»Großartig!« rief der unverwüstliche Challenger und rieb sich den zerschundenen Arm. »Eine gründliche und befriedigende Demonstration! Einen derartigen Erfolg konnte ich nicht erhoffen. Meine Herren, ich verspreche Ihnen, daß in einer Woche der nächste Ballon fertiggestellt ist und Sie fest damit rechnen dürfen, in ihm den ersten Abschnitt unserer Heimreise sicher und bequem zurückzulegen.«
Bis zu dieser Stelle habe ich jedes der Ereignisse sofort anschließend niedergeschrieben. Jetzt beende ich meinen Bericht im alten Lager am Fuße der Felszinne, wo Zambo so lange auf uns gewartet hat. Inzwischen haben wir alle unsere Nöte und Gefahren wie einen Traum auf der Höhe jener rötlichen Felsen zurückgelassen, die sich jetzt wieder hoch vor uns auftürmen. Wir sind heil und sicher - wenn auch auf eine ganz unerwartete Weise - nach unten gelangt. In sechs bis acht Wochen werden wir wieder in London sein. Wer weiß, vielleicht erreicht Sie dieser Brief nicht viel früher, als wir selbst eintreffen. Wie sehr wir uns auf London freuen, brauche ich wohl nicht zu sagen.
Noch am gleichen Abend nach unserem gefährlichen Abenteuer mit Challengers Ballon trat die Wende in unserem Schicksal ein. Ich sagte bereits, daß die einzige Person, die unseren Ausbruchsversuchen gegenüber Verständnis gezeigt hatte, der junge Häuptling war. Er war der einzige, der es ablehnte, daß wir gegen unseren Willen auf dem Plateau festgehalten wurden. In seiner ausdrucksvollen Zeichensprache hatte er uns das deutlich zu verstehen gegeben. An diesem Abend kam er zu unserem Lager herunter, drückte mir eine Rolle aus Bambusrinde in die Hand, deutete auf die Reihen von Höhlen über uns, legte den Finger auf die Lippen zum Zeichen, daß wir nichts verraten sollten, und schlich sich wieder zurück.
Ich trug das Stück Rinde an unser Feuer, in dessen Lichtschein wir es gemeinsam betrachteten. Es war ungefähr einen Fuß lang und halb so breit, und auf der Innenseite befand sich eine Anordnung von Zeichen, die ich hier wiedergebe:
Sie waren mit Holzkohle auf die weiße Oberfläche gezeichnet und sahen wie eine primitive Notenschrift aus.
»Was das auch sein mag, ich möchte schwören, daß es für uns von größter Bedeutung ist«, sagte ich. »Ich habe es seinem Gesicht angesehen.«
»Das ist einwandfrei eine Art Schrift«, sagte Challenger.
»Sieht aus wie Kratzfüße«, bemerkte Lord John, der einen langen Hals machte, um besser zu sehen. Plötzlich streckte er die Hand aus und griff nach der Zeichnung. »Donnerwetter!« rief er. »Ich glaube, ich habe kapiert, was das Gekritzel bedeuten soll. Achtzehn Zeichen, stimmt’s? Und in der Klippenwand da droben sind achtzehn Höhlen.«
»Als er mir das Stück Rinde gegeben hat, hat er nach oben auf die Höhlenöffnungen gezeigt«, sagte ich.
»Dann ist alles klar. Das ist der Grundriß der Höhlen. Achtzehn Stück in einer Reihe, ein paar kurz, ein paar lang, ein paar verzweigt, genau wie wir’s selber gesehen haben. Das Kreuz bezeichnet die Höhle, die viel tiefer als die anderen in den Felsen hineingeht.«
»Eine, die hindurchführt!« rief ich.
»Ich glaube, unser junger Freund hat das Rätsel tatsächlich gelöst«, sagte Challenger. »Wenn die Höhle nicht bis zur anderen Seite durchgeht, verstehe ich nicht, weshalb dieser Mensch, der uns offenbar wohlgesonnen ist, uns auf sie aufmerksam machen sollte. Wenn sie aber durchführt und auf der anderen Seite an entsprechender Stelle herauskommt, dann müssen wir höchstens hundert Fuß absteigen.«
»Einhundert Fuß!« brummelte Summerlee.
»Unser Seil ist gut hundert Fuß lang«, rief ich. »Da kommen wir doch leicht runter.«
»Und die Indianer in dieser Höhle?« wandte Summerlee ein.
»Da sind keine Indianer«, erklärte ich. »Die Höhlen in dieser Wand dienen nur als Lagerräume und Vorratskammern. Warum gehen wir eigentlich nicht gleich hinauf und erkunden das Gelände?«
Auf dem Plateau gibt es ein trockenes, harzreiches Holz, das von den Indianern für Fackeln benutzt wird. Jeder von uns sammelte ein Bündel davon zusammen. Dann stiegen wir über unkrautbewachsene Stufen zu der Höhle hinauf, die auf der Zeichnung markiert war. Wie ich erwartet hatte, war sie leer. Nur eine Meute großer Fledermäuse flog um unsere Köpfe, als wir weiter eindrangen. Da wir nicht die Aufmerksamkeit der Indianer erregen durften, stolperten wir zunächst im Dunkeln dahin, bis wir um mehrere Ecken gebogen und schon ein gutes Stück im Innern der Höhle waren. Dann endlich zündeten wir die Fackeln an. Vor uns lag ein trockener Tunnel, dessen glatte, graue Wände mit symbolischen Zeichnungen bedeckt waren. Ein rundes Dach wölbte sich über uns, und weißer Sand glitzerte unter unseren Füßen.
Wir hasteten weiter, bis wir, bitter enttäuscht, plötzlich zum Halten gezwungen waren. Vor uns eine kompakte Felswand ohne Lücke oder Spalte. Wir waren ratlos. Auch Lord Johns noch so eifriges Suchen brachte keinen Erfolg.
Enttäuscht starrten wir auf dieses unerwartete Hindernis. Die Feldwand war nicht durch Erdbeben gehoben worden, das stand fest, denn sie war von derselben Oberflächenbeschaffenheit wie die Wände des Tunnels. Dies war eine Sackgasse und war es schon immer gewesen.
»Macht nichts, meine Freunde«, sagte der unermüdliche Challenger. »Mein Versprechen auf einen neuen Ballon gilt immer noch.«
»Sind wir nicht vielleicht in der falschen Höhle?« fragte ich.
»Nein, junger Mann«, sagte Lord John und zeigte auf das Stück Rinde. »Siebzehnte von rechts und zweite von links.
Das ist einwandfrei die Höhle, die angekreuzt ist.«
Ich betrachtete das Zeichen und stieß plötzlich einen Freudenschrei aus.
»Ich glaube, ich hab’s! Kommen Sie! Folgen Sie mir!«
Mit der Fackel in der Hand lief ich den Weg zurück, den wir eben gekommen waren.
»Hier«, sagte ich und deutete auf einige Streichhölzer auf dem Boden, »haben wir die Fackeln angezündet.«
»Stimmt.«
»Wenn die Zeichnung stimmt, dann teilt sich die Höhle nach einem geraden Stück in zwei Arme«, sagte ich. »Wir sind im Dunkeln an der Gabelung vorbeigelaufen, weil die Fackeln noch nicht brannten. Der längere Arm biegt nach links ab, und wir sind rechts gegangen.«
Es war, wie ich gesagt hatte. Keine dreißig Meter weiter tat sich eine große schwarze Öffnung in der Wand vor uns auf. Dort entlang liefen wir viele hundert Meter, atemlos vor Ungeduld. Endlich sahen wir in dem schwarzen Gewölbe vor uns einen dunkelroten Lichtschimmer, eine glühende Fläche, die uns den Weg zu versperren schien. Wir hasteten darauf zu. Kein Laut, keine Wärme, keine Bewegung ging davon aus. Aber immer heller glühte der seltsame leuchtende Vorhang vor uns, tauchte die Höhle in silbriges Licht und verwandelte den Sand in Diamantenstaub. Je näher wir an die große glühende Scheibe herankamen, desto deutlicher zeichnete sich ihr Rand ab.
»Donnerwetter, das ist ja der Mond!« schrie Lord John plötzlich. »Wir sind durch! Wir sind durch!«
Es war tatsächlich der Vollmond, der geradewegs durch die Öffnung schien, die auf die Klippen hinausführte. Wir fanden nur einen schmalen Spalt, nicht größer als ein Fenster, aber für unsere Zwecke genügte er vollkommen. Als wir den Kopf hindurchsteckten, sahen wir, daß der Abstieg nicht sehr steil war und der ebene Boden nicht allzu tief unter uns lag. Kein Wunder, daß wir diese Stelle von unten nicht bemerkt hatten, denn die Klippen wölbten sich darüber stark nach außen vor. Wir vergewisserten uns, daß wir mit Hilfe unseres Seils einen Weg nach unten finden konnten, und kehrten dann glückstrahlend zu unserem Lager zurück, um die Vorbereitungen für die Abreise am nächsten Abend zu treffen.
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