Karen folgte seinem Blick. Da sah sie sie: glitzernde Punkte, die über die ganze Decke verteilt waren. Die Punkte begannen, sich zu bewegen. Sie fielen wie winzige Regentropfen nach unten. Noch während sie fielen, fächerten sie sich auf und flogen selbstständig. Sie sah, wie einer von ihnen auf Rick aufmerksam wurde und sich an die Verfolgung machte. Als Rick daraufhin in einen Sturzflug überging, stürzte der Roboter ihm nach. Er wurde von einer Propellerturbine angetrieben und hatte einen schlangenartigen Hals, an dessen Ende Messer zu sehen waren. Als er auf seiner Verfolgungsjagd an ihr vorbeisauste, sah sie die Augen. Der Roboter hatte Komplexaugen wie die Insekten, ein autonomes Bildverarbeitungssystem. Zwei Augen bedeuteten, dass er über ein binokulares Sichtfeld, also Tiefenwahrnehmung verfügte, wurde ihr klar.
»Rick!«, rief sie. »Hinter dir!«
Er konnte sie nicht hören. Er war auf dem Weg zum Boden und dem weißen Kreis. Der Roboter kam ihm immer näher. Sie musste ihm diese Maschine vom Hals schaffen. Da sie nicht wusste, was sie tun sollte, ging sie jetzt selbst in den Sturzflug über und jagte dem Roboter und Rick hinterher. Aus den Augenwinkeln sah sie noch mehr fliegende Objekte. Als sie dann über die Schulter schaute, bemerkte sie, dass mindestens ein Dutzend, wenn nicht noch mehr Roboter hinter ihr herflogen. Sie schienen sie und Rick von allen Seiten in die Zange nehmen zu wollen. Einige der glänzenden Roboter flitzten an ihr vorbei, andere schienen kurzzeitig auf der Stelle zu schweben, um sich zu orientieren und danach ihre Jagd wieder aufzunehmen. Anscheinend konnten sie alle Objekte aufspüren, die sich bewegten. »Rick, hinter dir!«, rief sie noch einmal.
Jetzt drehte er sich um und bemerkte seinen Verfolger. Er zog sein Flugzeug sofort nach oben und flog eine enge Kurve, um den Roboter abzuschütteln. Aber der flog mindestens so gut wie er und kam ihm immer näher.
Jetzt beschleunigte Karen und setzte sich direkt hinter Ricks Jäger. Vielleicht konnte sie ihn zum Absturz bringen, wenn sie ihn mit der Nase ihres Flugzeugs rammte. Da ihr Propeller im Heck ihrer Maschine lag, konnte sie die Flugzeugnase als stumpfe Waffe benutzen. Sie fasste den Roboter ins Auge und drückte den Gashebel nach vorn. Kurz vor dem Aufprall kauerte sie sich in ihr Cockpit und zog den Kopf ein. Dann krachte ihr Flugzeug gegen den Roboter.
Es gab ein helles blechernes Geräusch, und ihr Flugzeug und der Roboter wurden in entgegengesetzte Richtungen geschleudert. Tatsächlich hatte der Zusammenstoß weder dem Flugzeug noch dem Roboter geschadet, sie waren einfach nur voneinander abgeprallt und kurzzeitig ins Trudeln geraten. Der Roboter stoppte jetzt mitten in der Luft, wirbelte herum und orientierte sich neu. Dann begann er, Karens Flugzeug zu verfolgen. Nachdem diese ebenfalls die Kontrolle über ihre Maschine wiedererlangt hatte, zog sie sich etwas zurück und beobachtete ihren Gegner. Der Roboter kam jetzt immer schneller auf sie zu und entfaltete dann plötzlich zwei Gliederarme.
Mit den Haftpolstern am Ende seines Arms packte er einen Flügel von Karens Flugzeug und hielt sich daran fest. Sie versuchte, ihn abzuschütteln, indem sie mit dem Steuerknüppel wild hin und her ruderte und die Maschine nach links und rechts abkippen ließ. Der Roboter hatte sie jedoch fest im Griff und wollte einfach nicht loslassen. Jetzt begann er sogar, mit seinen Klingen in ihre Tragfläche hineinzuschneiden.
Er war dabei, ihren Flügel zu zerstören. Zu allem Überfluss waren ihr jetzt noch fünf weitere Roboter auf den Fersen.
Rick drehte um, als er sah, wie sich der Roboter an Karens Flugzeug festklammerte. Sie war jetzt in ernsten Schwierigkeiten. Er flog auf sie zu und fragte sich dabei, was er tun konnte, um ihr Flugzeug aus dem Griff des Roboters zu befreien. Seine Maschine war ja nicht bewaffnet. Keine Gewehre, schon gar keine Bordkanonen, nichts. Aber warte mal – Rourke hatte seine Flugzeuge doch mit Macheten ausgerüstet! Irgendwo musste hier eine sein. Er tastete im Cockpit herum, bis er einen Griff spürte. Dann schoss er mit Höchstgeschwindigkeit auf Karens Flugzeug zu und schwang die Machete wie ein Kavallerist seinen Säbel. »Ajaa!«, rief er aus voller Kehle und schlug beim Vorbeiflug den Schwanenhals des Roboters mittendurch. Die Klingen und der Vorderteil des Halses trudelten zu Boden. Der enthauptete Roboter ließ Karens Flugzeug los und flog völlig desorientiert im Zickzack weiter. Karen gewann die Herrschaft über ihre Maschine zurück.
Inzwischen schwebten jedoch Dutzende von Robotern um sie herum.
Rick flog mitten durch sie hindurch. Dabei klammerte sich einer von ihnen mit seinen Armen an Ricks Flugzeug und schüttelte es hin und her. Gleichzeitig begann er, mit seinen Scherenklingen eine Tragfläche abzuschneiden. Rick schlug mit der Machete in seine Richtung, konnte ihn aber nicht erreichen. Ricks Maschine trudelte nach unten. In diesem Moment erfasste ein anderer Roboter das Flugzeug und stoppte dessen Fall. Beide Roboter schwebten jetzt mitten in der Luft und hielten gemeinsam Ricks Flugzeug fest, als ob sie sich um ihre Beute streiten würden, während sie sie auseinanderschnitten.
Rick packte die Machete und sprang aus seiner Maschine ab. Während er langsam zu Boden segelte, drehte er sich auf den Rücken und konnte direkt über ihm Karens Flugzeug sehen. Roboter klammerten sich daran fest. Einer zerschredderte gerade dessen Propeller, während der andere die Seite des Flugzeugs aufriss. In diesem Moment landete Rick mit dem Rücken nach unten auf dem Boden. Er war völlig unverletzt und hielt immer noch seine Machete in der Hand.
Er stand auf. Von hier unten aus erschien der Generatorraum enorm groß. Er hatte keine Ahnung, wo genau diese Mikrosteuerung war. Nirgends konnte er den weißen Kreis erkennen. Der von unten beleuchtete Kunststoffboden war von golfballgroßen Staubkörnern übersät. Er schaute nach oben und fragte sich, was wohl mit Karens Flugzeug geschehen war. Er konnte es nirgends sehen. Der Boden war eine einzige Schmutzfläche.
Er hörte ein Geräusch, dass wie »Uff!« klang. Karen King war gefühlte dreißig Meter entfernt wie eine Katze auf beiden Füßen gelandet. Auch sie hatte beschlossen, aus ihrer Maschine auszusteigen. Sie hielt ihre Machete in der Hand und schaute zu den Robotern hinauf. Etwa ein Dutzend von ihnen zerlegten gerade hoch über ihren Köpfen ihre Flugzeuge in kleine Stücke. Deren Trümmerteile regneten auf sie herab. Im Moment schienen die Roboter noch vollauf mit diesem Flugzeugschlachtfest beschäftigt zu sein und sich um die beiden Menschen nicht zu kümmern.
»Da drüben!«, rief Karen und deutete mit ihrer Machete in eine ganz bestimmte Richtung.
Jetzt konnte auch er den weißen Ring erkennen. Er war erstaunt, wie weit entfernt er noch war. Sie rannten, so schnell es ging, zum Ring hinüber, ein regelrechter Hindernislauf, bei dem sie ständig über Trümmerteile und Schmutzpartikel springen mussten. Rick stolperte schließlich beim Sprung über ein menschliches Haar und fiel der Länge nach zu Boden.
Er rappelte sich wieder hoch, hatte jedoch Karen aus den Augen verloren. »Karen?«, rief er nach ihr.
Hoch über ihm hatten die Roboter die Flugzeuge endgültig zerstückelt. Jetzt flogen sie herum, schwebten manchmal auf der Stelle, um dann wieder loszustürmen und sich quer über den Raum zu verteilen. Sie schienen wieder auf der Suche zu sein. Rick fragte sich, ob die Roboter sie wohl sehen konnten, wenn sie hier auf dem Boden rannten. Immer noch fielen Roboter von den Wänden und der Decke herunter. Inzwischen mussten wenigstens hundert von ihnen auf der Jagd nach Eindringlingen sein. Ob sie wohl miteinander kommunizierten? Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sie finden würden.
1. NOVEMBER, 5:10 UHR
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