Ein fernüberwachter Reinigungsroboter. In den nächsten Tagen hielten sie nach weiteren Ausschau. Gelegentlich sahen sie einen am anderen Ende eines langen Kanals. Es war beruhigend zu wissen, auf welche Weise sie beobachtet wurden.
»Beweist eure Ausdauer«, hatte Takpassih sie aufgefordert. Ein Dawson wäre natürlich nicht intelligent genug, mit seinen Fähigkeiten hinter dem Berg zu halten, wenn sie ihn aus der Zelle ließen. Vier Tage lang hatten Dmitri, Arwid und Nikolai aufgehört, wenn sie müde waren. Auf keinen Fall arbeiteten sie bis zur Erschöpfung.
Jetzt war es an der Zeit, etwas zu unternehmen.
Weit hinter ihnen rollte eines der ringförmigen KanalReinigungsgeräte auf Kugellagern an der äußeren Peripherie entlang. Arwid und Dmitri stellten sich dicht nebeneinander. Darin hatten sie inzwischen Übung. Vor ihnen war Nikolai. Ob ihn die Kameras sahen oder nicht, jedenfalls würde ihn niemand beobachten. In diesem Durcheinander von Gliedmaßen mochten drei Menschen durchaus wie zwei erscheinen. Sollte weiter vorn ein weiterer Luftkanalreiniger auftauchen, würde Dmitri ganz beiläufig sagen: »Ein anderes Mal.«
Das aber erwies sich nicht als nötig.
Nikolai sah vor sich einen Seitenkanal und bewegte sich rascher. Arwid und Dmitri beschleunigten ihre Bewegungen gleichfalls. Durch die Krümmung des Ganges war das KanalReinigungsgerät hinter ihnen verschwunden, als Nikolai in Richtung auf die Achse wegtauchte.
Arwid machte sich daran, einen Staubsammler zu reinigen. Der Roboter hatte ihn im Blick, als er sich mit Dmitri wieder anschloß.
Von nichts zu nichts eilt, wer auf der Reise allein,
Ohne Freunde oder Bekannte muß sein.
ELLA WHEELER WILCOX
Zeit: Fünf Wochen nach der Stunde Null
Grifflingsschiff Sechs hatte am Heck der Bote festgemacht. Während es Treibstoff übernahm, betrat Tshintithpitmängs auf eine Stärke von einundvierzig Fithp geschrumpfte Achtschaft hoch zwei das Mutterschiff durch die Luftschleuse und den Verbindungstunnel.
Die Gefangenen hatten unterwegs gelitten. Schon Stunden nach dem Start hatten Krieger bei der Überprüfung des Transportpferchs in der Luft den Geruch halbverdauter Nahrung wahrgenommen. Die WinterheimEingeborenen mußten das Gasgemisch eingeatmet haben, bis der Luftstrom der Umwälzanlage es absaugte. In der Schwerelosigkeit ging es ihnen wie Fischen auf dem Trockenen. Sie benahmen sich, als lägen sie im Sterben, und Tshintithpitmängs Krieger mußten sie wie Gegenstände tragen. Außerdem hatten sie an Bord: Lebensmittelvorräte, Landkarten, Bücher voller Bilder, Ton- und Bildkassetten sowie Projektionsgeräte.
Tshintithpitmäng selbst bewegte sich schleppenden Schritts. Ein Lauf war geschient und hinderte ihn bei jeder Bewegung. Unmittelbar vor dem Start war nicht allzuweit vom Schiff eine thermonukleare Waffe detoniert. Dabei waren Tshintithpitmäng und sechs Gefangene gegen eine Wand geschleudert worden. Die Gefangenen hatten mit ihrer geringen Masse nur Prellungen erlitten, aber Tshintithpitmängs rechter Hinterlauf war gebrochen gewesen.
Nachdem sie im Verbindungstunnel einen Makasrapk zurückgelegt hatten, kamen ihnen zwei Achtschaften Krieger entgegen – aufreizend sauber und ausgeruht. Tshintithpitmäng war froh, ihnen die Gefangenen übergeben zu können. Wenn jetzt einer von ihnen starb, war jemand anders für sieverantwortlich.
Er wollte auf kürzestem Weg zu seiner Gefährtin Shreshlimäng. Sicher wartete sie schon.
Erdlinge in einem der Gänge ließen ihn zurückfahren. Er griff schon nach seiner Waffe, als ihm einfiel, daß auch sie Gefangene sein mußten. Sie schienen etwas zu wünschen… Er warf ihnen einen drohenden Blick zu und ging weiter. An der nächsten Ecke sah er sich Fathistihtalk gegenüber.
Hatte der Berater des Herrn der Herde etwas gemerkt? »Möge sich Eure Zeit lang dehnen, Berater«, sagte er und wollte weitergehen.
»Bleib«, sagte Fathistihtalk. »Ich brauche dich.«
Tshintithpitmäng unterdrückte ein unzufriedenes Schnauben, der Berater spürte es dennoch. »Es ist von großer Bedeutung, und ein anderer kann dich nicht ersetzen«, beharrte er. »Du gehörst zu den Fithp des Jahres Null und bist ein Abtrünniger wie deine Gefährtin. Sie wird vermuten, daß dich deine Pflichten im Schiff festgehalten haben, bis du es ihr erklären kannst. Komm mit!«
* * *
Ermattet stiegen Dmitri und Arwid aus dem Abluftkanal.
Zwei weibliche Fithp sahen sie kurz und abschätzig an, dann gingen sie weiter. Ein vorübergehender FithpKrieger trompetete ihnen wütend zu; sie drückten sich ängstlich an die Wand. Dmitri runzelte die Stirn. »Warum hat er das getan? Ich dachte, sie hätten ihre Anweisungen…«
»Möglicherweise hatte der andere«, sagte Arwid.
»Nein. Er war verletzt. Ein Schiff muß von der Erde gekommen sein – die vielen Detonationen heute morgen…«
Der nächste FithpKrieger machte einen freundlichen Eindruck. Vielleicht freute er sich, einmal etwas anderes zu sehen. Er unterhielt sich mit ihnen, und die Sowjets standen ihm Rede und Antwort. Er ging ebenso langsam wie die müden Luftkanalreiniger, die sich weniger rasch bewegten, als sie gekonnt hätten. Zeige deine Stärke nicht!
* * *
Der Herr der Herde sah von seiner Bildwand auf und schnaubte wütend. Mit seinen Grifflingen betätigte er einen Knopf von Tennisballgröße. »Vermittlung, ich möchte mit Fathistihtalk sprechen. Stellt fest, warum er nicht auf seinem Posten ist.«
»Soll er Euch anrufen?«
»Nein, schickt ihn her. Ist Grifflingsschiff Sechs gekommen?«
»Als Ihr geschlafen habt, Herr der Herde.«
»Außerdem möchte ich UmerzieherEins haben.«
»Der Berater meldet sich nicht, Herr der Herde.«
»Was? Auch gut. Dann nur Rästapispmins.« Auf dem Bildschirm sah letzterer aus, als sei die Jugend in ihn zurückgekehrt. Macht konnte sich auf ein alterndes Fi’ so auswirken. Er hatte Macht besessen, als er die Schläfer auf ihre neue Rolle vorbereitet hatte. Jetzt hatte ihm die Aufgabe, die Schützlinge von Winterheim umzuerziehen, seine alte Vorrangstellung wiedereingeräumt.
»Wir werden die neuen Gefangenen die Nahrung austeilen lassen«, sagte er, »und sie können dann in Tashajämps Gegenwart mit den Sowjets sprechen. Als erstes möchte ich sie jedoch bei Dawson unterbringen. Er ist jetzt seit mehreren Tagen allein. Wir hatten gehofft, daß er sich ohne seine Gefährten auf mich fixieren würde.«
»Und, hat es genützt?«
»Das läßt sich noch nicht sagen, doch ich glaube nicht. Er spricht mit mir, aber nicht wie jemand, der sich unterworfen hat. Er ist voll Wut, wenn nicht gar Aufsässigkeit. Herr der Herde, ich frage mich, ob die Bewohner von Winterheim ein Zeichen der Unterwerfung kennen, das wir bisher nicht entdeckt haben.«
»Er hat sich nach unseren Regeln unterworfen. Jetzt muß ihm klargemacht werden, was das zu bedeuten hat.«
»Wie Ihr befehlt.«
»Du mögest ertrinken, deine Aufgabe ist nicht mein Thaktan! Ich habe lediglich Ratschläge erteilt. Du wirst tun, was du kannst, auf jede dir richtig erscheinende Art und Weise, und die vollständige Verantwortung für einen Fehlschlag übernehmen.«
»Leitet mich, Herr der Herde. Gefährten aus Dawsons Herde können ihn vielleicht wieder zu Verstand bringen.«
»Das Weibchen mit dem roten Kopfbewuchs wurde als möglicherweise anpassungsfähige Einzelgängerin eingestuft. Wird ihre Anwesenheit in Dawsons Absonderungspferch seinen Sinn für die Wirklichkeit schärfen?«
»Alice hat sich unterworfen. Sie gehorcht Befehlen. Achtschaft hoch drei Führer Siplisteph sagt, daß sie vernünftiger wirkt als die meisten anderen.«
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