Der Captain schwieg einen Moment lang und sagte dann: „Tut mir leid, Doktor. Ich bin trotzdem nicht restlos davon überzeugt, daß nicht der Alien durch Sie spricht und Ihre Gedanken kontrolliert, und ich kann es nicht riskieren, ihn aufs Schiff zu lassen.“
Unter diesen Umständen gab es keinen Zweifel, wer recht hatte oder was sie unternehmen mußte, dachte Cha Thrat, da ein sanftes kleines Wesen wie Prilicla womöglich nicht fähig sein würde, zur Tat zu schreiten.
„Doktor Danalta, würden Sie bitte schnell zum Bordtunnel gehen, sich dort aufstellen und eine Gestalt annehmen, die jeden Offizier des Monitorkorps davon abschreckt, ihn zuzumachen, abzubauen oder auf andere Weise für den Verkehr in beiden Richtungen zu schließen?“ fragte sie. „Selbstverständlich sollten Sie sich bemühen, einen solchen Offizier nicht zu verletzen. Daß man tödliche Waffen gegen sie einsetzen wird, bezweifle ich, wenn auch nur deshalb, weil alles, was stark genug wäre, um Sie zu verwunden, auch dem Schiffsrumpf ernsthafte Schäden zufügen würde, aber falls.“
„Cha Thrat!“
Obwohl sich der Captain auf dem Kommandodeck der Rhabwar und für Priliclas empathische Fähigkeiten in äußerster Entfernung befand, brachte das Gefühl höchster Entrüstung, das den Ausruf begleitete, den kleinen Cinrussker an allen Gliedern zum Zittern. Als Fletcher schließlich seinen Zorn zügelte, kam der Empath allmählich wieder zur Ruhe.
„Na schön, Doktor“, gab sich der Captain in frostigem Ton geschlagen. „Gegen meinen ausdrücklichen Wunsch und auf Ihre eigene Verantwortung hin bleibt der Bordtunnel offen. Sie dürfen sich frei zwischen dem fremden Schiff und dem Unfalldeck bewegen, aber der Zutritt zum übrigen Schiff wird Ihnen und diesem. diesem Ding da, das Ihrer Behauptung nach ein Überlebender sein soll, verwehrt. Mit Cha Thrats grober Gehorsamsverweigerung werde ich mich später befassen, und eine Anklage wegen Anstiftung zur Meuterei liegt durchaus im Bereich des Möglichen.“
„Danke schön, Freund Fletcher“, sagte Prilicla. Dann schaltete er das Mikrofon ab und fuhr fort: „Auch Ihnen, Freundin Cha Thrat. Sie waren nicht einfach nur ungehorsam, sondern haben auch großen Einfallsreichtum bewiesen. Aber leider sind die Gefühle, die Ihnen der Captain im Moment entgegenbringt, von jener Art, die meiner Erfahrung nach nicht nur feindselig ist, sondern auch ausgesprochen lange anhält, selbst wenn bewiesen worden ist, daß Sie sich korrekt verhalten haben.“
Murchison schwieg, bis sie sich im Raum der Rhiim befanden, wo sie die Untersuchung Crelyarrels mit dem Scanner unterbrach und die Sommaradvanerin musterte. Wie Cha Thrat dank des terrestrischen Teils ihres Gehirns wußte, drückten die Art der Formulierung und der Tonfall der Pathologin Verblüffung und Mitgefühl aus, als diese sie fragte: „Wie kann ein einzelnes Wesen sich in so kurzer Zeit derart viele Probleme aufhalsen? Was ist bloß in Sie gefahren, Cha Thrat?“
Prilicla zitterte zwar leicht, sagte aber nichts.
Cha Thrat erschien zu ihrer Verabredung mit dem Chefpsychologen pünktlich auf die Sekunde, weil sie gehört hatte, daß O'Mara zu frühes Erscheinen für eine ebensolche Zeitverschwendung hielt wie zu spätes. Doch diesmal war der Chefpsychologe derjenige, der unpünktlich war, obwohl daran indirekt wieder einmal Cha Thrat schuld hatte. Der Terrestrier Braithwaite, der einzige Anwesende in dem riesigen Vorzimmer, erklärte es ihr.
„Tut mir leid wegen der Verzögerung, Cha Thrat“, sagte er und neigte den Kopf in Richtung O'Maras Tür, „aber die Besprechung ist noch voll im Gange. Bei ihm sind Chefarzt Cresk-Sar und, absteigend nach Dienstgrad geordnet, Colonel Skempton, Major Fletcher und Lieutenant Timmins. Die Tür soll eigentlich schalldicht sein, aber hin und wieder bekomme ich trotzdem etwas mit. Jedenfalls unterhalten die sich gerade über Sie.“
Er setzte ein wohlwollendes Lächeln auf, deutete auf den nächsten der drei unbesetzten Computertische neben sich und fuhr fort: „Setzen Sie sich dort hin, während wir auf den Urteilsspruch warten. Den Platz müßten Sie eigentlich ziemlich gemütlich finden. Jetzt machen Sie sich mal keine Sorgen, Cha Thrat. Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gern mit meiner Arbeit weitermachen.“
Cha Thrat entgegnete, daß es ihr nichts ausmache, und war überrascht, als auf dem Bildschirm, der vor ihr stand, plötzlich Braithwaites Arbeit zu sehen war. Sie hatte zwar keine Ahnung, womit der Terrestrier beschäftigt war, doch noch während sie dies zu verstehen versuchte, wurde ihr klar, daß er ihr absiehtlich etwas vorsetzte, damit sie sich mit den Gedanken mit anderen Dingen beschäftigte, als mit denen, die man wahrscheinlich im Nebenraum gerade über sie sagte.
Als einer der wichtigsten Assistenten des Zauberers war Braithwaite offenbar befähigt, selbst einige hilfreiche Beschwörungen in die Tat umzusetzen.
Seit ihrer Rückkehr zum Orbit Hospital hatte man Cha Thrat in eine Art verwaltungstechnischen Hyperraum verbannt. Der Wartungsdienst wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben, der Herrscher vom Monitorkorps, den sie auf der Rhabwar so schwer beleidigt hatte, schien einfach ihre Existenz vergessen zu haben, und die medizinischen Ausbilder behandelten sie mit Mitgefühl und großer Aufmerksamkeit, fast so wie eine Patientin, von der man annahm, daß sie nicht mehr lange unter den Lebenden weilte.
Offiziell gab es nichts mehr für sie zu tun, aber inoffiziell war sie in ihrem ganzen Leben nicht beschäftigter gewesen.
Diagnostiker Conway war mit ihrer Arbeit auf Goglesk sehr zufrieden gewesen und hatte sie gebeten, Khone so häufig wie möglich zu besuchen, weil Cha Thrat und er selbst noch immer die einzigen Lebewesen waren, die die FOKT bis auf Berührungsreichweite an sich heranließ, obwohl sich dieser Zustand langsam zum Besseren wandte. Mit Unterstützung des Chefpsychologen und von Prilicla, die sich dezent im Hintergrund hielten, kam man mit der Überwindung der geistig-seelischen Ausrichtung der gogleskanischen Spezies voran, und Ees-Tawn arbeitete an einem ständig am Körper zu tragenden Klangverfälscher im Miniaturformat, der sich automatisch innerhalb der ersten Millisekunden eines Notrufs einschalten konnte und den Träger daran hindern würde, einen dieser selbstmörderischen Gruppenzusammenschlüsse herbeizuführen.
O'Mara hatte die Beteiligten immer wieder daraufhingewiesen, daß die endgültige Lösung des gogleskanischen Problems noch viele Generationen auf sich warten lassen könne und sich Khone bei der Annäherung oder der Berührung durch ein anderes Wesen, egal von welcher Spezies, nie ganz behaglich fühlen würde, wohingegen ihr Sohn bereits erste Anzeichen für ein ziemliches Wohlbefinden unter Fremden erkennen lasse.
Thornnastor und Murchison war es gelungen, ein spezifisches Heilmittel gegen den Krankheitserreger zu isolieren und zu finden, von dem Crelyarrel befallen war, obwohl sie Cha Thrat gegenüber eingestanden, daß der DTRC auf dem Schiff der Rhiim hauptsächlich wegen des hohen Maßes an natürlicher Widerstandskraft überlebt habe. Mittlerweile erzielte der kleine Symbiont einen Fortschritt nach dem anderen und machte sich langsam um die Gesundheit und das Wohlergehen der FGHJ-Wirte Sorgen. Er wollte wissen, wie schnell neue Rhiim ins Orbit Hospital gebracht werden könnten, um die Kontrolle über die FGHJs zu übernehmen.
Ähnliche Fragen wurden Cha Thrat auch von einer Gruppe Korpsoffiziere gestellt, die das Hospital besuchten und anscheinend nichts von ihrer kürzlichen Gehorsamsverweigerung auf der Rhabwar erfahren hatten oder sich nicht dafür interessierten. Bei ihnen handelte es sich um Kontaktspezialisten, die das Schiff der Rhiim untersuchten, um vor der offiziellen, im Namen der Galaktischen Föderation stattfindenden Kontaktaufnahme mit dieser Spezies so viele Informationen wie möglich über die Wesen, die den Bau veranlaßt hatten, zu sammeln, wozu auch die Erkundung der Position des Heimatplaneten gehörte. Schon deshalb wollten sie unbedingt mit dem Überlebenden sprechen.
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