»Bereit!«
»Achtung! Beschleunige.« Harry griff haltsuchend nach einer Leiter.
WUMM.
WUMM.
Harry legte eine Blechtafel auf die Reparaturstelle und stemmte sich gegen das Schott, während Jeff Franklin eine Schweißraupe darüber zog. Metall glühte. Franklin war fast fertig.
»Achtung! Manöver.«
»Scheiße, eine Minute noch!« rief Harry aus.
»Achtung!«
Dampf trat dort aus, wo die Schweißnaht noch nicht fertig war. Die Michael drehte sich. Harry war schweißgebadet.
»Manöver beendet. Beschleunige. Achtung! Jason…«
»Ziel ist angesprochen. Für dich, liebste Mutti.«
»Beschleunige.«
WUMM.
WUMM.
»Achtung! Manöver…«
»Wie kann man es anstellen, aus dieser Klapsmühle rauszukommen?« fragte Harry.
»Bau Scheiße, bis sie dich nach Hause schicken.«
»Und wie komm ich dahin?«
»Achtung! Manöver. Beschleunige.«
»Ziel im Visier.«
WUMM.
»Hier spricht Turm Fünf. Wir haben ein Ziel. Bitten um Feuererlaubnis.«
»Raus damit!«
WUMM.
»Achtung! Manöver.«
Dampf entströmte dem Leck. Harry drückte einen Kuhfuß in das Schott und verkeilte das andere Ende mit der Reparaturplatte. »Hammer!« Er spürte ihn in der rechten Hand. Mit der linken suchte er festen Halt und ließ dann den Hammer auf den Kuhfuß sausen. »Erledigt. Ich geh jetzt weiter nach vorn.«
Die nächste Abteilung enthielt ein Lager mit Schweißausrüstung. KühlluftAuslässe führten dorthin. Harry prüfte den Luftdruck. »He, Jeff, kühle Luft.«
»Genau das Richtige.«
»Das kannst du laut sagen. Das Thermometer an meinem Anzug zeigt vierzig Grad.«
»Das ist nicht die Anzugtemperatur, sondern deine Körpertemperatur.«
»Ach, du dickes Ei!«
Dankbar zwängte sich Harry in eine Ecke, und Jeff Franklin gesellte sich zu ihm. Das Schiff beschleunigte weiter.
Franklin nahm Verbindung mit der Steuerzentrale auf. »Wir brauchen etwas Zeit. Die Hitze setzt uns sehr zu.«
»Einverstanden, zehn Minuten.«
»Das wird genügen.«
Die Kühle wirkte wunderbar, als sauge die Haut gutes Bier in sich auf. Luft strömte durch den Raumanzug. Harry wedelte mit Armen und Beinen, um ihren Durchzug zu beschleunigen.
* * *
Jetzt waren keine Kleinschiffe mehr zu sehen. Auf dem Bildschirm der Atlantis zeigte sich ausschließlich das Hauptziel – unverkennbar das Mutterschiff, gedrungen, wie in der Übertragung aus Kosmograd. Es zog einen speerförmigen Schweif weißvioletten Lichts hinter sich her. Die Triebwerksflamme drehte sich.
»Es versucht uns abzuschütteln«, freute sich Jay Hadley.
Mit einemmal verminderte sich der Schub des Shuttles. Roy fuhr hoch.
»Immer mit der Ruhe!« sagte Jay. Klongklong: der leere Haupttank löste sich. Lagesteuerungsdüsen setzten ein, und die Atlantis fiel zurück, bis das Mutterschiff hinter dem Haupttank verschwunden war.
»Jetzt haben wir sie. Sie können nicht schnell genug wenden. Wir sind auf Abfanggkurs und in Raketenreichweite. Laß uns abwarten, was passiert. Machst du jetzt den Laderaum auf?«
»Noch nicht. Mit offenen Luken sind wir zu verwundbar. Du weißt ja wohl, was sie mit uns anstellen, wenn wir in Reichweite sind.«
»Als ob sie das nicht längst machten. Ich hab schon Raketen gesehen, bevor ich gedreht hatte.«
»Tatsächlich?« Abfangkurs. Roy brachte es nicht einmal mehr fertig, ein Gefühl der Überraschung zu empfinden. Er will rammen.
Der Haupttank des Shuttle war inzwischen ein grüngeränderter schwarzer Schatten, der immer heller aufleuchtete. Die Große Mama hatte ihre eigenen Verteidigungseinrichtungen. Mit einemmal verschwand der Schatten in einem halben Dutzend gleichzeitig aufblitzender Flammen. Raketen hatten ihr Ziel gefunden, allerdings das falsche. Das Shuttle beschrieb eine Kurve, und Roy spürte förmlich, wie Bruchstücke des Tanks gegen den KeramikHitzeschild hämmerten. Für die Atlantis würde es keinen Wiedereintritt in die Erdatmosphäre geben.
Jay griff nach unten, um vom Boden aufragende Hebelarme zu betätigen. Sie stellten die Verbindung zu Ventilen auf der unteren Ebene her. Wasser, das beim Start Eis gewesen war, strömte aus Öffnungen in der Nase des Shuttles. Wasserdampf hüllte die Schuttwolke vor ihnen ein.
Vielleicht konnte sich die Atlantis dahinter tarnen… aber für die Große Mama gab es kein Versteck. Ihre Triebwerksflamme mußte auf der halben Erde zu sehen sein. Jay startete die EMUTriebwerke, die ihren Treibstoff aus dem eingebauten Tank des Shuttles bezogen.
»Sind wir noch immer auf Abfangkurs?«
»Ja.«
»Dann machen wir mal die Luke auf. Aber die Vögel lassen wir erst fliegen, wenn wir näher dran sind. Falls du alles richtig gemacht hast…«
»Die halten uns bestimmt längst für tot«, rief Jay lachend.
* * *
Das Thermometer zeigte Harrys Körpertemperatur mit neununddreißig Grad an. ‘ n bißchen hab ich sie ja gedrückt, aber nicht genug.
»Da kommt was rein. Warten.«
Scheiße!
Die Michael erbebte.
»An Backbord vorn haben wir was abgekriegt«, sagte Gillespie. »Der Dampfdruck geht runter.«
»Läßt sich schwer steuern.«
»Etwas ist an Backbord vorn nicht in Ordnung.«
»Harry!«
»Ja, Max. Bin schon unterwegs. Jeff, an die Arbeit!«
Sie kamen nur langsam vorwärts. Je weiter sie nach vorn gelangten, desto wärmer wurde es. Überall ließen sich Schäden erkennen. Haltegriffe fehlten, die Wandungen hatten neue Löcher.
Das muß ja ordentlich gerummst haben. Die Panzerung der Michael bestand aus mehreren Schichten: Panzerstahl, Glasfasermatten, Panzerstahl, Schicht auf Schicht abwechselnd aus hartem und elastischem weichen Material. Was diese Wandungen durchschlagen wollte, mußte sich sehr schnell bewegen – und durfte nicht geschmolzen sein.
Etwas zupfte an Harry. Er sah sich um. Seine Luftschläuche waren straff gespannt. »Ich bin am Ende der Fahnenstange.«
»Max, wir kommen nicht weiter«, berichtete Jeff Franklin.
»Ihr müßt! Unmittelbar vor euch verlieren wir Druck.«
»Tja, so ist das – das mächtigste von Menschenhand gebaute Raumschiff gibt aus Mangel an Dampf den Geist auf.«
»Schön, ich seh mal nach«, sagte Harry und löste die Leitung. Jetzt war er auf den Luftvorrat in seinen Atemluftflaschen angewiesen.
* * *
Die Große Mama war ganz nah. Die Triebwerksflamme, der dunkle Zylinder an ihrer Spitze – das plötzliche grüne Aufblitzen, die GlühwürmchenLichtpunkte von Raketen, die aus vier Positionen an seiner Flanke kamen…
»Feuer!« sagte Roy.
»Ich warte noch.«
»Schön. Raketen eins bis fünf sind unterwegs. Ich spreche jetzt das Ziel für die nächste Gruppe an. Wir haben doch ein paar Minuten Zeit, nicht wahr?«
»Sagen wir zwei, bis die Raketen da sind.«
»Raketen sechs bis zehn, los!« Das grüne Licht war dunkler geworden. Die Laser der Großen Mama hatten interessante Ziele gefunden: die Raketen der Atlantis.
»… aber hier wird es immer wärmer. Hol’s der Teufel, lange machen wir es nicht mehr. Wie sieht es bei dir aus?«
»Ziel angesprochen, Raketen elf bis fünfzehn sind unterwegs. Das war’s. Dreh jetzt! Schnell!«
Triebwerke sprangen an. Die Atlantis wandte sich, die Unterseite der Großen Mama zugedreht. Erneut öffnete Roy die Ventile. Vielleicht bremste die Wasserdampfwolke eine Rakete oder verwirrte ihre Spatzenhirne hinlänglich.
Etwas drückte sie schlagartig in die Sitze. »Der Wiedereintritt in die Atmosphäre wird schwierig«, sagte Jay und lachte.
Das Shuttle schwankte: eine Explosion hämmerte gegen eine der Tragflächen. Jay stabilisierte das Schiff mit den Lagesteuerungsdüsen.
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