»Und die Bombenexperten sind in der Nähe und jederzeit einsatzbereit?«
»Es sind vier englische Spezialisten« — der Mann nickte — »und zwei von der U.S. Air Force.«
In diesem Moment verstummten Amads Gebete, und das Mikrofon übertrug seine Schritte auf dem Fußboden des Apartments.
»Ich glaube, es geht los«, informierte Fleming mit Hilfe seines Funkgeräts die Dutzenden von Agenten, die schon seit Stunden auf ein solches Zeichen warteten. »Haltet euch auf jeden Fall von ihm fern, bis er seinen Einsatzort erreicht hat.«
Fleming betete, dass es bald vorüber wäre. Es war 23:49 Uhr.
Das Apartmenthaus war von allen Seiten von Leuten des MI5 umstellt. Jedes Auto auf den Straßen war mit einem Peilsender präpariert worden. An jedem war ein elektronisches Deaktivierungsmodul befestigt worden. Und jeder Wagen war mit einem Geigerzähler überprüft und für sauber befunden worden.
Jeder war überzeugt, dass Amad zu einem anderen Ort fahren würde, um die Bombe abzuholen.
Aber die Bombe befand sich unten im Haus. Sie lag im Beiwagen eines in Russland hergestellten Ural-Motorrads — der gleichen Maschine, auf der Amad im Jemen ausgebildet worden war.
Das Interesse an den angebotenen Leckereien und dem Bier und die ausgelassene Stimmung wurden durch die Kälte und den Schnee nicht gemindert. Die Gegend um den Hyde und den Green Park wimmelte von Tausenden ausgelassener Partygäste. Hinter der Bühne machte ein Verbindungsmann des MI5 den Rockstar mit der kalten Wirklichkeit vertraut.
»Sie hätten uns warnen sollen«, schimpfte sein Agent, »dann hätten wir das Konzert absagen können.«
»Er hat es doch schon erklärt«, sagte Elton John. »Das hätte die Terroristen nur misstrauisch gemacht.«
Bekleidet mit einem gelben, mit Pailletten besetzten Overall, einer mit Brillanten versehenen Brille und schwarzen Schuhen mit leuchtenden Plateausohlen, wäre es leicht gewesen, John als einen dieser verwöhnten und gehätschelten Musiker abzutun, die an ein Leben gewöhnt sind, das nichts anderes als eine ewige Party ist. Die Wahrheit war meilenweit davon entfernt. Reginald Dwight hatte sich aus einer ärmlichen Existenz mit Kraft, Beharrlichkeit und jahrzehntelanger harter Arbeit nach oben gekämpft. Niemand kann die Popcharts Jahrzehnt für Jahrzehnt beherrschen, wenn er nicht zäh und realistisch ist. Elton John war jemand, der den nackten Überlebenskampf aus eigener Anschauung kannte und ohne fremde Hilfe siegreich gemeistert hatte.
»Die königliche Familie wurde doch evakuiert, nicht wahr?«, fragte er.
»Kommen Sie herein, Mr. Truitt«, rief der MI5-Agent vor dem Campinganhänger.
Truitt öffnete die Tür und trat ein.
»Hier ist das Double für Prince Charles«, sagte der Geheimagent.
John sah Truitt kurz an und grinste. »Er sieht genauso aus wie er«, stellte er fest.
»Sir«, sagte Truitt, »ich möchte Ihnen nur versichern, dass wir die Bombe bergen und unschädlich machen werden, ehe etwas Furchtbares passiert. Wir wissen es zu schätzen, dass Sie uns dabei unterstützen.«
»Ich setze großes Vertrauen in den MI5«, sagte John.
»Er ist beim MI5«, sagte Truitt und deutete auf seinen englischen Kollegen. »Ich gehöre zu einer Gruppe, die sich die Corporation nennt.«
»Die Corporation?«, fragte Elton John. »Wer oder was ist das denn?«
»Wir sind Privatspione«, sagte Truitt.
»Privatspione«, wiederholte John kopfschüttelnd, »was es nicht alles gibt. Sind Sie und Ihre Leute gut?«
»Wir haben eine Erfolgsbilanz von hundert Prozent.«
John erhob sich aus seinem Sessel — es wurde Zeit, zur Bühne zu gehen und sich in den Kulissen bereitzuhalten.
»Tun Sie mir einen Gefallen«, sagte er, »steigern Sie Ihre Erfolgsbilanz heute auf mindestens hundertzehn Prozent.«
Truitt nickte.
John war schon an der Tür, blieb aber stehen. »Sagen Sie dem Kameramann, er soll keine Nahaufnahmen von Prince Charles machen — es wäre immerhin möglich, dass uns die bösen Jungs zuschauen.«
»Wollen Sie wirklich da rausgehen?«, fragte der MI5-Agent ungläubig.
»Na klar«, sagte John. »Das dort sind alles meine Landsleute, und sie sind hergekommen, um sich ein Konzert anzuhören. Entweder haben diese Männer« — er beschrieb eine ausholende Geste, die Truitt und den MI5-Agenten einschloss — »das Problem im Griff, oder ich gehe singend unter.«
Truitt lächelte und folgte John durch die Tür hinaus.
Es gibt sechs Möglichkeiten, in einen Raum einzudringen. Vier Wände, den Fußboden oder die Decke. Amad wählte die letztere. Am Flurende des ersten Stocks in Lababitis Apartmenthaus befand sich ein Wandschrank für Putzutensilien. Zwei Monate zuvor hatte Lababiti den quadratischen Holzfußboden des Schranks vorsichtig ausgesägt und entfernt, so dass der Unterboden darunter zum Vorschein kam. Dann hatte er mit einer Rundsäge eine etwa einen halben Meter große Öffnung zum unten liegenden Laden ausgeschnitten. In dem Raum zwischen der Decke des Ladens und dem Fußboden des ersten Stocks hatte er anschließend eine Strickleiter versteckt. Nach Entfernen des Sägestaubs im Laden hatte er den runden Deckenausschnitt wieder eingesetzt und mit zwei Platten befestigt. Als Nächstes hatte er die Spalte zwischen Wand und Bodenplatte im Schrank mit Holzkitt aufgefüllt, damit von seiner Bastelarbeit nichts mehr zu sehen war. Bis zu diesem Augenblick war die Klappe nicht benutzt worden.
Amad öffnete den Wandschrank mit einem Schlüssel, den Lababiti nachgemacht hatte.
Bei offener Tür und verlassenem Flur hebelte er die Bodenplatte mit einem Schraubenzieher auf. Nachdem er das Fußbodenbrett gegen die Wand gelehnt hatte, betrat Amad den Schrank und schloss hinter sich die Tür. Er holte zwei stabile Haken aus der Tasche, schraubte sie in die Innenwand des Schranks und befestigte anschließend die Strickleiter daran. Nachdem er die Platten entfernt hatte, die den runden Deckenausschnitt fixiert hatten, legte er sie in den Wandschrank. Er ließ die Leiter durch die Öffnung nach unten fallen und kletterte hinab.
Jeder MI5-Agent auf den Dächern in der Nähe beobachtete den ersten Stock.
»Nichts«, meldeten sie sich nacheinander.
Der MI5-Agent, der einen Rundgang durch die Lobby gemacht hatte und gleich wieder herausgekommen war, ging ins Gebäude zurück. Er kontrollierte den Fahrstuhl und stellte fest, dass noch immer die Nummer zwei der Stockwerksanzeige beleuchtet war.
»Der Fahrstuhl befindet sich weiterhin im ersten Stock«, gab er Fleming über Funk durch.
Im Hotel auf der anderen Straßenseite schaute Fleming auf die Uhr. Vier Minuten waren verstrichen, seit ihr Zielobjekt mit dem Lift in den ersten Stock hochgefahren war.
»Gehen Sie über die Treppe rauf«, befahl er dem Agenten.
Amad las die Bedienungsanleitung in arabischer Sprache, dann klappte er die Abdeckung über dem Aktivierungsmechanismus auf. Die Beschriftungen bestanden aus kyrillischen Buchstaben, doch die schematische Zeichnung war eindeutig, er konnte ihr ohne Schwierigkeiten folgen. Amad legte einen Schalter um, eine Leuchtdiode begann zu blinken. Mit einem Drehknopf stellte er eine Zeitspanne von fünf Minuten ein.
Dann schwang er sich auf die Ural und betätigte den Kickstarter. Sobald der Motor lief, legte er eine Hand auf eine Fernbedienung für das Garagentor, die mit Klebeband an der Lenkstange des Motorrads befestigt war, und drückte auf den Knopf. Er schaltete in den ersten Gang und rollte bereits mit etwa fünfzehn Stundenkilometern durch die Lagerhalle, während das Tor langsam in die Höhe stieg.
Danach geschah alles gleichzeitig.
Der Agent erreichte den ersten Stock und meldete, dass er leer war, während sich gleichzeitig das Garagentor öffnete.
»Hier geht eine Einfahrt auf«, sagte Fleming in sein Funkgerät und sprintete durch die Lobby zur Tür.
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