Easy hob die Brauen. „Wie erklärst du dir das?
Ich dachte, die alten Scherze über die Wettervorhersage seien längst überholt?“
„In Wirklichkeit sind sie nur schal geworden. Ich erkläre es mir ganz einfach durch die Tatsache, daß wir nicht genügend Daten haben und haben können. Die offensichtlichste Fehlerquelle ist der Mangel an detaillierter topografischer Erfassung der Oberfläche. Ein Wind mit einigermaßen respektabler Geschwindigkeit ändert seine Luftmassentemperatur ziemlich rasch, wenn er einen Hügel hinauf- oder hinabwehen muß, und sei die Erhebung auch relativ flach; Benj hat das eben schon erklärt. Unsere topografischen Kenntnisse wurden aufgrund dieses Effekts gewonnen, aber sie sind kaum mehr als skizzenhaft. Ich brauche exaktere Messungen von Dondragmer. Wollte Aucoin nicht die genaue Position der Kwembly ermitteln?“
Easy kam zu keiner Antwort; Aucoin persönlich trat ein. Er hielt sich nicht mit Grußworten auf und setzte offensichtlich voraus, daß Easy den Meteorologen bereits die Hintergrundinformationen gegeben hatte.
„Acht Strich vier fünf fünf Grad südlich des Äquators und sieben Strich neun zwei drei Grad östlich des der Landungsstelle nächstliegenden Meridians. Näher ging es nicht. Sind ein paar hundert Meter Toleranz für eure Zwecke untragbar?“
„Heute neigen hier wohl alle zum Sarkasmus“, murmelte McDevitt ärgerlich. „Danke, es wird reichen. Easy, können wir hinunter in den Kommunikationsraum und mit Dondragmer Rücksprache halten?“
„Geht in Ordnung. Darf Benj mitkommen, oder hat er hier noch zu tun? Ich möchte gerne, daß er Dondragmer ein bißchen kennen lernt.“
„Und beiläufig seine linguistische Begabung demonstriert, wie? Klar, er darf mit. Du auch, Alan?“
„Nein, ich habe noch jede Menge zu erledigen.
Trotzdem würde ich gerne über die Einzelheiten jeder vertrauenswürdigen Vorhersage unterrichtet, und über alle Nachrichten Dondragmers, die die Planung wesentlich beeinflussen können. Ich bin im Planungsbüro.“
Der Meteorologe nickte. Aucoin verließ das Labor, und die drei anderen folgten ihm, wandten sich jedoch abwärts und begaben sich über die Leitern in den Kommunikationsraum. Mersereau war inzwischen gegangen; ein anderer Mann saß auf seinem Platz. Er winkte ihnen zu und kehrte an die eigene Arbeit zurück. Die übrigen Anwesenden schenkten der Gruppe wenig Beachtung. Die Stationen des Satelliten wurden nicht nach strenger Schichteinteilung besetzt, doch hatte sich die Regel eingebürgert, daß im Kommunikationsraum niemals weniger als zehn Personen anwesend sein durften. Man hatte herausgefunden, daß ein Schichtdienst ein Phänomen hervorrief, das sich am ehesten mit der einschläfernden Wirkung vergleichen ließ, die eine endlos lange Allee auf einen Autofahrer ausübte.
Die zu den vier Kommunikatoren der Kwembly gehörenden Lautsprecher befanden sich vor einer Reihe von sechs Sesseln. Die damit korrespondierenden Bildschirme waren darüber angebracht. Jeder Platz war mit einem Mikrofon und einem Selektor ausgestattet; der Selektor erlaubte es, entweder mit nur einem oder mit allen vier Geräten der Kwembly gleichzeitig in Verbindung zu treten.
Easy setzte sich und schaltete das Mikrofon ihres Sessels auf den Kanal, der sie mit Dondragmers Kommandobrücke verband. Auf dem korrespondierenden Bildschirm gab es kaum etwas zu erkennen, da die Kamera auf die Bugfenster der Brücke wies und die Sicht nach draußen in der Tat durch Nebel schwer behindert wurde. In der unteren linken Ecke des Bildschirms konnte man die Plattform des Steuermanns und einen Teil des gerade Diensthabenden sehen. Die Brückenbeleuchtung war gedämpft, aber die Außenscheinwerfer ließen den Nebel als grauen Vorhang sichtbar werden.
„Don!“ rief Easy. „Hier spricht Easy. Bist du auf der Brücke?“ Sie drückte einen Zeitauslöser und schaltete den Selektor auf das im Labor der Kwembly befindliche Gerät um. „Borndender“, sagte sie, „die verfügbaren Informationen reichen zur Erstellung einer Wettervorhersage nicht aus.
Ich habe Verbindung mit eurer Brücke aufgenommen, aber ich wäre dankbar, würdest du uns so exakt wie möglich die gegenwärtige Temperatur, die Windgeschwindigkeit, den Außendruck, Quantitätswerte, den Nebel betreffend, und…“
Sie zögerte.
„Und die gleichen Informationen über die letzten Stunden“, ergänzte Benj, wobei er sich ebenfalls des Stennish bediente, „mit möglichst genauen Zeitangaben.“
„Wir sind wieder empfangsbereit, sobald eure Brücke ihre Durchsage beendet hat“, sagte die Frau.
„Wir könnten auch alle Daten über die genaue Zusammensetzung von Atmosphäre, Nebel und Schnee gebrauchen“, fügte ihr Sohn hinzu.
„Gibt es weiteres Material, das ihr als bedeutsam erachtet, ist es uns ebenfalls willkommen“, versicherte Easy abschließend. „Ihr seid auf der Oberfläche und wir nicht. Ihr müßt euch doch sicher auch schon ein paar eigene Gedanken über Dhrawns Wetter gemacht haben.“ Der Zeitauslöser klingelte. „Eure Brücke meldet sich. Wir erwarten eure Durchsage, sobald der Captain fertig ist.“
Die ersten Worte des Sprechers mischten sich in ihren Schlußsatz. Die Brücke hatte prompt geantwortet. „Hier spricht Kervenser, Mrs. Hoffman. Der Captain hält sich unten im Versorgungskontrollraum auf. Ich rufe ihn, wenn nötig, aber wir brauchen schnellstmöglich einen guten Rat. Die Sichtweite beträgt jetzt nicht einmal mehr eine Körperlänge, und wir wagen uns nur noch im Kreis zu bewegen. Jedes Mal, wenn wir seitwärts zur Windrichtung geraten, hat man das Gefühl, das Fahrzeug müsse sogleich umkippen.
Die Sichtflächen sind schwer vereist. Die Walzen sind noch eisfrei, da wir sie in Bewegung halten, aber die Ruderleinen können jeden Moment festfrieren, und sie freizulegen, dürfte strapaziöse Arbeit erfordern. Wahrscheinlich ist es unmöglich, bevor der Wind aufhört, weil die Gefahr besteht, daß die Schutzanzüge ebenfalls vereisen.
Irgendwelche anderen Vorschläge?“
Easy wartete geduldig, bis Kervenser seine Durchsage beendete. Dann faßte sie die Nachricht zusammen, die sie zuvor dem Labor der Kwembly gegeben hatten, und vermied auch diesmal eine Erwähnung des Computerresultats, daß das Wetter eigentlich klar sein müsse. Die Meskliniten wußten längst, daß die menschliche Wissenschaft nicht unfehlbar war — die meisten besaßen eine weitaus realistischere und gesundere Vorstellung von ihren Grenzen als die meisten Menschen; doch wenn es sich umgehen ließ, sollte man keinen allzu schlechten Eindruck machen. Natürlich, sie war kein Meteorologe, aber wahrscheinlich wäre Kervensers Reaktion auf das lächerliche Resultat wenig differenziert ausgefallen.
Die Gruppe erwartete in erwartungsvollem Schweigen die Antwort des Ersten Offiziers. Benj benötigte für die Übersetzung, die er McDevitt zumurmelte, nur wenige Augenblicke länger, als die Durchsage selbst beanspruchte. Als die Antwort schließlich kam, bestand sie aus kaum mehr als einer Bestätigung und dem freundlichen Hinweis, daß man wirklich sehr dringend hilfreiche Informationen brauche; die Wissenschaftler der Kwembly würden das angeforderte Material umgehend durchgeben.
Easy schaltete einen Recorder ein, um spezielle technische Termini zu registrieren, bevor sie an die Übersetzung ging, aber die Meldung kam in menschlicher Sprache. Offensichtlich war Borndender am Gerät. McDevitt machte sich Notizen, wobei Benj ihm über die Schultern blickte.
Es war Easy durchaus recht, nicht immer und alles übersetzen zu müssen. Sie beherrschte das Stennish gut, aber es enthielt viele seltsame Wörter, die verwirrend vieldeutig waren. Eigentlich, so wußte sie, hätte diese Tatsache sie nicht verwirren dürfen, aber sie vermochte nichts dagegen zu tun; und nichts gegen ihr Empfinden, daß die Meskliniten eine Kulturstufe repräsentierten, die der menschlichen zur Zeit Robin Hoods oder Harun al Raschids entsprach, obwohl während der letzten fünfzig Jahre einige hundert von ihnen eine sehr umfassende wissenschaftliche und technische Ausbildung genossen hatten. Diesen Vorzug hatte man keiner breiten Öffentlichkeit zuteil werden lassen; die Auffassung, es sei schädlich, >Rückständigen< zuviel fortgeschrittenes Wissen zu vermitteln, besaß zahlreiche Anhänger.
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