„So haben Sie ihn also verborgen, Fred“, meinte er. „Hübscher, kleiner Trick.“
Ich antwortete nicht, erhob mich aber langsam, da ich nur daran dachte, daß ich stehend meinen Standort schneller wechseln konnte.
Er schüttelte den Kopf.
„Keine Sorge“, beruhigte er mich. „Dieses Mal sind Sie sicher, Fred. Jeder ist sicher, wenn ich den Stein bekomme.“
Ich fragte mich hoffnungsvoll, ob M’mrm’mlrr nicht telepathisch nach ihm fassen und sein Gehirn ausbrennen konnte.
Der Vorschlag wurde aufgegriffen, kaum daß er an meiner Seite stand, denn plötzlich begann er zu kreischen und wand sich in Krämpfen.
Mit beiden Händen griff er nach der Waffe. Jamie war weit genug entfernt, ich konnte es riskieren. Ich nahm nicht an, daß er das Risiko eingehen wollte, seinen Boß zu verletzen.
Er feuerte zweimal mit der Pistole, bevor ich sie ihm entreißen konnte. Aber ich sollte sie nicht lange behalten, denn er trat mir in den Magen und versetzte mir anschließend einen Kinnhaken, der mich zu Fall brachte. Die Waffe schlitterte über den Boden davon und blieb irgendwo unter der Plattform der Rhenniusmaschine liegen.
Zeemeister kickte Ragma, der sich diesen Augenblick zum Angriff ausgesucht hatte, weg von sich. Noch immer den Stein umklammernd, brachte er von irgendwoher ein Messer zum Vorschein. Dann rief er Jamie etwas zu, brach jedoch mitten im Wort ab.
Ich wandte mich um, um nachzusehen, was geschehen war, und kam zu dem Ergebnis, daß es sich wieder um eine Halluzination handeln mußte.
Jamies Waffe lag ein paar Schritte hinter ihm, und er rieb sich die Faust, während er den Mann mit dem kurzen Bärtchen und dem amüsierten Grinsen ansah, den Mann, der eine Hand in der Tasche hatte und mit der anderen einen Knüppel schwang.
„Ich bring dich um“, hörte ich Jamie sagen.
„Nein, Jamie!“ schrie Zeemeister. „Geh nicht näher ran. Lauf, du Narr!“
Zeemeister wich zurück; er blieb nur kurz stehen, um einen von M’mrm’mlrrs Tentakeln abzuschlagen, als wüßte er, wem er seine Niederlage zu verdanken hatte.
„Wegen dieser halben Portion!“ schnaubte Buckler verächtlich.
„Das ist Kapitän Al!“ brüllte Zeemeister. „Nun lauf schon, du Idiot.“
Aber Jamie entschied sich anders.
Kaum hatte es angefangen, da war es auch schon fast wieder vorbei. Ich sage „fast“, denn der Knüppel bewegte sich viel zu rasch für mein Auge. Daher kann ich nicht sagen, wo und wie oft er den Mann traf. Seit Jamies Sprung schien nur ein Augenblick vergangen zu sein, da fiel er auch schon hin.
Dann wandte die Gestalt, die noch immer den Knüppel schwang, sich von Buckler ab und folgte dem zurückweichenden Zeemeister.
Zeemeister wich immer weiter nach hinten, das Messer mit aufwärts gerichteter Klinge in der Hand, ohne einen Blick von der Halluzination zu lassen.
„Ich dachte, du seist tot“, keuchte er.
„Offensichtlich hast du dich getäuscht“, lautete die Antwort.
„Was für Interessen hast du in dieser Angelegenheit?“
„Du hast versucht, Fred Cassidy zu ermorden“, sagte er. „Und ich habe eine Menge in die Ausbildung des Jungen investiert.“
„Ich brachte seinen Namen nicht mit deinem in Verbindung“, gestand Zeemeister. „Zudem wollte ich ihm nie auch nur ein Härchen krümmen.“
„Da habe ich aber etwas ganz anderes gehört.“
Zeemeister wich unaufhörlich zurück. Er passierte die Lücke im Absperrseil, und danach bewegte er sich langsam auf die rotierende Plattform der Rhenniusmaschine zu. Dort angekommen, schlug er kurz zur Seite, in Richtung Charvs, der mit erhobenen Fäusten auf ihn zugetrippelt kam. Charv kreischte und sprang von der Plattform herunter. Nahe bei M’mrm’mlrr und Nadler blieb er stehen.
„Was hast du vor, Al?“ fragte Zeemeister, der sich wieder dem anderen zuwandte.
Aber er bekam keine Antwort; sein Gegenüber schritt nur langsam weiter, lächelte, schwang die Keule.
Im letzten Augenblick, bevor er in Reichweite des Knüppels kam, sprang Zeemeister. Er schnellte auf die Plattform hoch und rannte los, so schnell er konnte. Aber durch die Rotation kollidierte er mit der zentralen Einheit, von der die Hand ausging, die aussah, als würde sie ihn kratzen.
Durch seine Geschwindigkeit und den Aufprallwinkel wurde er auf den Gürtel geschleudert. Das Messer und der schillernde Sternstein fielen ihm aus der Hand, als er versuchte, seinen Sturz abzufangen. Sie kullerten in dem Augenblick auf den Boden, als er in den Tunnel getragen wurde. Sein Schrei wurde merkwürdig abrupt abgebrochen. Ich sah weg, aber nicht schnell genug.
Die Maschine kehrte sein Innerstes nach außen.
Natürlich klatschte der Inhalt seines Kreislauf- und Verdauungssystems auf den Boden.
Zudem hatte sie alle inneren Organe nach außen geschafft, man konnte sie deutlich sehen.
Der Inhalt meines eigenen Magens kam ebenfalls hoch, ich würgte noch immer, als die anderen bereits wieder alle durcheinander sprachen. Wie gesagt, ich hatte nicht schnell genug weggeblickt.
Charv war schließlich der erste, dessen Magen gefestigt genug war, daß er zu den Überresten gehen und sie mit einem Mantel unseren Blicken entziehen konnte. Sie alle waren am Ausgang der Rhenniusmaschine auf den Boden gefallen. Dann, erst dann, kam Ragma wieder näher, er rief immer wieder hysterisch: „Der Stein! Der Stein! Wo ist der Stein?“
Aus wäßrigen Augen suchte ich danach, da sah ich die blutverschmierte Gestalt Paul Bylers, der mit dem Handtuch unter dem Arm zum Ausgang rannte.
„Einmal Monarchist“, rief er dabei, „immer Monarchist!“ Und schon war er draußen.
Soweit zu den Ehrlichen und den fast Ehrlichen. Aus und vorbei.
Die Halluzination ließ ihre Keule ein letztes Mal kreisen, wandte sich um, nickte mir zu und näherte sich dann unserer Gruppe. Ich erhob mich, nickte zurück, nahm allen Mumm zusammen und schaffte auf diese Weise sogar ein Lächeln.
„Fred, mein Junge, wie groß du geworden bist“, sagte er. „Wie ich hörte, hast du einen hohen Titel und eine gutdotierte Stelle. Gratuliere.“
„Vielen Dank“, entgegnete ich.
„Wie geht es dir?“
„Durchwachsen“, versicherte ich ihm. „Ich habe nie gewußt, wie dein Export-Import-Geschäft tatsächlich aussieht.“
Er kicherte. Dann schloß er mich in die Arme.
„Gemach, Junge, gemach“, sagte er, wobei er mich wieder auf Armeslänge von sich stieß. „Laß mich dich anschaun. So. Das also ist aus dir geworden. Könnte schlechter sein, könnte wirklich schlechter sein.“
„Byler hat den Stein!“ kreischte Charv.
„Der Mann, der gerade getürmt ist …“ begann ich.
„… wird nicht weit kommen, Junge. Frenchy ist draußen und sieht zu, daß keiner von hier entkommen kann. Wenn du genau hinhörst, kannst du vielleicht sogar das Klappern von Hufen auf Marmor hören.“
Ich hörte und ich konnte. Ich hörte auch Flüche und die Geräusche eines Kampfes.
„Wer, Sir, sind Sie?“ fragte Ragma, der sich auf die Hinterbeine stellte und näher kam.
„Das ist mein Onkel Albert“, sagte ich. „Der Mann, der mir den Schulbesuch ermöglichte: Albert Cassidy.“
Onkel Albert sah Ragma aus zusammengekniffenen Augen an, bis ich ihm erklärte: „Das ist Ragma. Er ist ein verkleideter Polizist. Sein Partner heißt Charv, das Känguruh.“
Onkel Al nickte.
„Die Verkleidung scheint mir recht perfekt“, kommentierte er. „Wie gelingt euch dieser Effekt?“
„Wir sind Extraterrestrier “, erklärte Ragma.
„Oh, das erklärt natürlich alles. Sie werden meine diesbezügliche Ignoranz entschuldigen müssen. Ich mußte leider einige Jahre lang tiefgefroren im Kühlschrank verbringen. Sind Sie Freunde von Fred?“
„Wir versuchen es“, antwortete Ragma.
Читать дальше