrn. Man muß über solche Entscheidungen nicht lange nachsinnen, denn die meisten goreanischen Sklavenhalter sind kraftvolle, starke, überlegene Männer. Es ist daher üblich, daß Sklavinnen, die sowieso nur die Kleidung tragen, die ihr Herr erlaubt hat, ihre Beine und den damit verbundenen prickelnden Reiz ihrer Oberschenkel, Waden und zarten Fesseln zur Schau stellen.
Freie Frauen hingegen würden niemals die Beine entblößen. Sie würden es einfach nicht wagen. Allein der Gedanke würde sie entsetzen. Der durch diese Handlung ausgelöste Skandal würde ihren Ruf zerstören. Es gibt auf Gor das Sprichwort, daß jede Frau, die ihre Beine enthüllt, eine Sklavin ist. In manchen Städten würde eine freie Frau, die derart verantwortungslos handelt, vom Magistrat festgenommen und zur Fesselung verurteilt; man würde ihr den Status nehmen – manchmal sogar öffentlich –, sie zur Ware degradieren und an einen Sklavenhändler übergeben. Damit die Gefühle der freien Frauen nicht verletzt werden, transportiert man die neue Sklavin mit Kapuze, Sklavenkragen und in Ketten zu einem fernen Markt, wo sie nach dem Verkauf ein neues Leben beginnt.
»Au!« rief Feiqa.
»Halt still!« befahl ich und stieß ein letztes Mal mit der Nadel zu. Dann steckte ich sie in mein Nähzeug zurück.
»Laß die Finger von den Wunden.«
Feiqa sah mich an. Ihre Augen schimmerten feucht, und sie schien Angst zu haben. In ihrem Blick lag eine ganz bestimmte Überraschung, als begreife sie nur mit Mühe, was eigentlich mit ihr geschehen war.
»Tut es weh?« fragte ich.
»Nein.«
Ich wischte die winzigen Blutströpfchen weg. Dann befestigte ich die kleinen Gegenstände.
»Sie sind wunderschön«, sagte Hurtha voller Bewunderung.
»Sie sind billig«, erwiderte ich.
»Das ist schon in Ordnung«, meinte er.
Ich wollte vermeiden, daß freie Frauen ihre Wut an Feiqa ausließen und die Ohrringe abrissen.
Ich drehte Feiqas Kopf von einer Seite zur anderen. Ja, sie sahen wirklich schön aus.
»Wir sind soweit«, sagte ich zu Mincon. »Du darfst aufstehen, Feiqa.«
»Stell dich hinter den Wagen«, befahl Mincon seiner Sklavin.
Ich band ein Seil um Feiqas Hals und befestigte es an der Wagenseite.
»Muß ich dich festketten?« fragte Mincon sein Mädchen.
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