Stephen Baxter - Zeitschiffe

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Eine neue Reise durch die Zeit führt den Helden aus H. G. Wells’ »Die Zeitmaschine« in Vergangenheiten und Zukünfte, die sich als alternative Zeitströme entpuppen, die er womöglich sehr erzeugt. Der Versuch, das temporale Durcheinander zu ordnen, führt ihn zum Urknall zurück und enthüllt ihm die Geheimnisse des Multiversums… Die »offizielle Fortsetzung« des SF-Klassiker ist eine sehr lange, recht zähe und wenig originelle Hetzjagd durch die Äonen, die erst in ihrem Finale einen »sense of wonder« gewinnt und ein wenig für die aufgewendete Lesezeit entschädigt.

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Gödel näherte sich dem Zeit-Fahrzeug, stellte das Plattnerit auf den Boden und schickte sich an, eine der mit der Fahrzeughülle verschweißten Stahlflaschen zu öffnen. Er legte die Hände um den Schraubverschluß und grunzte vor Anstrengung, konnte ihn aber nicht abbekommen. »Wir müssen den Rahmen mit Plattnerit grundieren«, sagte er. »Oder…«

Moses stellte die Kerze auf ein Regal, stöberte in den Werkzeugstapeln herum und brachte schließlich einen großen verstellbaren Schraubenschlüssel zum Vorschein. »Hier«, meinte er. »Laßt es mich mal damit versuchen.« Er paßte die Maulweite dem Verschlußdurchmesser an und drehte, mit etwas Anstrengung, die Kappe ab.

Gödel nahm das Plattnerit-Glas und stopfte das Zeug in den Behälter. Moses ging derweil um das Zeit-Fahrzeug herum und schraubte die restlichen Verschlüsse ab.

Ich ging zum Heck des Fahrzeugs, wo ich eine Tür fand, die von einem Metallstift gesichert wurde. Ich entfernte diesen Stift, klappte die Tür herunter und kletterte in die Kabine. Ich fand zwei Holzbänke, von denen jede lang genug war, zwei oder drei Personen aufzunehmen, und vorne einen einzelnen Schalensitz vor einem Sehschlitz. Ich nahm in diesem Fahrersitz Platz.

Vor mir sah ich ein einfaches Lenkrad — ich legte die Hände darauf — und ein kleines Instrumentenbrett, das mit Skalen, Schaltern, Hebeln und Knöpfen bestückt war; am Boden gab es noch mehr Hebel, die offensichtlich mit dem Fuß betätigt wurden, und ich interpretierte sie als Äquivalent von Kupplung, Bremse etc. eines normalen Motorwagens, die wegen der Kettenausführung des Vehikels vielleicht etwas komplizierter zu bedienen waren. Die Instrumente wirkten billig und unfertig; die Skalen und Schalter waren nicht beschriftet, und hinter dem Instrumentenbrett schauten Drähte und mechanische Schalthebel hervor.

Nebogipfel kam zu mir in die Kabine und stellte sich neben meine Schulter; in der Enge dieser Kabine raubte mir die starke, süßliche Ausdünstung des Morlocks fast die Sinne. Durch den Sehschlitz konnte ich erkennen, wie Gödel und Moses die Behälter auffüllten.

»Verstehen Sie das Funktionsprinzip des ZVF? Das ist natürlich Wallis' Konstruktion — ich hatte mit der Entwicklung dieses Fahrzeuges nicht viel zu tun…«

Ich legte das Gesicht an den Sehschlitz. »Ich sitze gerade an der Steuerung«, sagte ich. »Aber sie ist nicht beschriftet. Und ich kann auch nichts erkennen, das Ähnlichkeit mit einem Chronometer hätte.«

Gödel schaute während des vorsichtigen Abfüllungsvorgangs nicht auf. »Ich habe die Vermutung, daß solche Kleinigkeiten wie Chronometeruhren noch nicht eingebaut worden sind. Dies ist schließlich nur ein unvollständiges Testfahrzeug. Ist das ein Problem für Sie?«

»Ich muß gestehen, daß ich von der Aussicht nicht sehr angetan bin, in der Zeit die Orientierung zu verlieren«, meinte ich, »aber — nein — ist ja auch gar nicht so wichtig… man kann schließlich immer noch die Eingeborenen fragen!«

»Das Prinzip eines ZVF ist ganz einfach«, verkündete Gödel. »Das Plattnerit durchdringt über ein Netz von Kapillaren das Chassis des Fahrzeugs. Es bildet eine Art Kreislauf… Wenn man diesen Kreis schließt, kann man in die Zeit reisen. Verstehen Sie? Die meisten Instrumente, die Sie vor sich sehen, beziehen sich auf den Benzinmotor, das Getriebe usw.; das Fahrzeug kann nämlich auch als normaler Motorwagen eingesetzt werden. Aber um den Zeitkreis zu schließen, gibt es am Instrumentenbrett einen blauen Schalter. Sehen Sie ihn?«

»Ich sehe ihn«, bestätigte ich.

Jetzt hatte Moses die letzte der Verschlußkappen wieder aufgeschraubt, und er ging um den Wagen herum zum Heck. Er kletterte herein, legte den Schraubenschlüssel auf den Boden und hämmerte mit den Fäusten gegen die Innenwandung. »Eine gute, robuste Konstruktion«, stellte er befriedigt fest.

»Ich glaube, daß wir reisefertig sind«, sagte ich.

»Aber wohin — wann — sollen wir überhaupt gehen?«

»Kommt es darauf denn an? Weg von hier — das ist alles, was zählt. In die Vergangenheit — um eine Richtigstellung der Dinge zu versuchen…

Moses, wir haben im zwanzigsten Jahrhundert nichts mehr verloren. Wir müssen jetzt einen weiteren Sprung in die Dunkelheit wagen… Unser Abenteuer ist noch nicht vorbei!«

Sein verwirrter Blick verschwand, und ich sah eine unbeirrbare Entschlossenheit an seine Stelle treten; seine Kiefermuskeln spannten sich an. »Dann laßt es uns tun oder zum Teufel gehen!«

»Ich glaube, daß wir mit großer Wahrscheinlichkeit dorthin gehen werden«, orakelte Nebogipfel.

»Professor Gödel — steigen Sie schon ins Fahrzeug«, rief ich.

»O nein«, wehrte er ab und hielt die Hände hoch. »Mein Platz ist hier.«

Moses schob sich hinter mir in die Kabine. »Aber um uns herum fällt London in Schutt und Asche — die deutschen Geschütze stehen nur noch ein paar Meilen entfernt — es ist kaum ein sicherer Ort, Professor!«

»Ich beneide Sie natürlich«, konzedierte Gödel. »Daß Sie diese verdammte Welt mit ihrem verdammten Krieg verlassen…«

»Ich habe eine Frau«, sagte er. Sein Gesicht war ein bleicher Fleck im Kerzenlicht.

»Wo ist sie?«

»Ich habe sie verloren. Es ist uns nicht gelungen, zusammen wegzukommen. Ich glaube, daß sie noch in Wien ist… Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie ihr als Strafe für mein Überlaufen etwas antun würden.«

In seiner Stimme schwang ein fragender Unterton mit, und ich realisierte, daß dieser äußerst logische Mann in diesem extremen Moment höchst unlogische Überlegungen anstellte! »Nein«, sagte ich, »ich bin sicher, daß sie…«

Aber ich brachte meinen Satz nie zu Ende, denn — nicht einmal mit einem Pfeifen in der Luft als Vorwarnung — schlug eine weitere Granate ein, und diesmal so dicht wie noch nie zuvor!

Im letzten Flackern unserer Kerze sah ich, wie in einem kaleidoskopartigen Aufblitzen gefrorener Zeit die westliche Wand der Werkstatt eingedrückt wurde — einfach so; sie verwandelte sich in weniger als einem Herzschlag aus einer glatten, fugenlosen Struktur in eine sich aufblähende Wolke aus Bruchstücken und Staub.

Dann stürzten wir in die Dunkelheit.

Das Fahrzeug erbebte, und — » Runter!« schrie Moses — ich duckte mich — und ein tödlicher Hagel aus Steinsplittern prasselte auf die Hülle des Zeit-Fahrzeugs.

Nebogipfel kam nach vorne; ich nahm seinen süßlichen Gestank wahr bevor er mich erreichte. Seine weiche Hand legte sich auf meine Schulter. »Leg den Schalter um«, verlangte er.

Ich schielte durch den Sehschlitz — und natürlich in völlige Dunkelheit. »Was ist mit Gödel?« schrie ich. »Professor!«

Es kam keine Antwort. Statt dessen hörte ich nur über dem Fahrzeug ein ominöses und schweres Knacken, und dann regneten Betonbrocken herab.

»Betätige den Schalter«, forderte Nebogipfel mich eindringlich auf. »Hörst du denn nicht? Das Dach stürzt ein — und wir werden noch von ihm erschlagen!«

»Ich mache es«, sagte da Moses. Ich hörte in der finsteren Dunkelheit seine Stiefel über die Bodenbretter des Fahrzeugs trampeln, als er sich zum rückwärtigen Abschnitt der Kabine vorarbeitete. »Alles klar — ich habe noch mehr Kerzen…« Seine Stimme brach ab, als er hinten angelangt war, und ich hörte, wie seine Füße auf dem trümmerübersäten Boden knirschten…

… und dann ertönte ein lautes Stöhnen, wie ein groteskes Keuchen, und ein bedrohlicher Lärm von oben. Ich hörte, wie Moses aufschrie.

Ich fuhr herum und wollte hinter Moses drein aus der Kabine hechten — da spürte ich plötzlich den Biß kleiner Zähne im Handballen — Morlock-Zähne!

In diesem Moment — wo der Tod drohend über mir hing und ich erneut in eine urweltliche Dunkelheit gestürzt war — die unmittelbare Gegenwart des Morlocks, der die Zähne in mein Fleisch geschlagen hatte und dessen Haar meine Haut kitzelte: das war zuviel! Ich brüllte los und knallte die Faust in das weiche Fleisch des Morlock-Gesichts…Aber er schrie nicht auf; selbst als ich ihn traf, spürte ich noch, wie er an mir vorbei zum Instrumentenbrett griff.

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