»General Edmund Gillespie. Er hat Dawson nach Kosmograd begleitet und ist jetzt hier. Miranda hat es gestern gehört.« Er achtete sorgfältig darauf, nicht gestern abend zu sagen.
Miranda nahm den Faden auf. »Leigh mußte ihn gestern und auch schon vorgestern überall in Bellingham rumführen. Ich hab ihn gefragt, wo er war, und er hat mir alles erzählt.«
»Was will er? Ich meine, Gillespie.«
»Weiß nicht. Leigh hat gesagt, daß er sich alles angesehen hat, den Hafen, die Eisenbahnanlagen, er hat die ganze Stadt abgeklappert. Und das alles für ein Gewächshaus der Regierung?«
Shakes knurrte wütend: »Mit ‘nem richtigen Astronauten hier in Bellingham wird das aber ganz schön auffällig. Am wichtigsten zum Überleben ist, daß man sich unauffällig verhält.«
»Laß dir darüber keine grauen Haare wachsen«, sagte Miranda. »Wir kommen sowieso nicht weg. Es gibt kein Benzin mehr, und Leigh hat gesagt, sie sperren die Fernstraße für alles außer für militärischen Verkehr.«
»Hmm.« Es war leicht zu erkennen, was Bill Shakes dachte. Bellingham lag zwischen den Bergen und der Meerenge von Juan de Fuca. Wer die Straße sperrte, hinderte die Menschen am Verlassen der Stadt. »Einen besseren Ort finden wir sowieso nicht«, sagte er schleppend. »Wir haben hier ‘ne Menge Geld reingesteckt und können es nicht mitnehmen.«
»Nun, wir dachten jedenfalls, daß du Bescheid wissen solltest «, sagte Kevin.
»Ja. Wieso bloß ein Astronaut? Vermutlich hat er sonst nichts Besseres zu tun, wo die Rüßler jetzt alles vom Himmel holen. Trotzdem… es paßt nicht so recht.« Shakes runzelte die Stirn. »Du magst diesen Polizisten, was?«
»Ja!«
»Gut. Triff dich ruhig öfter mit ihm!«
Kevin unterdrückte seinen Lachreiz.
* * *
Jack Clybourne stellte sich dem Präsidenten in den Weg. »Nein, Sir«, sagte er mit fester Stimme, »ich lasse Sie hier nicht hinein.«
»Mr. Clybourne«, sagte Admiral Carrell mit sanfter Stimme.
»Nein«, wiederholte Jack. »Entweder holen Sie vorher den Außerirdischen da raus, oder Sie geben mir etwas mit erheblich mehr Feuerkraft als diese alberne Pistole. Das ist mein letztes Wort.«
Admiral Carrell seufzte.
»Jack.« Jenny trat einen Schritt vor. Wie krieg ich ihn aus dieser Sache bloß raus? »Jack, bist du einverstanden, wenn ich Sergeant Bonner mit reinbringe und zwei Militärpolizisten mit Gewehren?«
»Das geht nicht«, protestierte Sherry Atkinson. »Wir können Harpanet nicht solches Mißtrauen demonstrieren!«
»Zum Teufel damit, Mr. President!« sagte Wade Curtis.
»Wie bitte, Mr. Curtis?« wandte sich der Präsident ihm zu. Seine Stimme klang, als unterdrücke er ein leises Lachen.
»Bestimmt ziehen deren oberste Führer auch mit bewaffneten Wächtern durch die Gegend. Harpanet dürfte kaum etwas Ungewöhnliches darin sehen, daß Soldaten den Präsidenten eskortieren.«
»Glauben Sie, daß ich sie brauche, Mr. Curtis?«
»Nein. Aber ich verstehe Jacks Sorgen. Sofern sich Harpanet entschließen sollte, den Präsidenten anzugreifen, dürfte es sehr schwer sein, sich ihm in den Weg zu stellen. Und für den Fall würde ich auch sagen, wenn schon, denn schon: kein Kinderspielzeug, sondern anständige Kaliber.«
»Und wo finden wir so etwas?« wollte Jenny wissen.
»Eine ist in meinem Zimmer, und Ransom hat auch eine«, sagte Curtis.
»Deshalb also, Mr. President.« Joe Ransom beendete seine Vorstellung. Die im Raum anwesenden Techniker, Autoren und Soldaten schwiegen, so daß man nichts hörte als die lauten Atemzüge des außerirdischen Gefangenen.
»Eindrucksvoll«, sagte Präsident Coffey. Verwirrt sah er sich um, bis sein Blick auf den des Außerirdischen stieß. Harpanet stand zehn Meter von ihm entfernt, so weit wie ihn Clybourne hatte fortbringen können, und zwischen ihm und dem Präsidenten befanden sich vier bewaffnete und kampferprobte Soldaten.
Immer noch zu nah, dachte Jenny.
»Wie redet man ihn an? Hat er einen Titel?« erkundigte sich der Präsident.
»Einfach Harpanet, Mr. President«, sagte Robert Anson. »Sollte er zu Hause einen Titel oder Rang gehabt haben, hat er den mit seiner Unterwerfung aufgegeben, und wir haben ihm noch keinen verliehen.«
»Harpanet«, sagte der Präsident leise.
»Leitet mich.«
»Hast du verstanden, was hier gesagt worden ist?«
»Ja.«
»Stimmt es? Will man einen großen Asteroiden auf die Erde abwerfen?«
Der Außerirdische spreizte seine Greifglieder.
»Er meint, daß er davon nichts wissen kann«, dolmetschte Sherry.
»Aber euer Raumschiff sollte – mit einem ›Fuß‹ verpaart werden?«
»Ja.«
Unruhig begann der Präsident im Raum auf und ab zu gehen. »Wir müssen so viele Menschen wie möglich warnen, auf der ganzen Welt. Gott im Himmel, hätten sie doch nur unser Nachrichtensystem nicht so zugerichtet! Was meinen Sie, Admiral?«
»Ich glaube, wir dürfen es nicht wagen.«
»Was nicht wagen? Die Welt zu warnen? Wir würden Millionen in den sicheren Untergang schicken! Gezeitenwellen, Stürme, Erdbeben, Vulkanausbrüche – die Vorstellung gleicht einem Katastrophenfilm, der eine ganze Woche dauert!«
»Und falls wir eine Warnung herausschicken, verurteilen wir mit Sicherheit Tausende oder Zehntausende zum Untergang«, sagte Admiral Carrell.
»Aber es ist doch besser, als die Hände in den Schoß zu legen.«
»Wenn Sie eine Warnung herausgehen lassen, Mr. President, werden alle Küstenbewohner fliehen. Und Bellingham ist auch eine Küstenstadt«, gab Robert Anson zu bedenken.
»Aber…«
»Wir haben keine Möglichkeit, dafür zu sorgen, daß die Leute zwar alle Städte verlassen, nur ausgerechnet Bellingham nicht«, sagte Anson.
»Stimmt«, bestätigte Admiral Carrell. »Wenn sie eine Warnung ergehen lassen, gefährden Sie damit unser Projekt, und zwar möglicherweise nachhaltig.«
»Und es ist unsere einzige verdammte Chance«, knurrte Curtis.
Der Präsident ließ sich schwer in einen Sessel sinken. Seine Finger trommelten auf die Tischplatte. Nach einigen Augenblicken sah er auf. »Thor, würden Sie Mrs. Coffey hinzubitten? Mit Ihnen allen spreche ich später noch einmal. Inzwischen danke ich Ihnen für Ihren Rat.«
* * *
Ihre Therapeutin, Mrs. Carmichael, hatte Alice einmal eine Geschichte erzählt. Später hatte Alice erfahren, daß jeder sie kannte. Vermutlich nahmen die Psychiater an, daß die Geschichte ihren Patienten guttat. Und vielleicht stimmte das sogar.
Ein Autofahrer hat auf einer abgelegenen Straße spätabends eine Reifenpanne. In der Nähe sieht ihm jemand durch einen Gitterzaun tatenlos zu. Der Autofahrer sieht im Licht seiner Scheinwerfer ein Schild und begreift, daß er sich in unmittelbarer Nähe einer Heilanstalt befindet. Er löst die Muttern am Rad mit dem platten Reifen und legt sie in die Radkappe. Der Unbekannte sieht zu. Der Autofahrer nimmt das Reserverad aus dem Kofferraum. Der Unbekannte sieht zu. Der Autofahrer wird nervös. Was tut ein Verrückter so spät draußen? Warum starrt er so unverwandt herüber? Der Autofahrer rollt das Rad nach vorn, tritt im Dunkeln auf den Rand der Radkappe, und alle Radmuttern landen im Gras neben der Straße. Der Autofahrer sucht nach ihnen und findet eine einzige.
Der Geisteskranke tut den Mund auf. »Schrauben Sie je eine Mutter von den drei anderen Rädern und tun sie sie an das vierte Rad. Dann haben Sie an jedem Rad vier, damit kommen Sie bis zur nächsten Tankstelle.«
Der Autofahrer sagt: »Das müßte gehen.« Dann fährt er fort: »Augenblick mal, das ist ja genial! Warum, zum Kuckuck, sind Sie eigentlich da drin?«
Der Patient antwortet: »Weil ich verrückt bin, aber nicht blöd.«
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