Der Geschäftsführer zog die Brauen hoch. »Bereits seit es erbaut wurde«, sagte er. »Davor leitete ich das alte Electra in der 43. Straße. Es gehört auch Gordon Davis«, erklärte er.
»Oh!« Der Inspektor schien angestrengt nachzudenken. »Dann müßten Sie dieses Theater von oben bis unten ganz genau kennen, Sie müßten mit seiner Bauweise in gleicher Weise vertraut sein wie der Architekt – oder?«
»Ich kenne es so ziemlich durch und durch, ja«, bekannte Panzer und lehnte sich zurück.
»Das ist ausgezeichnet. Ich werde Sie vor ein kleines Problem stellen, Panzer … Gesetzt den Fall, Sie wollten irgendwo in diesem Gebäude – nehmen wir einmal an – einen Zylinder verbergen und zwar so, daß selbst eine gründliche Durchsuchung ihn nicht zum Vorschein bringen würde. Wo würden Sie ihn verstecken?«
Panzer blickte nachdenklich auf seine Zigarette. »Eine ziemlich ungewöhnliche Frage, Inspektor«, sagte er schließlich, »und eine, die nicht leicht zu beantworten ist. Ich kenne die Baupläne für das Theater sehr genau; bevor es gebaut wurde, hat man mich in einer Besprechung mit dem Architekten zu Rate gezogen. Und ich kann eindeutig versichern, daß die Originalpläne keine mittelalterlichen Einrichtungen wie Geheimgänge, versteckte Kammern oder ähnliches vorsahen. Ich könnte eine Reihe von Plätzen aufzählen, an denen man einen verhältnismäßig kleinen Gegenstand wie einen Zylinder verstecken könnte, aber keiner von ihnen würde bei einer wirklich gründlichen Durchsuchung unentdeckt bleiben.«
»Ich verstehe.« Dem Anschein nach enttäuscht blickte der Inspektor auf seine Fingernägel. »Das hilft uns also auch nicht weiter. Wie Sie wissen, sind wir das Gebäude von oben bis unten durchgegangen, konnten aber nichts finden …«
Die Tür ging auf und Ellery trat ein – zwar ein wenig beschmutzt, aber mit einem vergnügten Lächeln. Der Inspektor blickte ihn voller Neugierde an. Panzer erhob sich zögernd, anscheinend in der Absicht, Vater und Sohn allein zu lassen. Die beiden verständigten sich mit einem Blick.
»Es ist schon in Ordnung – bleiben Sie ruhig hier«, sagte der Inspektor entschieden. »Wir haben keine Geheimnisse vor Ihnen. Nehmen Sie Platz!« Panzer setzte sich.
»Glaubst du nicht auch, Vater«, bemerkte Ellery, der sich auf den Rand des Schreibtischs gesetzt hatte und nun nach seinem Kneifer griff, »daß dies die passende Gelegenheit wäre, Mr. Panzer von der heutigen Wiedereröffnung des Theaters in Kenntnis zu setzen? Du entsinnst dich doch, daß wir in seiner Abwesenheit zu der Entscheidung gekommen sind, das Theater heute abend wieder dem Publikum zugänglich zu machen und eine reguläre Vorstellung zuzulassen.«
»Wie konnte ich das nur vergessen!« sagte der Inspektor, ohne mit der Wimper zu zucken, obwohl er zum ersten Mal von dieser angeblichen Entscheidung vernahm. »Ich denke, Panzer, wir sind so weit, die Schließung des Theaters wieder aufzuheben. Wir haben festgestellt, daß wir hier nichts weiter machen können; es gibt also keinen Grund mehr, Sie auch weiterhin um Ihr Publikum zu bringen. Sie dürfen also die Vorstellung heute abend stattfinden lassen; es ist uns sogar sehr daran gelegen, daß die Vorstellung stattfindet, nicht wahr, Ellery?«
»›Gelegen‹ ist kaum das richtige Wort«, sagte Ellery und zündete sich eine Zigarette an. »Ich würde sagen, wir bestehen darauf.«
»Ganz genau«, brummte der Inspektor streng. »Wir bestehen darauf, Panzer.«
Mit strahlendem Gesicht war der Geschäftsführer von seinem Stuhl aufgestanden. »Das ist einfach wunderbar, Gentlemen!« rief er. »Ich werde sofort Mr. Davis anrufen, um ihm die gute Nachricht mitzuteilen. Natürlich ist es schon schrecklich spät« – sein Gesicht wurde länger – »und man kann keinen Publikumsandrang mehr für heute abend erwarten. Eine so kurzfristige Ankündigung …«
»Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, Panzer«, entgegnete der Inspektor. »Ich habe die Schließung veranlaßt, und ich werde Sorge tragen, daß das Theater dafür heute abend entschädigt wird. Ich werde die Jungs von der Zeitung anrufen und sie bitten, in der nächsten Ausgabe groß Reklame für die Wiedereröffnung zu machen. Das macht die Angelegenheit bekannt, und zweifellos wird Ihnen diese kostenlose Werbung in Verbindung mit der natürlichen Neugierde der Leute einen ausverkauften Abend bescheren.«
»Das ist wirklich anständig von Ihnen, Inspektor«, sagte Panzer und rieb sich die Hände. »Gibt es noch etwas, was ich im Augenblick für Sie tun kann?«
»Eine Sache hast du noch vergessen, Vater«, warf Ellery ein. Er wandte sich an den kleinen dunkelhäutigen Geschäftsführer. »Würden Sie bitte dafür sorgen, daß die Plätze LL32 und LL30 heute abend nicht verkauft werden? Der Inspektor und ich würden uns gerne die Vorstellung ansehen. Bisher hatten wir ja noch nicht das Vergnügen. Selbstverständlich wünschen wir, daß darüber striktes Stillschweigen gewahrt wird, Panzer – wir legen keinen Wert auf die Lobhudelei der Massen. Sie werden es geheim halten.«
»Ganz wie Sie sagen, Mr. Queen. Ich werde den Kassierer anweisen, diese Karten beiseite zu legen«, antwortete Panzer freundlich. »Und dann, Inspektor – ich glaube, Sie sagten, Sie würden der Presse Bescheid geben?«
»Ja, sicher.« Queen nahm das Telefon und unterhielt sich sehr nachdrücklich mit den Lokalredakteuren einiger Blätter der Stadt. Als er damit fertig war, verabschiedete Panzer sich eilig von ihnen, um dann selber am Telefon tätig zu werden.
Inspektor Queen und sein Sohn schlenderten hinaus in den Zuschauerraum, wo Flint und die beiden Polizisten, die die Logen durchsucht hatten, auf sie warteten.
»Ihr bleibt weiter draußen vor dem Theater«, ordnete der Inspektor an. »Seid heute nachmittag besonders aufmerksam. Hat jemand von euch etwas gefunden?«
Flint blickte finster. »Ich sollte besser am Strand Muscheln suchen gehen«, sagte er verärgert. »Ich hab’ schon am Montag versagt, Inspektor, und ich hab’ verdammt noch mal auch heute rein gar nichts für Sie finden können. Oben auf dem Balkon ist alles wie leergefegt. Vielleicht sollte ich mich wieder dem Gewichtheben widmen.«
Queen klopfte dem großen Detective auf die Schulter. »Was ist denn mit Ihnen los? Seien Sie doch nicht kindisch. Wie um alles in der Welt hätten Sie denn etwas finden können, wenn es überhaupt nichts zu finden gab? Habt ihr etwas gefunden?« fragte er und drehte sich zu den beiden anderen Männern um.
Verdrießlich schüttelten sie den Kopf.
Wenig später stiegen der Inspektor und Ellery in ein Taxi und machten es sich für die kurze Strecke zum Präsidium bequem. Der alte Mann schloß sorgfältig die Trennscheibe zwischen dem Fahrersitz und dem Fahrgastraum.
»Und nun, mein Sohn«, sagte er grimmig zu Ellery, der verträumt an einer Zigarette zog, »erklärst du gefälligst deinem Vater, was dieser Hokuspokus in Panzers Büro sollte!«
Ellery preßte die Lippen zusammen. Er blickte auf die Straße hinaus, bevor er antwortete. »Ich will folgendermaßen beginnen«, sagte er. »Du hast bei deiner Suche heute nichts gefunden. Deine Leute auch nicht. Und obwohl ich selbst auf die Suche gegangen bin, war ich genauso erfolglos. Du mußt dich also damit abfinden: Der Hut, den Monte Field zur Aufführung von ›Spiel der Waffen‹ am Montag abend trug, mit dem er noch zu Beginn des zweiten Akts gesehen wurde und den der Mörder vermutlich nach der Tat wegnahm, befindet sich nicht mehr im Römischen Theater und war dort auch bereits seit Montag nacht nicht mehr. Weiter im Text.« Queen blickte ihn mit verkniffenem Gesichtsausdruck an. »Aller Wahrscheinlichkeit nach existiert Fields Zylinder überhaupt nicht mehr. Ich würde meinen Falconer gegen deine Schnupftabakdose setzen, daß er aus dem bisherigen Leben geschieden und bereits als Asche auf der städtischen Mülldeponie wiedergeboren ist. Soweit zu Punkt eins.«
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