Ich ging sofort dazwischen, während ich den Gürtel meiner kurzen Hose zuzog – wie das weiterging, wusste ich leider zu gut.
»Setzt du die chemischen Raketen ein, Lurvy? Gut, dann müssen Janine und ich hinaus und die Außenfracht überprüfen. Warum trinken wir das Glas nicht, wenn wir zurückkommen?«
Lurvy lächelte sonnig.
»Gute Idee, Liebster. Aber vielleicht nehmen Pa und ich jetzt einen Kurzen, und dann machen wir noch bei eurer Runde mit, wenn ihr wollt.«
»In den Anzug!«, befahl ich Janine und hinderte sie so daran, die hitzige Antwort, die sie auf der Zunge hatte, auszusprechen. Sie war offenbar vorübergehend zur Versöhnlichkeit entschlossen, weil sie kommentarlos gehorchte. Wir überprüften gegenseitig die Abdichtung, ließen uns zusätzlich von Lurvy und Peter kontrollieren, drängten uns hintereinander in die Schleuse und schwebten an unseren Leinen ins All hinaus. Das Erste, was wir beide taten, war, Richtung Heimat zu blicken – nicht sehr zufrieden stellend; die Sonne war nur noch ein heller Stern, und die Erde konnte ich überhaupt nicht erkennen, obwohl Janine in der Regel behauptete, sie könne es. Das Zweite war, zur Nahrungsfabrik hinüberzublicken, aber da konnte ich auch nichts sehen. Ein Stern sieht praktisch aus wie der andere, vor allem in den unteren Helligkeitsbereichen, wenn fünfzig- oder sechzigtausend davon am Himmel stehen.
Janine arbeitete schnell und geschickt, beklopfte die Bolzen der großen Ionentriebwerke, die seitlich an unserem Raumschiff befestigt waren, während ich die Festigkeit der Stahlbänder prüfte. Janine war im Grunde nicht übel. Sie war vierzehn Jahre alt und sexuell erregbar, gewiss, aber sie trug nicht allein die Schuld daran, dass sie keine geeignete Person hatte, an der sie sich als Frau erproben konnte. Außer mir und, noch unbefriedigender, ihrem Vater.
Alles war in Ordnung, wovon wir natürlich überzeugt gewesen waren. Sie wartete schon am Stummel der Aufhängung des großen Teleskops, bis ich fertig war, und ein Maßstab für ihre gute Laune war, dass sie keinen Ton darüber sagte, wer es während der irren Zeit abgebrochen und zugelassen hatte, dass es davonschwebte. Ich ließ sie zuerst ins Schiff zurückkehren, während ich noch zwei Minuten draußen blieb. Nicht, weil mir die Aussicht besonders gut gefallen hätte, sondern deshalb, weil diese Minuten im Weltraum in dreieinhalb Jahren praktisch die einzigen waren, in denen ich so etwas wie allein sein konnte.
Wir flogen noch immer mit über drei Kilometern in der Sekunde. Aber da es nichts gab, woran man das messen konnte, fiel es natürlich nicht auf. Es sah ganz so aus, als bewegten wir uns überhaupt nicht, wie fast die ganze Zeit während der dreieinhalb Jahre. Eine der Geschichten, die wir alle immer wieder vom alten Peter gehört hatten, betraf seinen Vater, der beim Werwolf gewesen war. Er konnte nicht älter gewesen sein als sechzehn, als der große Krieg zu Ende ging. Seine Hauptaufgabe bestand darin, Düsenmotoren zu einem Geschwader der Luftwaffe zu transportieren, das gerade mit Maschinen vom Typ Me 210 ausgerüstet worden war. Peter behauptet, sein Papa sei mit der bedauernden Äußerung gestorben, die Motoren nicht mehr rechtzeitig zum Geschwader befördert zu haben, damit es die Lancasters und B 17 abschießen und den Endsieg hätte sicherstellen können. Wir fanden das alle sehr komisch – jedenfalls noch beim ersten Anhören. Aber das war eigentlich nicht das Komische. Das Komischste war, wie der Naziknabe die Motoren beförderte. Mit einem Gespann. Nicht einmal Pferde. Ochsen. Nicht einmal auf einem Karren – es war ein Schlitten! Die allermodernsten Düsenturbinen – und um sie zum Einsatz zu bringen, bedurfte es eines wuschelhaarigen Jungen mit einer Gerte, der bis zu den Knöcheln in Kuhdung watete.
Während ich auf der Stelle schwebte und durch den Raum kroch, auf einer Reise, die ein Hitschi-Schiff in einem einzigen Tag bewältigt hätte, verspürte ich ein gewisses Mitgefühl für Peters Vater. So verschieden waren wir gar nicht. Bei uns fehlte nur der Kuhdung.
Tag 1284. Die Kursänderung ging völlig glatt vonstatten, nachdem wir uns alle in unsere Lebenserhaltungssysteme gezwängt und in die Beschleunigungsliegen gequetscht hatten, die unseren Luft- und Messgeräten genau angepasst waren. Angesichts des winzigen Delta-Vektors, um den es ging, lohnte sich die Mühe kaum. Gar nicht davon zu reden, dass Lebenserhaltungssysteme nicht viel nützten, wenn so viel fehlen sollte, dass wir sie brauchten, fünftausend AE von zu Hause entfernt. Aber wir hielten uns an die Vorschriften, denn so hatten wir es schon dreieinhalb Jahre lang gemacht.
Und nachdem wir gewendet hatten und die chemischen Raketen gezündet hatten und wieder verstummt waren und die Arbeit abermals den Ionentriebwerken überließen, und nachdem Vera herumgetan und gegluckst und zögernd mitgeteilt hatte, soweit sie erkennen könne, scheine alles in Ordnung zu sein – vorbehaltlich der Bestätigung durch die Erde einige Wochen später, natürlich –, sahen wir sie! Lurvy verließ als Erste ihren Sessel und war an den Schirmen, die sie binnen Sekunden auf Scharfeinstellung brachte.
Wir blieben und starrten sie an: die Nahrungsfabrik!
Sie tanzte Ärgernis erregend im Metallspiegel und war schwer festzuhalten. Selbst eine Ionenrakete verleiht einem Raumschiff eine gewisse Vibration, und wir waren immer noch weit entfernt, aber da war sie. Sie schimmerte in der von vereinzelten Sternen durchsetzten Dunkelheit bläulich, seltsam geformt. Sie hatte die Größe eines Bürogebäudes und war noch am ehesten rechteckig. Aber ein Ende war abgerundet, und an einer Seite schien ein langes, gewölbtes Stück zu fehlen.
»Glaubst du, sie hat einen Treffer abbekommen?«, fragte Lurvy angstvoll.
»Ach, keine Spur«, knurrte ihr Vater. »Sie ist so gebaut. Was wissen wir über Hitschi-Konstruktionen?«
»Woher weißt du das?«, fragte Lurvy, aber ihr Vater ging nicht darauf ein. Er brauchte es auch nicht; wir wussten alle, dass er es nicht wissen konnte und nur aus der Hoffnung heraus sprach, denn wenn sie beschädigt war, saßen wir in der Klemme. Unsere Prämien wurden schon fürs Hinfliegen bezahlt, aber unsere Hoffnungen auf echten Gewinn – den einzigen Gewinn, der sieben qualvolle Flugjahre aufwiegen konnte – ruhten darauf, dass die Nahrungsfabrik funktionierte. Oder wenigstens gründlich studiert und nachgebaut werden konnte.
»Paul«, sagte Lurvy plötzlich, »sieh dir die Seite an, die sich eben wegdreht – sind das nicht Schiffe?«
Ich kniff die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, was sie sah. An der langen geraden Seite des Gebildes gab es ein halbes Dutzend Ausbuchtungen, drei oder vier kleinere und zwei ziemlich große. Sie sahen ganz aus wie das, was ich vom Gateway-Asteroiden gesehen hatte, soweit ich das zu beurteilen vermochte. Aber …
»Du bist Prospektor gewesen«, gab ich zurück. »Was meinst du?«
»Ich glaube, es sind Schiffe. Aber, du meine Güte, hast du die zwei letzten gesehen? Sie waren riesig . Ich bin in Einern und Dreiern gewesen, aber in nichts von der Art dort. Die könnten, ich weiß nicht, fünfzig Leute aufnehmen. Wenn wir solche Schiffe hätten, Paul … wenn wir solche Schiffe hätten …«
»Wenn, wenn«, fauchte ihr Vater. »Wenn wir solche Schiffe hätten und sie dahin lenken könnten, wo wir hinwollen, ja, dann würde uns die Welt gehören. Hoffen wir, dass sie noch funktionieren. Hoffen wir, dass überhaupt noch etwas funktioniert.«
»Bestimmt, Vater«, ertönte eine liebliche Stimme hinter uns. Wir drehten uns um. Janine kniete unter dem Verarbeiter und hielt uns eine Quetschflasche von unserem besten selbstgemachten, aus Altstoffen gewonnenen Kornbranntwein vor Augen. »Ich würde sagen, das muss gefeiert werden.« Sie lächelte.
Lurvy sah sie nachdenklich an, aber sie hatte sich gut in der Hand und erwiderte nur: »Na, das ist aber eine gute Idee, Janine. Lass sie herumgehen.«
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