Der Raum, in den er geführt wurde, zeigte die ersten Andeutungen einer bewußten Ausschmückung, die Jason auf diesem Planeten gesehen hatte. Die Möbelstücke waren an einigen Stellen mit Schnitzereien verziert, die Stühle gepolstert und das Bett mit einem gewebten Überwurf bedeckt. Edipon stand neben dem Tisch und klopfte nervös mit den Fingern gegen die polierte Platte.
„Bindet ihn fest“, befahl er den Wächtern. Jason wurde an einen geschmiedeten Ring gebunden, der in der Wand eingelassen war. Als die Wächter gegangen waren, kam Edipon auf Jason zu und zog sein Messer. „Du erzählst mir jetzt alles, was du weißt, sonst bringe ich dich auf der Stelle um.“
„Meine Vergangenheit ist ein offenes Buch für dich, Edipon. Ich komme aus einem Land, wo die Menschen alle Geheimnisse der Natur kennen.“
„Wie heißt dieses Land? Bist du ein Spion aus Appsala?“
„Das ist nicht gut möglich, da ich nie von diesem Land gehört habe.“ Jason überlegte, wie intelligent dieser Edipon sein mochte. Durfte er ihm wirklich die Wahrheit sagen, ohne als Lügner zu gelten? Vielleicht versuchte er es am Anfang lieber mit homöopathischen Dosen.
„Würdest du mir glauben, wenn ich sage, daß ich von einem anderen Planeten, von einer anderen Welt zwischen den Sternen am Himmel stamme?“
„Vielleicht. In unseren alten Legenden heißt es, daß unsere Vorfahren von einem anderen Planeten gekommen sein sollen. Aber ich habe nie recht daran glauben können, denn solche Ammenmärchen sind schließlich nur für Ungebildete annehmbar.“
„In diesem Fall sind die Dummen klüger. Euer Planet ist von Menschen besiedelt worden, die mit Schiffen durch den Raum flogen, wie ihr mit caroj durch die Wüste fahrt. Ihr habt das ursprüngliche Wissen vergessen, aber auf anderen Planeten ist es bewahrt und vermehrt worden.“
„Unsinn!“
„Keineswegs. Ich kann meine Behauptung sogar beweisen. Du weißt, daß ich eure geheimnisvollen Fabrikgebäude nie betreten habe, und daß mir bestimmt niemand erzählt hat, was dort drinnen vor sich geht. Aber ich wette, daß ich beschreiben kann, was dort geschieht — ich weiß nämlich, wie Öl verarbeitet werden muß, um bestimmte Erzeugnisse herzustellen. Willst du es hören?“
„Sprich weiter“, sagte Edipon. Er setzte sich auf die Tischkante und spielte mit dem Messer.
„Ich weiß nicht, wie ihr den Apparat nennt, aber in Fachkreisen heißt das Ding Destillationsanlage. Das Rohöl fließt in einen Tank und wird von dort aus in einen Behälter gepumpt, der sich luftdicht verschließen läßt. Dann zündet ihr ein großes Feuer unter dem Behälter an und versucht das Öl auf eine einheitliche Temperatur zu bringen. Dabei entsteht ein Gas, das ihr durch ein Rohr zu dem Kondensator leitet, der vermutlich aus einem weiteren wasserdichten Rohr besteht. Am Schluß braucht ihr nur noch einen Eimer unter das Rohr zu stellen, um die Flüssigkeit aufzufangen, die ihr in den caroj verbrennt, damit sie sich bewegen.“
Während Jason sprach, traten Edipons Augen immer weiter aus den Höhlen. „Du Teufel!“ kreischte er und kam mit dem Messer in der Hand auf Jason zu. „Wie hast du das alles durch die Steinmauern gesehen? Nur meine Familienangehörigen kennen das Geheimnis — das kann ich beschwören!“
„Immer mit der Ruhe, alter Freund. Ich habe dir doch erklärt, daß dieses Verfahren bei uns schon seit langer Zeit in Gebrauch ist.“ Er hielt sich bereit, dem alten Mann das Messer aus der Hand zu treten, falls er sich nicht wieder beruhigte. „Ich will euch keineswegs eure Geheimnisse stehlen. Im Grunde genommen kennt sie bei uns jeder Farmer, der eine kleine Schwarzbrennerei im Keller hat, um selbst Whisky zu brennen. Ich wette, daß ich den ganzen Apparat verbessern kann, obwohl ich ihn noch nie zu Gesicht bekommen habe. Wie kontrolliert ihr zum Beispiel die Temperatur während des Erhitzens? Benutzt ihr ein Thermometer?“
„Was ist ein Thermometer?“ wollte Edipon wissen. Er hatte sein Messer völlig vergessen.
„Das habe ich mir gleich gedacht. Ich verspreche dir, daß euer Saft wesentlich besser wird, wenn ihr jemand habt, der sich auf das Glasblasen versteht. Vielleicht ist es sogar besser, wenn ich einen Bimetallstreifen herstelle. Wenn die Temperatur nicht gleichmäßig bleibt, entsteht eine Mischung aus verschiedenen Flüssigkeiten. Aber mit Hilfe eines Thermometers kann man zunächst Benzin für die caroj, dann Kerosin für die Lampen und so weiter absondern, bis schließlich nur noch Teer für die Straßen übrig ist. Wie gefällt dir das?“
Edipon beherrschte sich mühsam, obwohl sein Gesichtsausdruck erkennen ließ, wie aufgeregt er war. „Du hast alles richtig beschrieben, obwohl einige unwesentliche Kleinigkeiten nicht ganz stimmten. Aber wir brauchen keine Thermometer oder besseres Feuerwasser für die caroj. Was seit Generationen für meine Familie gut genug war, ist auch gut genug für mich.“
„Diese Feststellung hältst du wohl für originell?“
„Aber du könntest uns auf einem anderen Gebiet helfen und dir unsere Dankbarkeit sichern“, fuhr Edipon fort. „Wir können großzügig sein, wenn es unbedingt erforderlich ist. Du hast unsere caroj gesehen, bist in einem gefahren und hast gehört, daß ich die heiligen Mächte angerufen habe. Kannst du mir sagen, welche Kraft die caroj bewegt?“
„Hoffentlich ist das die letzte Frage, Edipon, denn ich kann schließlich nicht alles erraten: Wenn man den ›Schrein‹ und die ›heiligen Mächte‹ beiseite läßt, muß man vermuten, daß du in den Maschinenraum gegangen bist, um zu arbeiten — nicht nur deshalb, weil du beten wolltest. Das Fahrzeug kann auf verschiedene Weise fortbewegt werden, aber wahrscheinlich ist es die einfachste. Ein Verbrennungsmotor scheidet aus, weil von einem Wassertank die Rede war. Außerdem dauerte es fast eine Stunde, bis wir endlich fahren konnten. Das klingt ganz so, als hätte erst der nötige Druck erzeugt werden müssen… das Sicherheitsventil! Das hätte ich fast vergessen.
Dann handelt es sich also um eine Dampfmaschine. Du gehst also hinein, schließt die Tür hinter dir ab, läßt den Treibstoff in den Brennraum laufen und zündest das Zeug an. Vielleicht liest du den Druck an einem Manometer ab, aber wahrscheinlich wartest du, bis das Sicherheitsventil anspricht und dir zeigt, daß der Druck ausreicht. Das ist nicht ungefährlich, denn wenn das Ventil versagt, gibt es eine Explosion. Dann läßt du den Dampf in den Zylinder einströmen, bis sich das Fahrzeug in Bewegung setzt. Damit ist die Hauptarbeit getan, denn nun brauchst du nur noch darauf zu achten, daß genügend Wasser im Kessel ist, daß das Feuer heiß genug bleibt, daß alle Lager geschmiert sind und so weiter…“
Jason sah belustigt zu, als Edipon einen kleinen Freudentanz vollführte. Der Alte rammte sein Messer in die polierte Tischplatte, rannte auf Jason zu und schüttelte ihn an den Schultern, daß die Kette rasselte.
„Weißt du, was du getan hast?“ fragte er aufgeregt. „Weißt du, was du getan hast?“
„Ich weiß es recht gut. Soll das heißen, daß ich die Prüfung bestanden habe, daß du mir endlich zuhören willst? Habe ich recht gehabt?“
„Ich weiß es nicht, denn ich habe diese Teufelskasten aus Appsala noch nie von innen gesehen.“ Er tanzte wieder auf und ab. „Du weißt mehr über ihre — wie hast du sie noch gleich genannt? — Dampfmaschinen als ich. Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, die Teufelsdinger zu versorgen und über die Schurken aus Appsala zu fluchen, die ihr Geheimnis vor uns bewahren wollten. Aber du wirst es uns offenbaren! Wir werden diese Maschinen selbst bauen und den Appsalanern unser Feuerwasser teuer verkaufen.“
„Könntest du dich nicht ein wenig deutlicher ausdrücken?“ fragte Jason. „Bis jetzt bin ich noch nicht schlau daraus geworden.“
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