Der Herr der Herde stampfte ungeduldig auf. »Tashajämp, bring ihn zurück in den AbsonderungsPferch!« Er wandte sich an Takpassihjämp. »Der Fi’Töter hat in mehr als vierundsechzig Tagen keine Fithp- oder ErdlingsStimme gehört. Wird er geistig gesund und der Stimme der Vernunft zugänglich sein?«
»Herr der Herde, ich weiß es nicht, nehme aber an, daß er sowohl geistig gesund als auch vernünftig ist, auch wenn unsere Fithp bei solcher Behandlung zu gemeingefährlichen Einzelgängern würden. Dawson versteht, wie man Maschinen im Weltraum einsetzen kann. Vielleicht können wir von ihm lernen.«
* * *
Endlich schlagen wir zurück! Nein, die Vereinigten Staaten schlagen zurück, korrigierte sich Arwid. Macht nichts. Womit? Haben sie Aussicht auf Erfolg? Können sie uns überhaupt erreichen? Die Rotation hatte aufgehört. Schwerkraft war nur noch ganz hinten federleicht zu spüren. Auch wenn das Triebwerk von Thaktan Flishithy Zeit brauchte, um Beschleunigungskräfte aufzubauen, war möglicherweise das Raumschiff der Ziehenden Herde schneller als das der Amerikaner.
»Tashajämp. Frage: Hast du nicht gewöhnlich Krieger bei dir?«
»In diesem Atemzug haben sie Besseres zu tun!« verwies sie ihn. »Hier.« Als Schlüssel diente ihr ein Metallstab – der Schließmechanismus arbeitete magnetisch, wie Arwid schon längst erkundet hatte. Die Luke schwang beiseite. »Es ist genug Polstermaterial da, aber die Beschleunigung kann aus den verschiedensten Richtungen kommen. Sei vorsichtig, halte dich fest, wenn du kannst. Du wirst ebenso sicher sein wie die Fithp an Bord. Jetzt hinein!«
Die anderen sahen zu, als sich Arwid um den Lukenrand schwang, Tashajämps Snnffp ergriff, sich mit den Füßen feststemmte und ihre Grifflinge von dem Haltegriff löste.
Tashajämp kreischte auf. Ihr instinktiver Impuls war nicht, Arwid Rogatschow zu zermalmen, sondern sich festzuhalten. Als sie ihre Grifflinge um den Lukenrand wickelte, sprang Dmitri sie von unten an und prallte wie ein vorwärts stürmender Footballspieler auf sie. Dann zogen Arwid und Dmitri, in zwei Richtungen an den Grifflingen zerrend, das Weibchen durch die offene Luke hinein.
Tashajämp erholte sich vom ersten Schock, und Arwid flog in hohem Bogen durch die Luft. Er rollte sich zusammen, prallte gegen die Wandpolsterung, etwas schwächer gegen eine weitere, streckte sich und ging wieder auf sie los. Die anderen hatten inzwischen verstanden. Mrs. Woodward kauerte sich mit den Kindern in eine Ecke. Jeri, Dmitri und Nikolai attackierten Tashajämps Grifflinge, Arwid faßte nach ihrem Geschirr und kletterte ihr auf den Rücken. Dort fand er die Schnalle und löste sie.
An den GeschirrRiemen war eine Art Paket befestigt. Arwid öffnete es und schleuderte den Inhalt beiseite. Mit wütendem Kreischen schlug Tashajämp um sich und kam einer Wand gefährlich nahe. Wenn Sie sich dort im Polstermaterial festkrallen konnte… Rasch schwang sich Arwid um ihren Unterleib herum und stieß sich mit den Füßen von der Wand ab, so daß Tashajämp der Zellenmitte zutrieb.
Das Fi’Weibchen schien zu ermüden. Arwid gesellte sich zu den Gefährten vorn am Kopf. »Schiebt sie hier rein«, rief er und faßte nach einem Griffling, der sich wie ein Feuerwehrschlauch wand…
Fünf Minuten später starrte Tashajämp sie wütend über den Rand eines großen Sacks an. Ihre Ohren waren mit Riemen festgeschnürt. Dmitri führte weitere Riemen um ihre Vorderläufe und verknotete sie. Er trat beiseite und betrachtete nachdenklich sein Werk. »Warum tut ihr das? Wir haben es ehrlich mit euch gemeint.«
»Thaktan Flishithy wird angegriffen«, antwortete Arwid. Er hörte Jeri keuchen.
»Vorwärts!« rief Alice.
»Von wem?«
»Von den Amerikanern. Ein Mutterschiff mit Raketen und kleineren Raumschiffen. Die letzte Chance der Erde, Dmitri. In die Luftkanäle können uns die Fithp nicht folgen. Wir kämpfen von dort aus!«
»Ich verstehe. Einverstanden.« Dmitri sagte rasch etwas auf russisch.
»Nein«, gab Arwid zur Antwort.
»Was, nein?« wollte Jeri wissen.
»Er will das Fi’ hier töten«, sagte Arwid.
»Kommt überhaupt nicht in Frage«, schnaubte Jeri.
»Meint denn einer von euch, daß die Riemen sie lange halten können?« schrie Dmitri. »Zwar hoffe ich das, aber was wissen wir? Denkt an Indien und bringt sie um!«
»Nur über meine Leiche«, sagte Jeri. Sie schob sich näher an Tashajämp heran.
Dmitri schrie etwas auf russisch.
Arwid antwortete. »Ich denke, was ich für richtig halte. Hier führst nicht du das Kommando. Überleg doch, Dmitri! Thaktan Flishithy wird angegriffen.«
»Schon.«
»Bis sie die Gefährtin des Lehrers finden, sind wir außerhalb ihrer Reichweite. Es gibt keinen Grund, sie zu töten.«
»Du läßt Frauen für dich denken.«
»Er braucht keine Frauen, um das zu erkennen«, sagte Jeri.
Dmitri sah sich um. Arwid, Alice, Jeri und Mrs. Woodward standen zwischen ihm und dem Fi’Weibchen… Es schlug nicht mehr um sich, da es mitbekommen wollte, was die Erdlinge beratschlagten. »Vielleicht tut es dir eines Tages leid, Arwid. Jetzt also los! Der Garten ist nie abgeschlossen, Mrs. Woodward. Gehen Sie mit den Kindern dahin! Dort müßten Sie sicher sein, wenn überhaupt jemand irgendwo sicher sein kann. Nikolai, Arwid… ihr kommt mit mir. Alice? Jeri?«
»Ihr geht beide mit in den Garten«, befahl Arwid.
»Und was ist mit Wes?« rief Alice.
Dmitri schnaubte verächtlich. »Hast du eine Ahnung, wo er sich aufhält? Vergiß ihn! Er hat immer wieder bewiesen, wie unzuverlässig er ist.«
Wütend zuckte Alice die Achseln.
»Ich komme mit dir«, sagte Jeri zu Arwid.
»Mutter…«
»Du bleibst bei Carrie«, sagte Jeri zu Melissa und tätschelte sie. »Geht jetzt!«
Sie drehten Tashajämp in der Mitte der Zelle mehrmals um die eigene Achse und verließen sie dann. Im Gang löste Arwid am ersten Gitter die Flügelmuttern und führte die Hälfte der Gruppe in den Lüftungsschacht. Die übrigen setzten ihren Weg fort.
42. Die Erdlinge in den Wänden
Ich erschieße niemanden, weil er nicht zum Werk des Teufels taugt – wohl aber, wenn er dazu taugt. Dafür genügt bereits Bewunderung für dessen Vorgehensweise.
LAURENCE VAN COTT NIVEN, D. Litt.
* * *
Vier Grifflingsschiffe näherten sich. Sie waren etwa achthundert Kilometer entfernt. Das genügte nicht, um Raketen einzusetzen, wohl aber, um die Schiffe als hellglänzende, wabernde Sonnen zu erkennen. Gewiß ließ das Laserlicht Michaels Rumpf sieden. Kühleinrichtungen pumpten unerwünschte Hitze in die Kühlkörper: zwei Wassertanks, die beim Start gewaltige Eisberge gewesen waren.
Noch immer detonierte Bombe auf Bombe, WUMM WUMM WUMM. Dennoch war Gillespies Stimme klar zu hören: »Shuttle Eins, ich setze Sie ab. Kanonenboote Eins bis Sechs, ich setze Sie ab. Sehen Sie zu, daß Sie ein paar Banditen erwischen!«
WUMM.
WUMM.
STILLE.
Durch den Rumpf hallte es klong klong: Verankerungen fielen, Flammenschweife zogen davon. Sie waren hellgelb: Feststoffraketen. Das Triebwerksfeuer des Shuttle leuchtete schwach blau: Sauerstoff und Wasserstoff. Die Schiffe strebten dem Feind entgegen.
Ausschau nach Banditenschiffen halten. Auf Beschädigungen achten. Die Temperaturanzeigen im Auge behalten. Horchen, aufpassen, weitermachen. Beständiges Gebrabbel in der Sprechanlage…
»Es sind zu viele Kleinschiffe«, sagte Gillespie. »Nur wenn wir ein paar von ihnen erledigen können, können wir den anderen entkommen. Jason?«
»Ziele sind angesprochen. Kann feuern, wenn bereit.«
»Achtung. Beschleunige.«
WUMM.
»Sag den Piloten, sie sollen das Schiff, das uns am nächsten ist, mir überlassen und sich in sicherer Entfernung halten. Feuer!«
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