»Oui. Terrible! Terrible. Auf der Grande Corniche muss man vorsichtig fahren. Es kann sein tres dangereux.«
»Ich habe gehört, dass Paul Winthrop bei einem Rennen umkam und -«
»Non. An dem Tag war kein Rennen.«
»Nein?«
»Non, mademoiselle . Ich hatte persönlich Dienst, als sich der Unfall ereignete.«
»Aha. Saß Mr. Winthrop allein in dem Wagen?«
»Oui.«
»Commandant Frasier, hat man eine Autopsie vorgenommen?«
»Oui. Natürlich.«
»Hatte Paul Winthrop Alkohol im Blut?«
Commandant Frasier schüttelte den Kopf. »Non.«
»Drogen?«
»Non.«
»Wissen Sie noch, welche Witterungsverhältnisse an diesem Tag herrschten?«
»Oui. Ilpleuvait. Es regnete.«
Dana hatte noch eine letzte Frage, aber sie versprach sich nicht viel davon. »Ich nehme an, es gab keine Zeugen?«
»Mais oui, ily en avait. Doch, doch.«
Dana starrte ihn an, spürte wie ihr Puls schneller ging. »Es gab welche?«
»Einen Zeugen. Er fuhr hinter Winthrops Wagen und sah, wie der Unfall sich ereignete.«
Dana war erregt. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir den Namen des Zeugen nennen könnten. Ich möchte mit ihm sprechen.«
Er nickte. »Das kann nichts schaden. Alexandre!«, rief er lauthals, und kurz darauf kam sein Assistent angestürmt.
»Oui, Commandant?«
»Apportez-moi le dossier de l’accident Winthrop.«
»Toute de suite.« Er eilte aus dem Zimmer.
Commandant Frasier wandte sich wieder an Dana. »Solch eine unglückliche Familie. Das Leben ist tres fragile.« Er blickte Dana an und lächelte. »Jeder muss die Freuden genießen, solange er kann.« Verschmitzt fügte er hinzu: »Beziehungsweise, solange sie kann. Sind Sie allein hier, mademoiselle ?«
»Nein, mein Mann und meine Kinder erwarten mich.«
»Dommage.«
Commandant Frasiers Assistent kehrte mit einem Stapel Akten zurück, worauf der Commandant die Papiere überflog, nickte und dann zu Dana aufblickte.
»Der Zeuge des Unfalls war ein amerikanischer Tourist, ein gewisser Ralph Benjamin. Laut seiner Aussage fuhr er hinter Paul Winthrop, als er sah, wie ein chien - ein Hund -vor Winthrops Wagen lief. Winthrop riss das Steuer herum, um ihn nicht zu überfahren, geriet dabei ins Schleudern, kam von der Straße ab und stürzte über den Steilhang hinab ins Meer. Dem Bericht des Leichenbeschauers zufolge war Winthrop auf der Stelle tot.«
»Haben Sie Mr. Benjamins Adresse?«, fragte Dana gespannt.
»Oui.« Wieder warf er einen Blick in die Akte. »Er lebt in Amerika. Richfield in Utah. Turk Street Nummer vierhun-dertundzwanzig.« Commandant Frasier schrieb die Adresse auf und reichte sie Dana.
Sie versuchte ihre Erregung zu bezähmen. »Ich danke Ihnen vielmals.«
»Il m’y a pas de quoi.« Er blickte auf Danas schmucklosen Ringfinger. »Und, madame ?«
»Ja?«
»Grüßen Sie Ihren Mann und die Kinder von mir.«
Dana rief Matt an.
»Matt«, sagte sie aufgeregt. »Ich habe einen Zeugen aufgetrieben, der Paul Winthrops Unfall gesehen hat. Ich will ihn interviewen.«
»Großartig. Wo steckt er?«
»In den Vereinigten Staaten. In Richfield, Utah. Hinterher komme ich gleich nach Washington zurück.«
»In Ordnung. Übrigens, Jeff hat angerufen.«
»Ja?«
»Sie wissen ja, dass er bei seiner Exfrau in Florida ist.« Er klang unwirsch.
»Ich weiß. Sie ist schwer krank.« »Wenn Jeff länger dort bleiben will, muss ich ihn darum bitten, unbezahlten Urlaub zu nehmen.«
»Er kommt sicher bald zurück.« Wenn sie das nur glauben könnte.
»Gut. Viel Glück bei dem Zeugen.«
»Danke, Matt.«
Danas nächster Anruf galt Kemal. Mrs. Daley meldete sich am Telefon.
»Bei Miss Evans.«
»Guten Abend, Mrs. Daley. Ist alles in Ordnung?« Dana hielt unwillkürlich den Atem an.
»Na ja, Ihr Sohn hätte gestern fast die Küche in Brand gesetzt, als er mir beim Abendessen geholfen hat.« Sie lachte. »Aber ansonsten ist er brav.«
Dana sprach ein stummes Dankgebet. »Großartig.« Die Frau bewirkt wahre Wunder, dachte sie.
»Kommen Sie heute heim? Ich kann uns was zum Abendessen machen und -«
»Ich muss noch einen Zwischenstopp einlegen«, sagte Dana. »In zwei Tagen bin ich wieder zu Hause. Kann ich Kemal sprechen?«
»Er schläft. Soll ich ihn aufwecken?«
»Nein, nein.« Dana blickte auf ihre Uhr. In Washington war es erst vier Uhr nachmittags. »Hält er etwa Mittagsschlaf?«
Sie hörte Mrs. Daley herzlich lachen. »Ja. Der Junge hat einen langen Tag hinter sich. Er hat sich mächtig verausgabt, beim Lernen und beim Spielen.«
»Bestellen Sie ihm alles Liebe von mir. Ich bin bald wieder da.«
Ich muss noch einen Zwischenstopp einlegen. In zwei Tagen bin ich wieder zu Hause.
Kann ich Kemal sprechen?
Er schläft. Soll ich ihn aufwecken?
Nein, nein. Hält er etwa Mittagsschlaf?
Ja. Der Junge hat einen langen Tag hinter sich. Er hat sich mächtig verausgabt, beim Lernen und beim Spielen. Bestellen Sie ihm alles Liebe von mir. Ich bin bald wieder da.
Ende der Aufnahme.
Richfield war eine gemütliche amerikanische Kleinstadt, in einem Talkessel inmitten der Monroe Mountains gelegen. Dana hielt an einer Tankstelle an und erkundigte sich nach der Adresse, die Commandant Frasier ihr gegeben hatte.
Ralph Benjamin wohnte in einem verwitterten Flachbau, der genauso aussah wie all die anderen Häuser, die links und rechts der Straße standen.
Dana parkte ihren Mietwagen, ging zur Haustür und klingelte. Eine weißhaarige Frau mittleren Alters, die eine Schürze trug, öffnete die Tür. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Ich möchte Ralph Benjamin sprechen«, sagte Dana.
Die Frau musterte Dana neugierig. »Erwartet er Sie?« »Nein. Ich - ich bin nur zufällig vorbeigekommen und dachte, ich suche ihn kurz auf. Ist er da?«
»Ja. Kommen Sie rein.«
»Vielen Dank.« Dana trat ein und folgte der Frau ins Wohnzimmer.
»Ralph, du hast Besuch.«
Ralph Benjamin erhob sich aus einem Schaukelstuhl und kam auf Dana zu. »Hallo? Kenne ich Sie?«
Dana stand wie erstarrt da. Ralph Benjamin war blind.
Dana und Matt Baker saßen im Konferenzraum von WTN.
»Ralph Benjamin hat in Frankreich seinen Sohn besucht«, erklärte Dana. »Eines Tages war seine Brieftasche aus dem Hotelzimmer verschwunden. Tags darauf tauchte sie wieder auf, aber sein Pass fehlte. Matt, der Mann, der ihn gestohlen, sich als Benjamin ausgegeben und der Polizei erzählt hat, er sei Zeuge des Unfalls gewesen, hat Winthrop ermordet.«
Matt Baker schwieg eine ganze Weile. »Wir sollten allmählich die Polizei einschalten«, sagte er schließlich. »Wenn Sie Recht haben, hat irgendjemand kaltblütig sechs Menschen ermordet. Ich möchte nicht, dass Sie das siebte Opfer werden. Elliot macht sich ebenfalls Sorgen um Sie. Er meint, Sie steigen zu tief in die Sache ein.«
»Wir können die Polizei noch nicht hinzuziehen«, wandte Dana ein. »Wir haben nichts Konkretes. Keinerlei Beweise. Wir haben keine Ahnung, wer der Mörder ist und welches Motiv er hat.«
»Mir ist dabei ganz und gar nicht wohl. Die Sache wird mir zu gefährlich. Ich möchte nicht, dass Ihnen irgendwas zustößt.«
»Ich auch nicht«, entgegnete Dana.
»Wie wollen Sie weiter vorgehen?«
»Feststellen, wie Julie Winthrop tatsächlich umkam.«
»Die Operation ist erfolgreich verlaufen.«
Rachel schlug langsam die Augen auf. Sie lag in einem kühlen weißen Krankenhausbett. Benommen blickte sie zu Jeff auf.
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