„Ich werde dir alles zeigen, Fremder, und du wirst uns das Geheimnis der Appsalaner erklären. Von heute ab beginnt ein neues Zeitalter für Putl’ko.“
Edipon riß die Tür auf, rief die Wächter herein und ließ seinen Sohn Narsisi rufen. Narsisi kam herein, als Jason losgebunden wurde. Er entpuppte sich als der schläfrige junge Mann, der den caro gelenkt hatte.
„Nimm die Kette, mein Sohn, und halte dich bereit, diesen Sklaven zu töten, wenn er einen Fluchtversuch unternehmen sollte. Aber sonst darfst du ihm nichts zuleide tun, denn er ist sehr wertvoll für uns. Komm jetzt.“
Narsisi zog an der Kette, aber Jason bewegte sich nicht vorwärts. Die anderen starrten ihn verwundert an.
„Nur noch ein paar kurze Worte, bevor wir gehen. Der Mann, der Putl’ko ein neues Zeitalter bringen soll, ist kein Sklave. Das möchte ich feststellen, bevor die Arbeit beginnt. Wir können uns noch über die entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen gegen Fluchtversuche unterhalten, aber als Sklave rühre ich keine Hand.“
„Aber — du gehörst nicht zu uns, deshalb bist du ein Sklave.“
„Ich habe die hiesige Gesellschaftsordnung soeben um eine dritte Kategorie bereichert. Ich bin Angestellter. Zwar nicht ganz freiwillig, aber immerhin fachlich qualifiziert. Deshalb möchte ich auch entsprechend behandelt werden. Denkt doch selbst darüber nach. Was verliert ihr, wenn ihr einen Sklaven tötet? Nicht viel, denn es gibt genügend andere, die an seine Stelle treten können. Aber was habt ihr davon, wenn ihr mich umbringt? Gehirn an der Keule — und dort wird es bestimmt nicht gebraucht.“
„Soll das heißen, daß ich ihm nicht den Schädel einschlagen darf?“ erkundigte Narsisi sich bei seinem Vater. Er sah jetzt nicht nur schläfrig, sondern auch erstaunt drein.
„Nein, das soll es nicht heißen“, beruhigte Edipon ihn. „Er meint nur, daß es außer ihm keinen anderen Sklaven gibt, der seine Arbeit tun kann. Aber diese Art gefällt mir nicht. Es gibt nur Sklaven und Sklavenhalter; alles andere verstößt gegen die natürliche Ordnung der Dinge. Andererseits bleibt uns keine Wahl, deshalb müssen wir ihm einige Freiheiten gestatten. Führe den Sklaven — ich meine den Angestellten — hinter mir her, damit wir sehen, ob er alles kann, was er versprochen hat. Wenn er es nicht kann, werde ich ihn mit Vergnügen umbringen, weil mir seine revolutionären Ideen nicht gefallen.“
Sie marschierten hintereinander auf ein riesiges Gebäude zu, das schwer bewacht wurde. Als die Tore geöffnet worden waren, wurden sieben caroj sichtbar, die dort im Halbdunkel standen.
„Sieh sie dir an!“ rief Edipon begeistert aus. „Die herrlichsten Maschinen, die je von Menschenhand gebaut worden sind! Sie tragen Schrecken in die Herzen unserer Feinde, befördern uns schnell durch die Wüste, tragen riesige Lasten — aber nur drei von den verdammten Dingern sind betriebsbereit.“
„Motorschaden?“ fragte Jason leichthin.
Edipon fluchte leise vor sich hin und ging in einen Innenhof voraus, in dem vier große Blechkästen standen, die über und über mit kabbalistischen Symbolen verziert waren.
„Diese Banditen in Appsala nehmen unser Feuerwasser und betrügen uns um den Gegenwert. Wir dürfen zwar ihre Maschinen benützen, aber spätestens nach einigen Monaten funktionieren sie nicht mehr. Dann müssen wir sie in die Stadt zurückbringen und einen Haufen Geld bezahlen, bevor wir neue bekommen.“
„Hübsche Geschäftsmethoden“, meinte Jason und betrachtete die Gehäuse. „Warum macht ihr nicht einfach die Blechkästen auf und versucht die Maschinen reparieren? Sie können nicht sehr kompliziert sein.“
„Das bedeutet den sicheren Tod!“ keuchte Edipon, und beide d’zertanoj wichen bei dem bloßen Gedanken daran erschrocken zurück. „Zu Lebzeiten meines Großvaters wurde einmal der Versuch unternommen, denn wir sind nicht so abergläubisch wie die Sklaven und wissen, daß die Maschinen nicht von Göttern, sondern von Menschen hergestellt werden. Aber die Verbrecher in Appsala wissen ihre Geheimnisse wohl zu verbergen. Wenn das Gehäuse beschädigt wird, erfüllt ein schrecklicher Tod die Luft. Wer diese Luft atmet, stirbt sofort, aber selbst die Männer, die nur von ihr berührt werden, bekommen riesige Blasen und erleiden einen schrecklichen Tod. Die Männer von Appsala lachten nur, als sie davon hörten, und verdoppelten sofort ihren Preis.“
Jason ging um einen der Kästen herum und betrachtete ihn interessiert, wobei er Narsisi an der Kette hinter sich her zerrte. Das Ding war fast zwei Meter hoch und über vier Meter lang. Eine massive Welle, die an beiden Seiten aus dem Gehäuse ragte, trieb vermutlich die Räder an. An der hinteren Wand waren einige Handkurbeln, verschiedenfarbige Scheiben und drei Löcher zu sehen, die wie Einfüllstutzen aussahen. Darunter befand sich ein größeres Loch in der Wandung des Gehäuses. Als Jason sich auf die Zehenspitzen stellte, erkannte er auf der Oberseite den Anschluß für den Schornstein.
„Allmählich wird mir die Sache klarer, aber ich muß erst noch wissen, wie das Ding bedient wird“, sagte Jason schließlich.
„Das ist unmöglich!“ rief Narsisi. „Nur meine Familie…“
„Wer hat dich denn nach deiner Meinung gefragt?“ brüllte Jason zurück. „Vielleicht erinnerst du dich gefälligst daran, daß ich kein Sklave mehr bin!“ Als Narsisi betreten zu Boden starrte, fuhr Jason mit ruhigerer Stimme fort: „Außerdem kann ich mir auch ohne eure Hilfe vorstellen, wie die Maschine in Betrieb gesetzt wird. Schmieröl, Wasser und Brennstoff werden in diese drei Stutzen gefüllt, dann steckt man ein brennendes Stück Holz in die Feuerung — wahrscheinlich in das rußige Loch hier. Die Kurbeln regeln den Brennstoff-Fluß, die Geschwindigkeit der Maschine und die Wasserzufuhr, während die bunten Scheiben als eine Art Meßinstrumente dienen.“ Narsisi wurde blaß und wich zurück. „Du hältst also lieber den Mund, während ich mich mit deinem Vater unterhalte.“
„Du hast alles richtig beschrieben“, sagte Edipon. „Die Münder müssen stets gefüllt werden, denn sonst bewegt der caroj sich nicht, wenn nicht sogar etwas noch Schlimmeres passiert. Hier wird angezündet, wie du vermutet hast, und wenn der grüne Finger nach oben ragt, kann man diesen Hebel bewegen, um abzufahren. Der nächste Hebel regelt die Geschwindigkeit. Wenn der rote Finger nach oben deutet, muß man den letzten Hebel drücken, bis der Finger wieder nach unten geht. Dann kommt weißer Atem aus der oberen Öffnung. Das ist alles.“
„Mehr habe ich auch nicht erwartet“, murmelte Jason vor sich hin, während er mit der Faust gegen die Gehäusewandung klopfte. „Die Kerle machen alles so primitiv wie möglich, damit ihr die Grundlagen der ganzen Sache nicht herausbekommt. Ohne die theoretische Ausbildung wißt ihr nie, wozu die Hebel wirklich dienen, oder daß der grüne Zeiger das Zeichen für ausreichenden Dampfdruck ist, während der rote ungenügenden Wasserstand im Kessel anzeigt. Wirklich gut ausgedacht.
Und der ganze Apparat ist gegen unbefugtes Eindringen gesichert, damit ihr nicht eines Tages auf die Idee kommt, die Reparaturen selbst auszuführen. Das Gehäuse scheint doppelwandig zu sein und ist vermutlich mit verflüssigtem Giftgas gefüllt — deiner Beschreibung nach Senfgas. Das reicht garantiert aus, um jeden Versuch scheitern zu lassen. Trotzdem muß es eine Möglichkeit geben, die Maschine zu reparieren, nachdem man das Gehäuse geöffnet hat; ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, daß die Appsalaner sie schon nach einigen Monaten verschrotten. Angesichts des nicht gerade überwältigenden technischen Fortschritts, der sich in dieser Maschine dokumentiert, können die Fallen nicht allzu kompliziert sein. Ich nehme also den Job an.“
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