»Man hat mir gesagt, ich müsse diese Aufzeichnungen für die britische Krone sicherstellen, da es sehr wichtig für unser Land sei, dass die East India Company nicht geschwächt würde. Ich halte mich für einen Patrioten, Hale, aber am meisten liegen mir die Menschen dieses Landes am Herzen, seine Verfassung, die Freiheiten und Möglichkeiten, die es uns bietet - und nicht seine großen Handelshäuser. Nur zu gerne habe ich die Pläne der Franzosen vereitelt, doch das bedeutet nicht, dass ich nicht mit eigenen Augen die Gefahr erkenne, die davon ausgeht, wenn man die Zügel des Königreiches Männern überlässt, denen nur an Geld und ihrem Profit gelegen ist.«
»Was willst du dann mit diesen Aufzeichnungen tun?«, fragte er.
»Ich werde sie den Männern und den Frauen zukommen lassen, die diesem Königreich nicht mit finsteren Machenschaften, sondern mit ihrer Hände Arbeit dienen.« Ich griff in meine Tasche, zog Peppers Oktavband hervor und gab ihn ihm. »Ich übergebe dies den Seidenwebern.«
Hale sagte nichts. Er zog die Petroleumlampe näher zu sich heran und begann, in dem Büchlein zu blättern. »Du weißt, dass ich nicht lesen kann.«
»Dann musst du dich an die wenden, die es können, aber selbst sie wird es wohl einige Zeit kosten, bis sie den Inhalt entschlüsselt haben. Und doch werden du und deine Männer irgendwann dahinterkommen, und dann werdet ihr in der Lage sein, nach eurem Gutdünken eure Bedingungen zu diktieren. Ich bitte dich lediglich darum, den Schatz mit deinen Arbeitern zu teilen, nicht darum, das zu werden, was du verachtest. Dieses Buch enthält die Verheißung von Reichtum, der über die Generationen erhalten bleiben wird, und ich hoffe, du wirst mir dein Wort geben, ihn großzügig zu verteilen und dich nicht von Gier packen zu lassen.«
Er nickte. »Ja«, hauchte er ein wenig kurzatmig. »Ja, das kann ich tun, Weaver. Es mag mir zu meinen Lebzeiten nicht viel einbringen, aber ich werde mein Bestes versuchen. Doch sag mir - möchtest du nicht etwas davon für dich beanspruchen?«
Ich lachte. »Solltest du dennoch zu Geld kommen und mir ein Geschenk machen wollen, können wir das zu gegebener Zeit bereden, aber nicht jetzt. Ich will das Geld nicht mit dir gemeinsam anlegen. Wie du dich erinnern dürftest, habe ich dich um einen Gefallen gebeten, darum, mich in einer Aufgabe zu unterstützen, die ich zwar gehasst habe, aber dennoch erfüllen musste. Das hast du getan und keinerlei Gegenleistung von mir verlangt - was auch gar nicht in meiner Macht gestanden hätte. Ich gebe dir dies an Stelle dessen, was ich dir schuldig geblieben bin, und ich hoffe, du siehst damit meine Schuld dir gegenüber als beglichen an.«
»Unter diesen Bedingungen schlage ich ein«, sagte er. »Gott segne dich.«
Mir würden vor meiner nächsten Unterredung kaum mehr als ein paar Stunden Zeit für Schlaf bleiben, aber ich war entschlossen, mir zu gönnen, was ich brauchte. Ich sandte nach Elias, dass er mich um elf an diesem Vormittag in meiner Wohnung aufsuchen möge, was uns Zeit genug geben sollte, uns auf die Anteilseignerversammlung vorzubereiten. Was ich Celia Glade sagen würde, wenn sie Peppers Aufzeichnungen von mir verlangte, hatte ich mir noch nicht zurechtgelegt.
Vielleicht würde ich ihr einfach die Wahrheit sagen. Und doch hätte ich mir nichts mehr gewünscht, als ihrem Wunsch zu entsprechen, und sei es nur, um festzustellen, ob es in ihr etwas zu entdecken gab, was nicht mit Winkelzügen und Versteckspielen zu tun hatte.
Um halb elf erschien sie auch pünktlich auf der Bildfläche. Zum Glück war ich nach einer Stunde Schlaf schon wieder wach und angekleidet - und wenn ich mich auch nicht im Vollbesitz meiner Verstandeskraft befand, war ich doch immerhin auf alles vorbereitet, was sie zu mir sagen mochte.
»Sie sind also in das Haus eingedrungen?«, wollte sie wissen.
Ich erwiderte ihr Lächeln so herzlich, wie es mir möglich war. »Es ist mir gelungen, Mr. Franco zu befreien, doch die Pläne habe ich nicht finden können. Edgar wusste von nichts, und Hammond hat sich das Leben genommen. Ich habe alle Räume gründlich durchsucht, aber ich habe keine Spur davon entdeckt.«
Sie erhob sich rasch, wobei ihre Röcke flatterten wie Blätter an einem windigen Herbsttag.
»Sie haben sie nicht finden können«, wiederholte sie nicht ohne eine Spur Skepsis.
»Nein, tatsächlich nicht.«
Sie stand, die Fäuste in die Hüften gestemmt, vor mir und musterte mich. Vielleicht bemühte sie sich, verärgert zu wirken - oder sie war es wirklich -, aber in diesem Augenblick erschien sie mir als so atemberaubend schön, dass ich drauf und dran war, alles zuzugeben. Doch ich widerstand der Versuchung.
»Sie sind nicht ehrlich zu mir«, erklärte sie.
Ich erhob mich ebenfalls, um von Angesicht zu Angesicht mit ihr zu sprechen. »Madam, es tut mir leid, dass Sie mich zu einem so trivialen Vergleich zwingen, aber in diesem Fall muss ich sagen, dass die Sauce für die Gans auch als Sauce für den
Ganter herhalten muss. Sie behaupten, ich würde die Wahrheit vor Ihnen verbergen? Bei wie vielen Gelegenheiten sind Sie nicht aufrichtig mir gegenüber gewesen? Wie oft haben Sie mich belogen?«
Ihre Züge entspannten sich ein wenig. »Ich habe immer versucht, ehrlich mit Ihnen zu sein.«
»Sind Sie überhaupt Jüdin?«, verlangte ich zu wissen.
Sie seufzte. »Selbstverständlich bin ich das. Glauben Sie, ich würde so etwas erfinden, um mir Ihr Vertrauen zu erschleichen?«
»Der Gedanke ist mir durchaus gekommen. Wenn Sie wirklich sind, wer Sie zu sein behaupten, warum verfallen Sie dann in unbedachten Augenblicken in einen französischen Akzent?«
Ihre Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. Wahrscheinlich gefiel es ihr nicht, so bloßgestellt zu werden, aber ich wusste, dass sie nicht umhinkonnte, mir Anerkennung zu zollen, weil ich ihr dahintergekommen war.
»Alles, was ich Ihnen von meiner Familie erzählt habe, entspricht der Wahrheit«, sagte sie. »Außer, dass ich meine ersten zwölf Lebensjahre in Marseille verbracht habe - ein Ort, wie ich hinzufügen darf, an dem Juden meiner Sorte seitens der Juden der Ihren nicht besser angesehen sind als hier. Aber was bedeutet diese Geringfügigkeit schon?«
»Sie hätte vielleicht gar nichts bedeutet, wenn Sie sie nicht vor mir verschwiegen hätten.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe es Ihnen verschwiegen, weil ich von den Umtrieben der Franzosen wusste und nicht wollte, dass Sie auf den Verdacht kommen, ich könne etwas damit zu schaffen haben. Weil ich Ihnen nicht alles sagen konnte, wollte ich das vor Ihnen verbergen, was Sie zu einer verkehrten Mutmaßung hätte verleiten können.«
»Und indem Sie das taten, haben Sie nur umso mehr meinen Argwohn geweckt.«
»Ja, so ist es leider, nicht wahr?«
Wie in unausgesprochenem gegenseitigen Einvernehmen setzten wir uns wieder.
»Und die Geschichte aus Ihrer frühen Jugend? Das mit dem Tod Ihres Vaters, seinen Schulden - und Ihrem Beschützer?«
»Auch das stimmt alles. Ich habe lediglich zu erwähnen versäumt, dass dieser Mann über nicht unerheblichen Einfluss im Ministerium verfügte und seitdem noch einflussreicher geworden ist. Er war es, der meine Talente erkannt hat und mich ersucht hat, meinem Land zu dienen.«
»Indem Sie meine Freunde verführen und derlei Dinge?«
Sie blickte verschämt zu Boden. »Glauben Sie allen Ernstes, ich hätte mich Mr. Gordon hingeben müssen, um an die Informationen zu gelangen, die ich brauchte? Er mag ein guter Freund und ein wackerer Gefährte sein, aber er ist nicht recht dafür geschaffen, einer Frau einen Wunsch abzuschlagen. Ich hätte mir sein Interesse an mir zum Vorteil machen können, aber ich wollte nicht, dass ein Schatten über eine Freundschaft fällt, weil ich mich auf seine Avancen einlasse - dafür achte ich Sie zu sehr.«
Читать дальше