«Möchten Sie wirklich?«
«Ja, sehr gern.«
Er nickte zufrieden.»Na schön. Mackie, richte Bob bitte aus, er soll Touchy für John satteln, falls du vor mir auf dem Hof bist.«
«In Ordnung.«
«Touchy hat den Cheltenham Gold Cup gewonnen«, informierte mich Gareth.
«Tatsächlich? Schönes Arbeitspferd.«
«Keine Bange«, lächelte mir Mackie zu,»er hat inzwischen fünfzehn Jahre auf dem Buckel und ist schon fast ein Gentleman.«
«Normalerweise schmeißt er die Leute nur freitags runter«, beruhigte mich Gareth.
Am nächsten Morgen, einem Freitagmorgen, angetan mit Reithosen, Stiefeln, Anorak und Handschuhen, ging ich nicht ohne Beklemmungen zu den Stallungen hinüber. Ich hatte schon beinahe zwei Jahre auf keinem Pferd mehr gesessen, und egal was Mackie sagen mochte, meine Vorstellung von einer behutsamen Rückkehr in den Sattel sah nicht gerade vor, in dem eines erstklassigen Jagdpferdes, pensioniert oder nicht pensioniert, zu landen. Touchy war ein Koloß mit ausgeprägten Muskeln; die brauchte er auch, fiel mir ein, um Tremaynes Gewicht auszuhalten. Bob Watson begrüßte mich mit einem Helm in der Hand und einem Grinsen; er half mir in den Sattel. Von dort oben war der sichere Erdboden ziemlich weit entfernt.
Also gut, dachte ich. Viel Spaß. Ich habe gesagt, ich kann reiten. Jetzt ist die Zeit der Wahrheit gekommen. Tremayne, der mich aufmunternd mit schräggestelltem Kopf beobachtete, riet mir, mich hinter Mackie zu halten, die die Führung der Gruppe übernehmen würde. Er selbst kam mit dem Traktor hinterher. Ich könne Touchy in strammem Trab auf der Allwetterstrecke ausreiten, sobald die anderen fertig seien.
«Alles klar«, sagte ich.
Er lächelte versteckt und ging davon, und ich faßte die Zügel und ein paar entschlossene Gedanken und versuchte, mich nicht selbst zum Clown zu machen.
Bob Watson erschien noch einmal an meinem Ellenbogen.
«Halten Sie ihn zurück, wenn er losgaloppieren will«, teilte er mir mit,»sonst reißt er Ihnen die Arme ab.«
«Danke sehr«, sagte ich, doch er war schon wieder weg.
«Heraus mit euch!«rief er, und schon kamen sie alle aus ihren Boxen, stampften im Lampenlicht, drehten sich mit dampfenden Nüstern, als Bob die Burschen in die Sättel hievte, alles wie gehabt, nur war ich jetzt ein Teil davon, war mitten auf der Leinwand, wie in einem lebenden Gemälde von Munnings, unglaublich.
Ich folgte Mackie zum Hof hinaus, über die Straße auf den Heideweg und fand schnell heraus, daß Touchy aus Gewohnheit sehr wohl wußte, was er zu tun hatte, und daß er auf Fersendruck besser reagierte als auf kräftige Anweisungen mit den Zügeln in seinem zähen alten Maul.
Mackie drehte sich mehrmals um, um sich zu vergewissern, daß ich mich nicht in Luft aufgelöst hatte, und sie beobachtete mich, als ich mit den anderen im Kreise ritt, während wir auf Tremaynes Ankunft warteten und es allmählich heller wurde.
Sie kam neben mich und fragte:»Wo haben Sie reiten gelernt?«
«In Mexiko.«
«Dann hat Sie ein Spanier unterrichtet!«
«Ja, stimmt.«
«Ließ er Sie mit verschränkten Armen reiten?«
«Ja, woher wissen Sie das?«»Habe ich mir gedacht. Bei Touchy sollten Sie die Ellenbogen lieber anlegen.«
«Danke.«
Sie lächelte und ritt davon, um die Reihenfolge zu bestimmen, in der die einzelnen Gruppen auf die Galoppstrecke gehen sollten.
Noch immer war alles von einer dünnen Schneedecke bestäubt; es war wieder ein klarer Morgen, beißend kalt und wunderschön. Ein winterlicher Sonnenaufgang in den Downs; einmal erlebt, nie vergessen.
Eine Gruppe nach der anderen verschwand auf der mit Sägespänen bestreuten Strecke, bis zuletzt nur noch Mackie und ich übrig waren.
«Ich halte mich zu Ihrer Rechten«, sagte sie, schräg versetzt hinter mir.»So kann Tremayne sehen, wie Sie reiten.«
«Heißen Dank«, sagte ich ironisch.
«Sie schaffen das schon.«
Plötzlich schwankte sie im Sattel, und ich streckte meine Hand aus, um sie zu stützen.
«Geht es Ihnen nicht gut?«fragte ich besorgt.»Sie hätten sich nach diesem Schlag gegen den Kopf länger schonen sollen. «Sie war blaß und hatte die Augen weit aufgerissen. Beunruhigend.
«Nein… ich…«Sie schnaufte unregelmäßig.»Mir war nur auf einmal. oh. oh.«
Sie schwankte wieder und sah aus, als würde sie ohnmächtig werden. Ich beugte mich zu ihr hinüber und legte meinen rechten Arm um ihre Taille; ich hielt sie fest, damit sie nicht vom Pferd fallen konnte. Sie sackte zusammen und hing schlaff in meinem Arm, bis ich sie richtig stützen konnte. Da sie eine Hand in die Zügel geschlungen hatte, blieb ihr Pferd dicht bei meinem stehen, die Köpfe der Tiere berührten sich beinahe.
Ich nahm ihre Zügel in meine Linke, hielt sie mit der Rechten fest gepackt, und als ihr Pferd den Rumpf leicht zur Seite bewegte, rutschte sie vollends aus dem Sattel und lag sodann, nur von meinem Griff gehalten, halb auf meinem Knie und halb auf Touchys Schulter.
Ich durfte sie nicht fallen lassen, und ich konnte auch nicht absteigen, ohne daß sie mir aus dem Arm geglitten wäre, und so zog ich sie mit beiden Händen weiter herauf, bis sie schließlich halb auf Touchys Sattel saß, halb lag, und von meinen Armen gehalten wurde. Touchy war davon nicht sehr begeistert, und Mackies Pferd hatte einen Satz zur Seite gemacht, so weit ihm das die Zügel erlaubten; es war kurz davor, sich loszureißen. Ich überlegte mir, ob ich es nicht einfach loslassen sollte, trotz der eisigen Gefahren, die hier draußen überall auf es lauerten. Vielleicht würde es mir gelingen, den doppelt beladenen Touchy zurück zum Stall zu bringen, womit ein schlimmeres Unglück als Mackies Bewußtlosigkeit verhindert wäre. Die Dringlichkeit, Hilfe für sie herbeizuschaffen, eröffnete mehr Möglichkeiten, als ich mir hätte vorstellen können.
Touchy bekam ein unmißverständliches Zeichen von meinem Schenkel und machte sich gehorsam auf den Heimweg. Ich entschloß mich, Mackies Pferd so lange am Zügel mitzuführen, wie es sich das gefallen ließ, und wie durch ein Wunder verstand es, daß es wieder nach Hause ging und sträubte sich nicht länger.
Wir hatten ungefähr drei Schritte auf diese Weise zurückgelegt, als Mackie aufwachte und sofort voll da war, als hätte jemand das Licht wieder angeschaltet.
«Was ist passiert..?«»Sie sind ohnmächtig geworden und hier herübergekippt.«
«Das kann doch nicht sein. «Sie mußte jedoch einsehen, daß es sehr wohl geschehen war.»Lassen Sie mich bitte herunter. Mir ist furchtbar schlecht.«
«Können Sie stehen?«Ich war besorgt.»Oder soll ich Sie besser so nach Hause bringen?«
«Nein. «Sie drehte sich auf den Bauch und ließ sich hinabrutschen, bis sie mit den Füßen den Boden berührte.»Wie dumm von mir«, sagte sie.»Mir geht es wieder besser, wirklich. Geben Sie mir bitte meine Zügel.«
«Mackie.«
Plötzlich drehte sie sich von mir weg und erbrach sich, von Krämpfen geschüttelt, in den Schnee.
Ich sprang mit beiden Zügeln in den Händen ab und versuchte, ihr zu helfen.
«O je«, sagte sie mit schwacher Stimme und suchte nach einem Taschentuch,»Ich muß irgend etwas Mieses gegessen haben.«
«Meine Kochkünste können es nicht gewesen sein.«
«Nein. «Sie fand das Tuch und lächelte gequält. Sie und Perkin waren am Vorabend nicht zum Essen — es gab Brathähnchen — geblieben.»Ich fühle mich schon seit einigen Tagen nicht wohl.«
«Gehirnerschütterung«, vermutete ich.
«Nein, schon vorher. Vielleicht die Anspannung wegen der Verhandlung. «Sie atmete einige Male tief durch und putzte sich die Nase.»Ich bin wieder in Ordnung. Das verstehe ich nicht.«
Sie blickte mich verwirrt an, und ich sah ganz deutlich, wie ihr ein Gedanke in den Kopf fuhr, der ihren Gesichtsausdruck von Erstaunen in Hoffnung und dann. in Freude verwandelte.
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