Dann zog er mit dramatischer Gebärde den Großen Knüppel von Held und streckte die Waffe im Parteigruß gegen die Menge aus. Der Jubel erstarb und machte unruhigem Gemurmel und einem kollektiven Keuchen Platz, als das Erkennen des legendären Reichszepters sich durch die Menge ausbreitete; innerhalb von einer Minute war völlige Stille eingekehrt.
Das schimmernde Kopfstück der Waffe glänzte im Widerschein des Feuers wie eine kleine Sonne, als er die Keule hoch über den Kopf reckte und seine Stimme zu äußerster Stärke steigerte. »Ich halte in meiner Hand den Großen Knüppel von Held, und dadurch beanspruche ich die alleinige, rechtmäßige Herrschaft über ganz Heldon und was jenseits davon liegt, nicht für mich, sondern im Namen des Hakenkreuzes! Ich widme mich selbst, die Söhne des Hakenkreuzes und diese geheiligte Waffe der Reinigung des Vaterlandes mit Blut und Eisen und der Erweiterung der Herrschaft der wahren Menschheit über den ganzen Erdkreis! Wir werden nicht eher ruhen, als bis das letzte Mutantengen vom Angesicht der Erde verschwunden ist!«
Wie mit einer mächtigen Stimme und mit unheimlicher Präzision streckten sich zehntausend Arme ihm entgegen, und die Menge brüllte im Chor: »Heil Jaggar! Heil Jaggar! Heil Jaggar!« Der aufbrandende Ruf aus so vielen Kehlen schien stark genug, die Himmel zu spalten und die Götter selbst einzuschüchtern.
Feric hängte den großen Knüppel an seinen Gürtel und erwiderte strahlend den Gruß. Darauf verdoppelte sich der brausende Ruf in Volumen und Intensität, und Feric fühlte sich zu ungeahnten Höhen rassischen Ruhmes emporgetragen. Zehntausend und mehr Helder waren zu fanatischen Anhängern der Partei geworden. Wie eine Fackel das große Hakenkreuz aus Reisigbündeln entzündet hatte, das hinter ihm brannte, so hatten seine Worte und sein Wille das Hakenkreuz in den Seelen dieser guten Helder entflammt. Und wie das Hakenkreuz aus Feuer den Nachthimmel erhellte, so würde das Hakenkreuz in den Seelen der Helder die Dunkelheit des Geistes erhellen und die Flagge des Neuen Zeitalters verherrlichen.
Die Söhne des Hakenkreuzes hatten das vierte Geschoß eines zehnstöckigen Gebäudes gemietet, das im übrigen von Geschäftsfirmen, Ärzten, Anwälten und dergleichen genutzt wurde. Auf Ferics Anweisung hatte Haulmann eine Situation gewählt, in welcher die Partei der wichtigste Mieter des Hausbesitzers war; er war sogar noch einen Schritt weitergegangen und hatte die Etage von einem alten Freund gemietet, der tief in seiner Schuld stand. Infolgedessen war Feric in der Lage gewesen, eine Umgestaltung der gesamten Fassade des Hauses durchzusetzen, obwohl die Partei nur eines der zehn Stockwerke benutzte.
Die oberen sechs Stockwerke aus schwarzem Haustein waren rot gestrichen worden, und auf diesem riesigen roten Feld war ein schwarzes Hakenkreuz in einem weißen Kreis von entsprechenden Proportionen angebracht, so daß die obere Hälfte der Fassade in eine gigantische Parteifahne verwandelt war. Unmittelbar darunter war in großen bronzenen Buchstaben zu lesen: ›Nationales Hauptquartier der Söhne des Hakenkreuzes.‹ Zwei große Parteifahnen hingen über der Straße. Alles in allem war es Feric gelungen, die Fassade dieses gewöhnlichen Bürohauses seinem Stil und Zweck anzupassen.
Nachdem das Parteihauptquartier buchstäblich ein riesiges rotes Tuch vor den Nasen des Universalistenabschaums war, hatte man geeignete Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Eine Abteilung uniformierter Ritter, bewaffnet mit Pistolen und Knüppeln, bewachten den Straßeneingang des Gebäudes zu jeder Tagesund Nachtstunde. Vier weitere Posten bewachten das Stockwerk, und auf dem Dach des Gebäudes waren vier ständig besetzte Maschinengewehrstellungen, die alle Zugangswege abdeckten. Patrouillen von jeweils sechs Rittern machten bei Tag und Nacht zu unregelmäßigen Zeiten die Runde um das Gebäude.
Gegenüber vom Hauptquartier und von diesem durch eine Seitenstraße getrennt, war ein hoher, elektrisch geladener Zaun um ein unbebautes Grundstück gezogen. Der Strom wurde von einer Dampfmaschine innerhalb der Einfriedung erzeugt, und hier lebte die Garnison der Ritter in einer Anzahl niedriger hölzerner Baracken. Zweihundert Motorradfahrer und ihre Fahrzeuge waren in diesem Bereich kaserniert. Im Falle eines Angriffs gegen das Polizeihauptquartier würde der Abschaum zwischen die Männer im Gebäude und diese motorisierten Sturmtruppen geraten und zerschmettert werden. Es schien sogar möglich, Angriffe von Elementen der regulären Streitkräfte längere Zeit abzuwehren.
Das vierte Stockwerk war in eine Anzahl Büros, Besprechungszimmer und Schlafräume unterteilt. Während Stag Stopa mit den Rittern im Barackenlager nächtigte und die anderen Parteifunktionäre weiterhin ihre Privathäuser bewohnten, schlief Feric selbst in einem Schlafraum neben seinem Büro, und Bogel hatte eine ähnliche Lösung gewählt. Außerdem schlief Ludolf Best im Hauptquartier, ein scharfsinniger junger Mann, dessen Intelligenz und unverbrüchliche Treue zur Sache und zu Ferics Person ihn zum idealen persönlichen Adjutanten und Sekretär machten.
Ferics Büro, wenngleich das größte im Parteihauptquartier, war mit Vorsatz einfach und nüchtern gehalten. Die Wände trugen eine schmucklose Holzverkleidung, der Boden war mit Fliesen belegt, die das schwarze Hakenkreuz im weißen Kreis auf rotem Grund wiederholten. Gegenüber von Ferics einfachem eichenem Schreibtisch waren drei Reihen hölzerner Bänke aufgestellt, so daß er ohne weiteres auch größere Gruppen instruieren konnte, wenn sich die Notwendigkeit ergab. Auf dem Schreibtisch lag der Große Knüppel von Held auf einem mit schwarzem Samt bezogenen Tablett. Dieser sowie die schwarzen Vorhänge an den beiden Fenstern, die große Parteiflagge, die hinter Ferics Schreibtisch an der Wand herabhing, und ein riesiges Ölgemälde, das die Schlacht von Rust darstellte, waren die einzige Dekoration des Büros.
Auf Bogels Beharren war mit erheblichem finanziellem Aufwand ein privater Fernsehempfänger gekauft worden. Dieser war ein einfacher Stahlkasten mit einer Glasfront, der unauffällig in einer Ecke stand. Jetzt saßen Feric und Bogel auf einer der Bänke und schickten sich an, dieses kostspielige Gerät zum erstenmal auszuprobieren.
»Sehen Sie, Feric, die Ausgabe ist wirklich lohnend«, sagte Bogel zum zehnten Mal. »Mit diesem Empfänger können wir jede öffentliche Fernsehsendung verfolgen; auf diese Weise lassen sich wertvolle Informationen gewinnen.«
Feric verfolgte mit zweifelnder Miene, wie der Finanzminister zu den Mittagsnachrichten einen weitschweifigen Bericht über die wirtschaftliche Lage gab. Der Sinn des Ganzen wollte ihm nicht recht einleuchten. Die öffentlichen Fernsehsendungen wurden gänzlich vom gegenwärtigen dekadenten Regime kontrolliert. Es gab keinen Zweifel, daß Fernsehnachrichten ein Propagandawerkzeug von immensem Potential waren, da sie über die öffentlichen Fernsehempfänger auf jedem öffentlichen Platz in Heldon einen großen Teil der Bevölkerung erreichte. Aber weil die Regierung die absolute Kontrolle über dieses Kommunikationsmittel hatte, schien es ausgeschlossen, daß die Partei jemals in der Lage sein würde, dieses neueste Wunder der heldonischen Wissenschaft für ihre eigenen patriotischen Ziele einzusetzen.
Plötzlich weiteten sich seine Augen in Verblüffung, als er sich selbst auf dem Bildschirm gewahrte, im Hintergrund das brennende Hakenkreuz. Aus dem Lautsprecher drang jedoch nicht seine Stimme, sondern die des offiziellen Berichterstatters: »... diese dritte Massenkundgebung der Söhne des Hakenkreuzes in ebenso vielen Wochen sollte in tragischer Gewalt enden ...«
Der Bildschirm zeigte nun die Smaragdpromenade von einer Straßenseite zur ändern angefüllt mit einem unübersehbaren Demonstrationszug. Alle Teilnehmer trugen Hakenkreuzarmbinden, viele führten brennende Fackeln mit sich. Hunderte von roten Hakenkreuzfahnen waren zu sehen, die triumphierend über den Köpfen der Kundgebungsteilnehmer flatterten.
Читать дальше