Dann verbarg er den Körper unter dem Hemd, damit niemand erzählen konnte, er habe etwas getragen, falls er doch beobachtet wurde, und machte sich auf den Weg zu Stauntons Haus. Dabei umging er alle Farmen in der Nachbarschaft in einem weiten Bogen, so daß er unverhältnismäßig lange brauchte, bis er das dunkle Gebäude vor sich liegen sah. Auch hier führte eine Treppe zu der Hintertür hinauf, unter der er den Körper des Parasiten versteckte. Dabei gab er sich besondere Mühe, um nach Möglichkeit keinerlei Spuren zu hinterlassen.
Nachdem er seine Arbeit beendet hatte, ging er nach Hause zurück und schlich sich in sein Zimmer hinauf. Auftrag ausgeführt. Diesmal zog er seinen Schlafanzug an, weil seine Mutter zum Wecken hereinsehen würde, und brachte dann das Bett so in Unordnung, als habe er wirklich darin geschlafen. Kurze Zeit später kam seine Mutter an die Tür und rief nach ihm. Er antwortete mit verschlafener Stimme und setzte sich gähnend auf.
Auch beim Frühstück gähnte er einige Male ausgiebig, bis seine Mutter ihn fragte, ob er denn am vergangenen Abend später als gewöhnlich zu Bett gegangen sei. Jim schüttelte den Kopf und log ihr vor, daß er aus irgendeinem Grund nicht habe einschlafen können und erst gegen Morgen wirklich geschlafen habe.
»Vielleicht machst du dir zu viele Sorgen um deine Berufswahl«, meinte sein Vater. »Aber, Jim, wenn du tatsächlich nur so wenig geschlafen hast, sehe ich es nicht gern, daß du nach Green Bay fährst; du könntest am Steuer einschlafen. Warum legst du dich nicht noch ein paar Stunden ins Bett? Ich kann Mrs. Gross sagen, daß du heute nur nachmittags Zeit hast. Ihr macht es bestimmt nichts aus, und du kannst nach dem Mittagessen fahren.«
Jim gähnte wieder. »Danke, Dad, aber das ist wirklich nicht notwendig; es wird schon besser werden, wenn ich an der frischen Luft bin.«
Eine halbe Stunde später hatte er Bartlesville hinter sich gelassen und befand sich auf der Fahrt nach Green Bay. Er hatte darauf geachtet, daß Mrs. Gross ihn gähnen sah, während er die Bohnen auf die Ladefläche des Lieferwagens schaufelte. Wenn sowohl seine Eltern, als auch Mrs. Gross aussagen konnten, daß er an diesem Morgen besonders schläfrig gewesen sei, dann würde es nur eine Erklärung für den tödlichen Unfall geben – am Steuer eingeschlafen.
Schließlich entschied er sich für den Pfeiler einer massiven Betonbrücke, die er nach etwa zehn Minuten erreichen würde. Ein Frontalzusammenstoß mit einem entgegenkommenden Wagen war vielleicht sicherer, aber dabei würde zumindest der Fahrer des anderen Wagens ebenfalls den Tod finden. Folglich schied diese Möglichkeit aus – obwohl der Parasit keinerlei Mitleid mit Menschen empfand –, denn dadurch würde es noch mehr Gerede über den Unfall geben.
Die Brücke tauchte auf, und er steuerte mit über neunzig Stundenkilometern auf den Pfeiler zu. Der Aufprall reichte völlig aus.
Eine Zehntelsekunde später befand der Parasit sich bereits wieder in seinem eigenen Körper unter der Treppe hinter Stauntons Haus.
Es war fünf Minuten nach neun Uhr.
Doc Staunton hatte in der vergangenen Nacht nicht mehr als zwei, höchstens drei Stunden Schlaf gefunden, und als er um sieben Uhr aufwachte und sah, daß es draußen bereits hell war, stand er mißmutig auf.
Er kochte sich Kaffee und trank eine Tasse nach der anderen, während er darauf wartete, daß es spät genug war, um nach Bartlesville fahren zu können. Miß Talley und er hatten sich nach dem Abendessen noch lange unterhalten, so daß er bezweifelte, daß sie vor Mitternacht mit ihrer Schreibarbeit fertig geworden war. Deshalb wollte er sie nicht vor neun Uhr aufsuchen, vielleicht sogar erst um zehn. Dann setzte er sich aber doch schon um halb neun in das Auto und fuhr in die Stadt.
Dort hatte er eigentlich nichts zu erledigen, denn er wollte erst auf die Post gehen oder den Sheriff anrufen, nachdem er die Berichte von Miß Talley bekommen hatte. Andererseits konnte er nicht einmal ein Bier trinken, denn die kleine Bar machte erst um zehn auf. Er setzte sich in ein Restaurant und bestellte sich eine Portion Kaffee.
Um Viertel nach neun beschloß er, Miß Talley in einer Viertelstunde anzurufen, um zu hören, ob er zu ihr kommen konnte. Aber der Sheriff mußte unterdessen in seinem Büro in Wilcox anzutreffen sein; er würde ihn anrufen und einen Termin mit ihm vereinbaren.
Er rief den Sheriff an und wollte gerade einen Zeitpunkt mit ihm vereinbaren, als der andere ihn unterbrach. »Einen Augenblick, Doc. Warten Sie, bitte.« Dann folgte eine längere Pause, bis der Sheriff sich wieder meldete. »Doc, nicht heute morgen; rufen Sie doch später noch einmal an. Ich habe eben einen dringenden Funkspruch von einem Streifenwagen der Staatspolizei bekommen, daß sich auf der Straße zwischen Bartlesville und Green Bay ein Verkehrsunfall ereignet hat. Ich muß sofort an die Unfallstätte. Tut mir leid, Doc.«
Staunton hängte den Hörer auf und überlegte dabei, ob der Unfall jemand zugestoßen sein konnte, den er kannte. Wahrscheinlich nicht, dachte er, sonst hätte der Sheriff etwas davon gesagt – aber andererseits hatte der andere keine Ahnung, wen Doc kennen mochte, und war zudem in größter Eile gewesen.
Er warf noch eine Münze ein und rief das Büro des Sheriffs an. Als ein Deputy antwortete, erkundigte Doc sich nach dem Unfall, zu dem der Sheriff gerufen worden war.
Zum Glück schien der Deputy recht mitteilsam veranlagt zu sein. Bei dem Unfall war ein junger Mann namens Jim Kramer umgekommen, der irgendwo außerhalb von Bartlesville gewohnt hatte. Er war allein in einem Lieferwagen in Richtung Green Bay unterwegs gewesen und vermutlich am Steuer eingeschlafen; er war geradewegs gegen einen Brückenpfeiler geprallt und auf der Stelle tot gewesen.
Doc bedankte sich für die Auskunft und hatte bereits wieder aufgehängt, bevor ihm der Name Kramer auffiel. Die Familie Kramer lebte auf einer Farm in der Nähe von Mrs. Gross, und er erinnerte sich gehört zu haben, daß ihr Sohn – ein Junge in Tommy Hoffmanns Alter – für Mrs. Gross arbeiten sollte bis sie die Farm verkauft hatte. Und den Kramers gehörte die graue Katze, die fast eine Woche lang bei ihm gelebt hatte – bis gestern!
Und jetzt war der Junge umgekommen – unter Umständen die ohne weiteres auf Selbstmord schließen ließen. Der dritte menschliche Selbstmord – und wieder eine Verbindung zu dem freiwilligen Tod eines Tieres!
Plötzlich hatte Doc Staunton keine Angst mehr. Nein, er war jetzt ruhig und gelassen, nachdem er wußte, was er zu tun hatte – und das so schnell wie möglich, denn er hatte bereits zuviel Zeit vertan.
Dieser Sache war ein einfacher Sheriff nicht mehr gewachsen, denn damit mußten sich das FBI und Wissenschaftler befassen. Selbstverständlich würde er auch den Sheriff informieren, aber selbst die Staatspolizei war bestimmt überfordert – obwohl das FBI sie bestimmt zu Routineuntersuchungen heranziehen würde. Vielleicht war sogar die Army daran interessiert. Glücklicherweise war er durch seine Arbeit an den Satelliten mit einigen Geheimdienstoffizieren und hohen Beamten des FBI bekannt geworden, die ihn ernst genug nehmen würden, um seinen Erzählungen Glauben zu schenken – selbst wenn sie noch so unglaubwürdig klangen.
Er würde sie anrufen und alle Hebel in Bewegung setzen, nachdem er die Berichte von Miß Talley bekommen hatte. Aber zunächst mußte er etwas anderes erledigen. Er mußte die Gefahrenzone verlassen!
Doc ging zu seinem Wagen und überlegte dabei, daß er in ein Hotel nach Green Bay umziehen würde, nachdem er sein Gepäck aus dem Haus geholt hatte. Von dort aus konnte er einige Ferngespräche führen – und wenn er nur halb soviel Einfluß hatte, wie er zu haben glaubte, dann würden noch am gleichen Tag die ersten FBI-Männer und Geheimdienstagenten in Bartlesville auftauchen. In der Zwischenzeit konnte er seinen Bericht ergänzen, indem er alle Einzelheiten über Jim Kramers Tod hinzufügte. In Green Bay ließ sich bestimmt eine Stenotypistin finden, falls Miß Talley nicht sogar mitfuhr. Doc glaubte zu wissen, daß sie ihn begleiten würde.
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