»Oder Sophie? Klingt doch auch schön, oder? Also, wenn es ein Mädchen wird.« Sie legt die Hand neben das Buch auf den Bauch. »Na, Kleines? Wirst du ein Mädchen?«
Marc kommt ins Wohnzimmer, gibt Caro einen Kuss und setzt sich dann in einen der Sessel.
»Hallo, ihr beiden. Was macht ihr denn Schönes?«
»Herkules berät mich bei der Vornamensfindung.«
Von wegen! Herkules langweilt sich! Aber das interessiert hier wie üblich keinen. Es geht mal wieder um das Baby. Hoffentlich ist das bald da, damit sich die Themenliste endlich wieder normalisiert.
»Und? Was gefällt ihm am besten?«
»Ich glaube, bei den Mädchen mag er Sophie, bei den Jungs Henri.«
Bitte? So’n Quatsch! Ich würde sagen, bei den Mädchen Chappi und bei den Jungs Frolic.
»Henri finde ich auch schön. Henri Wagner. Das hat doch was.«
»Ja, schon sehr hübsch. Noch hübscher ist allerdings Henri Neumann.«
Carolin klingt belustigt. Sehen kann ich das ja nicht. Marc hingegen, den ich sehr gut sehen kann, zieht die Augenbrauen hoch und die Mundwinkel nach unten. Ist bestimmt ein schwieriges Manöver und drückt offensichtlich Missfallen aus.
»Neumann?!«
»Ja. So heiße ich.«
Genau. Sollte Marc das etwa vergessen haben?
»Ja, aber … aber …«
»Aber, aber – was?«
»Nun ja, ich dachte, das Kind bekommt meinen Nachnamen.«
»Wie kommst du denn darauf? Darüber haben wir doch noch gar nicht gesprochen. Was mich, nebenbei bemerkt, schon ein bisschen gewundert hat. Aber dann dachte ich, ich warte mal, ob du es ansprichst.«
Marc räuspert sich.
»Äh … ich dachte, das wäre irgendwie klar.«
»Wieso sollte das klar sein?«
»Na, wir sind doch eine Familie. Und Luisa heißt doch auch Wagner. Sollen denn die Geschwister nicht den gleichen Namen tragen?«
»Sollen sie? Ich weiß nicht. Ich gehöre doch auch zur Familie.«
Genau! Und ich auch! Herkules Neumann!
»Das ist doch etwas ganz anderes!«
»Finde ich nicht.«
»Doch, du kannst ja meinen Namen gar nicht annehmen.«
»Könnte ich schon. Wir müssten nur heiraten.«
»Bitte, nicht wieder das Thema. Du kennst meine Meinung.«
Wuff! Aber ich nicht! Worüber reden denn die beiden? Und wieso sinkt die gefühlte Zimmertemperatur gerade um mindestens zehn Grad?
»Ja. Die kenne ich. Und sie kränkt mich. Nicht, weil ich unbedingt heiraten will. Sondern weil ich das Gefühl habe, dass du an unserer Liebe zweifelst. Und glaube mir, das ist kein schönes Gefühl, vor allem, wenn man im achten Monat schwanger ist und aussieht wie eine Seekuh.«
Marc steht auf, kniet sich neben das Sofa und küsst Caro auf den Bauch.
»Spatzl, das stimmt doch gar nicht. Das mit der Seekuh. Und der Rest auch nicht. Ich liebe dich, ich freue mich wahnsinnig auf unser gemeinsames Kind. Aber ich stand schon einmal vorm Altar und habe ewige Treue geschworen. Bis dass der Tod euch scheidet, haha! Das hat ja nun nachweislich nicht geklappt. Sabine ist putzmunter und glücklich vereint mit ihrem Flugkapitän. Ich glaube nicht mehr an den ganzen Quatsch. Und deswegen möchte ich nie wieder heiraten. Einen anderen Grund gibt es nicht. Mit meiner Liebe zu dir hat das rein gar nichts zu tun.«
Jetzt fängt Caro an zu schluchzen. Auweia, wer hätte an diesem friedlich-langweiligen Nachmittag damit gerechnet?
»Tut mir leid, Marc. Das sind die Hormone. Denk dir nichts. Aber deine Mutter nervt mich ziemlich mit dem Thema. Und meine eigentlich auch. Ständig fragen mich die beiden, warum wir nicht heiraten. Ich komme mir langsam total blöd vor, verstehst du? Dabei bin ich doch gar keine große Verfechterin der Ehe.«
Marc streichelt über ihren Bauch. Ob da außer dem Baby auch diese Hormone drin sind? Was ist das wohl? Auf alle Fälle scheinen die zum Schwangersein dazuzugehören und es irgendwie lästig zu machen, wenn Caro nun schon wegen ihnen weinen muss.
»Armes Spatzl. Das tut mir leid. Ich rede mit meiner Mutter.«
»Nee, lass mal. Ich glaube, sie wird das nicht verstehen.«
Und kann man es ihr verdenken? Ich verstehe schließlich auch kein Wort. Was schon daran liegt, dass ich keine wirkliche Vorstellung davon habe, was »Ehe« und »Heiraten« eigentlich bedeuten. Ewige Treue klingt doch schon mal gut. Wie zwischen Jäger und Hund. Bis dass der Tod euch scheidet – das könnten sich auch Opili und von Eschersbach versprochen haben. Also, selbst wenn sie sich das so nie gesagt haben, weil sich die beiden ja nicht mit Worten unterhalten konnten. Gemeint haben sie es bestimmt. Und daran gehalten haben sie sich auch. Bis zum letzten Atemzug von Opili.
So gesehen verstehe ich schon, dass Caro sauer ist, wenn Marc ihr das jetzt nicht versprechen will. Und alles nur, weil sich die blöde Sabine nicht daran gehalten hat. Das ist doch wohl nicht Caros Schuld! Da hätte Marc bei der Frauenauswahl einfach ein bisschen besser aufpassen müssen. Auch hier ist es doch wieder wie im wahren Leben. Augen auf beim Hundekauf! Diese Mahnung nimmt sich jeder gewissenhafte Züchter zu Herzen, wenn er sich eine neue Hündin in den Zwinger holt. Sabine war eben ein Fehlgriff. Selber schuld, Marc!
Andererseits – was genau ist denn nun der Unterschied zwischen Liebe und Ehe? Wie hängen die zusammen? Hängen sie überhaupt zusammen? Dass Marc Caro liebt, ist doch klar. Das bezweifelt sie auch nicht. Sagt sie ja selbst. Und mit ihr zusammenbleiben will er auch, ist bei Menschenpaaren, zumal mit Kindern, schließlich das Konzept. Und schiefgehen kann es – siehe Sabine – trotz Ehe. Versteh ich nicht. Wozu heiraten Menschen denn dann? Ob das irgendwas mit dem Eintrag ins Zuchtbuch zu tun hat? Gibt es das für Menschen überhaupt? Und was hat das alles damit zu tun, dass Caro mittlerweile wie eine Seekuh aussieht?
»So, dann lass mich auch mal gucken.« Marc steht auf, nimmt das Buch von Caros Bauch und setzt sich wieder in den Sessel. »Henri und Sophie. Finde ich beides gut. Über den Nachnamen unterhalten wir uns noch mal, oder?«
Ringt sich Caro nun zu einen Lächeln durch? Ich hüpfe vom Sofa und gucke sie mir von unten an. Ja. Sehr gut! Kriegspfad wurde verlassen.
»Von mir aus. Können wir machen. Aber was sind denn deine Favoriten?«
»Wie findest du denn Ole?«
Caro schüttelt den Kopf.
»Malte?«
Kopfschütteln.
»Nikolaus?«
»Hm. Niko. Schon besser. Was hältst du von Alexander?«
»Finde ich schön, ist aber sehr häufig, oder?«
Caro nickt.
»Ja, aber ich mag den Namen, weil er so klassisch ist.«
»Wo wir gerade bei klassisch sind – bei den Mädchen finde ich Johanna gut.«
»Und Nina?«
»Nee, bitte. Da müsste ich die ganze Zeit an deine Nina denken.«
»Wieso meine ? Ich dachte, sie sei unsere Nina. Und überhaupt: Bevor du dich mit mir getroffen hast, bist du immerhin mit ihr ausgegangen. So schlimm können die Gedanken an Nina also wohl nicht sein.«
Marc seufzt.
»Gut. Hast ja Recht. Trotzdem will ich nicht, dass unsere Tochter so heißt. Der Name ist irgendwie besetzt. Wie geht es Nina eigentlich? Ewig nichts mehr von ihr gehört. Immer noch mit dem Weihnachtsmann glücklich?«
»Ich glaube schon. Aber in letzter Zeit habe ich sie kaum gesehen – sie steckt gerade in einem anstrengenden Forschungsprojekt, eine Kooperation mit einem schwedischen Institut. Irgendetwas mit Suchtprophylaxe. Jedenfalls ist sie ständig in Stockholm, und wenn ich sie mal sehe, habe ich Angst, sie mit meinen Babythemen zu langweilen.«
Marc guckt erstaunt.
»Freut sie sich denn nicht für uns?«
»Doch. Schon. Aber du weißt ja, wie sie zum Thema Kinder steht.«
Allerdings weiß Marc das. Als er sich noch mit Nina getroffen hat, haben sie sich über das Thema Kinder mal so gestritten, dass sie ihn auf einer Picknickdecke mit einer Schüssel voll sandigem Kartoffelsalat hat sitzen lassen und einfach in den nächsten Bus gesprungen ist. So wird es jedenfalls erzählt. In der Beziehung ist Nina genauso kompliziert und unleidlich wie Herr Beck. Die beiden haben eindeutig eine Kinder phobie . So nennt Caro das bei Nina, und es bedeutet, dass die Kinder überhaupt nicht mag.
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