Dick Francis - Gefilmt

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Edward Lincoln ist ein berühmter Schauspieler. Auf der Leinwand mimt er den mutigen Helden, den stürmischen Liebhaber und liefert den Verbrechern halsbrecherische Verfolgungsjagden. Außerhalb der Filmstudios ist er nichts als ein zufriedener Familienvater und gewöhnlicher Bürger. Südafrika, wo Lincoln für seinen jüngsten Film Werbung machen soll, ist nun allerdings nicht gewöhnlich. Dort lauern die Gefahren nicht nur vor der Kamera: eine bis oben mit Sprengstoff gefüllte Goldmine, ein Naturreservat voller Raubtiere und ein unheilvolles Gestüt feuriger Vollblutpferde, die kein einziges Rennen gewinnen… Seine beste Rolle spielt Lincoln ohne Drehbuch, fern der klimatisierten Filmstudios, in der sengenden Afrikasonne. Und diesmal ist es kein Spiel.
«Francis wählt für jedes Buch eine völlig neue Konstellation, er stellt jeweils neue Hauptfiguren in den Mittelpunkt und vermeidet bewußt den Seriencharakter, wie man ihn bei anderen Krimi-Autoren häufig findet. Ungewöhnlich knapp, bissig und scharfsinnig sind die Dialoge, die seinen Büchern den typischen Francis-touch verleihen. Zudem sind die Helden keine schießwütigen James-Bond-Draufgänger, sondern eher nachdenkliche, intelligente Softies, die allerdings kein Pardon mehr kennen, wenn sie von unbelehrbaren Schurken herausgefordert werden.«

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Sie lachten. Nein, sagten sie; das wollten sie nicht.

Sie kamen wieder aufs Kino zurück und stellten Fragen, die zu beantworten ich mich eher imstande fühlte.

Traf es zu, daß ich als Stuntman angefangen hatte? So ungefähr, sagte ich. Ich hatte Pferde durch alle möglichen Filmkulissen geritten, durch die Wälder von Robin Hood über Bosworth Field hin zum Angriff der leichten Kavallerie. Bis mich eines Tages während einer kleinen Soloszene ein Regisseur zu sich rief, mir ein paar Worte zu sprechen gab und mir sagte, ich sei im Geschäft. Eine richtig romantische Geschichte, tut mir leid, doch manchmal passiert es eben tatsächlich so.

Und dann? Oh, dann bekam ich einen besseren Part in seinem nächsten Film. Und wie alt war ich damals? Zweiundzwanzig, frisch verheiratet, lebte in einer Souterrainwohnung in Hammersmith von Bohnen aus der Dose und nahm abends immer noch Sprach- und Schauspielunterricht wie schon seit drei Jahren.

Ich stand mehr oder weniger in der Mitte des Raums, als die Tür sich hinter mir öffnete. Clifford Wenkins wandte den Kopf, um zu sehen, wer es war, zog verwirrt die Stirn kraus und eilte hinüber, um die Situation zu klären.

«Hier können Sie leider nicht rein«, sagte er.»Der Saal ist reserviert. Privater Empfang. Tut mir leid, aber würden Sie bitte — na hören Sie, das geht doch nicht… der Saal ist reserviert. Ja, hat man noch — «

Ich entnahm daraus, daß Wenkins den kürzeren zog. Eigentlich nicht überraschend.

Dann spürte ich die Pranke auf der Schulter und hörte die vertraute sonore Stimme.

«Link, mein lieber Junge. Sagen Sie diesem — äh — Menschen, daß wir gute alte Freunde sind. Er möchte anscheinend nicht, daß ich hereinkomme. Also, ich bitte Sie!«

Ich drehte mich um. Staunte nicht schlecht. Sagte zu Wenkins:

«Vielleicht kann er doch bleiben. Ich kenne ihn. Es ist ein Kameramann.«

Conrad zog jäh die Brauen hoch.»Chefkameramann, mein Junge! Als ob ich ein Schwenker wär’.«

«Verzeihung«, sagte ich ironisch.»Ein Scotch gefällig?«

«Na, so, mein Junge, ist das schon besser.«

Wenkins gab sich geschlagen und ging einen Drink für Conrad holen. Conrad schaute sich die entspannte Atmosphäre an, den wabernden Qualm, die leeren Tassen und halbleeren Gläser und die freundlichen Medienvertreter, die sich in Gruppen beieinandersitzend unterhielten.

«Mein Gott«, sagte er.»Du meine Güte. Das haut mich um. Ich hab’ es wirklich nicht geglaubt, als die mir sagten, Edward Lincoln gäbe in diesem Moment hier in Johannesburg eine Pressekonferenz. Ich hab’ gewettet, daß das nicht stimmt. Da sagten sie mir, wo. In dem Nobelzimmer oben im Randfontein. Ich solle mich selbst überzeugen. Und es stimmt.«

Gelächter stieg grollend irgendwo in seinem Bauch auf und brach als schallender Lachhusten hervor.

«Seien Sie doch still«, sagte ich.

Er breitete die Arme in einer den Raum umfassenden Gebärde.»Die wissen nicht, die wissen einfach nicht, was sie hier sehen, ja? Die haben keine Ahnung.«

«Seien Sie doch still, Conrad, verdammt«, sagte ich.

Er keuchte und schnaufte, so schwer fiel es ihm, das Lachen zu unterdrücken.»Mein lieber Junge. Ich habe nicht gewußt, daß Sie das können. Außer vor der Kamera, meine ich. Ein Dompteur und lauter zahme Tiger, die ihm aus der Hand fressen. Na, wenn das Evan hört.«»Wird er wohl kaum«, sagte ich beruhigt.»Nicht auf der anderen Seite des Erdballs.«

Er schüttelte sich vor Vergnügen.»O nein, mein Junge. Der ist hier mitten in Johannesburg. Praktisch eine Straße weiter.«

«Sagen Sie bloß!«

«Wir sind seit Sonntag hier. «Er würgte den letzten Rest seines Gelächters ab und wischte sich mit dem Daumen über die Augen.»Essen Sie mit mir zu Mittag, Junge, dann erzähl’ ich Ihnen alles genau.«

Ich sah auf meine Uhr. Zwanzig nach zwölf.

«Ja, gut. Ich muß nur erst noch was auf Band sprechen, wenn die hier ein Ersatzmikrofon aufgetrieben haben.«

Roderick Hodge löste sich von einer Gruppe am Fenster und kam mit einem herausgeputzten Mädchen an, während Clifford Wenkins mit Conrads Drink herbeieilte.

Das Mädchen, die vorgesehene Interviewerin für das Frauenprogramm, hatte ein Gesicht, das bei jeder anderen reizlos gewesen wäre; aber sie hatte auch einen wuscheli-gen braunen Lockenkopf, eine riesige, gelbgerahmte Sonnenbrille auf der Nase und eine besenstielartige Figur, die in einem braun-orange karierten Hosenanzug steckte. Die spontane Freundlichkeit ihres Auftretens bewahrte sie davor, als Karikatur zu erscheinen. Conrad würdigte ihre Farbwerte mit anerkennenden Blicken, während er erklärte, daß er in jüngster Zeit vier Filme mit mir gedreht habe.

Rodericks Aufmerksamkeit konzentrierte sich wie ein scharf eingestelltes Objektiv.

«Wie ist er bei der Arbeit?«wollte er wissen.

«Das ist nicht fair«, sagte ich.

Weder Roderick noch Conrad hörten mir zu. Conrad sah mich abwägend an, schürzte die Lippen, hielt eine Hand hoch und bog einen Finger nach dem anderen um, während er sich die Worte auf der Zunge zergehen ließ.

«Patent, potent, pünktlich, professionell und puritanisch.«

Und weithin hörbar flüsterte er mir zu:»Na, wie war das?«

«Dilettant«, sagte ich.

Roderick stürzte sich wie vorauszusehen auf den letzten Punkt.»Puritanisch. Wie meinen Sie das?«

Conrad amüsierte sich glänzend.»Seine Filmpartnerinnen bemäkeln alle, daß er sie gekonnt, aber nicht mit Gefühl küßt.«

Ich konnte förmlich sehen, wie die Schlagzeilen in Rodericks Kopf entstanden. Seine Augen strahlten.

«Meine Söhne mögen das nicht«, sagte ich.

«Was denn?«

«Als der ältere mich mal im Film eine Frau hat küssen sehen, die nicht seine Mutter war, hat er eine Woche nicht mit mir geredet.«

Sie lachten.

Aber damals war das keineswegs lustig gewesen. Peter hatte zudem — mit fünf Jahren — wieder angefangen, sein Bett naßzumachen, und sehr viel geweint, und ein Kinderpsychiater hatte uns gesagt, er tue das, weil er verunsichert sei; er habe das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren, weil Papi andere Frauen küßte und sich mit Mami zu Hause zankte. Das war so bald nach Libbys Unfall eingetreten, daß wir uns fragten, ob er sich darüber auch grämte; aber wir hatten ihm nie gesagt, daß Libby krank geworden war, weil er sie fallengelassen hatte, und hatten auch nicht vor, es zu tun. Man durfte ein Kind nicht mit solchen Erkenntnissen belasten, denn ein sinnloses, unnützes Schuldgefühl konnte es in seiner ganzen Entwicklung fehllenken.

«Was haben Sie dagegen gemacht?«fragte das Mädchen mitfühlend.

«Ihn zum Ausgleich in ein paar gute, anständige Horrorfilme mitgenommen.«

«Ganz bestimmt«, sagte Conrad.

Clifford Wenkins kam aufgeregt von einer seiner hurtigen Beschaffungstouren zurück. Wieder lag der Schweiß in perlengroßen Tropfen auf seiner faltigen Stirn. Ich fragte mich flüchtig, wie er wohl zu Rande kam, wenn es Sommer wurde.

Er drückte mir triumphierend ein Mikrofon in die Hand. Das Kabel lief in die Ecke, wo die Aufzeichnungsgeräte standen.»So, das wär’s — äh — das hätten wir. «Er blickte in unnötiger Verwirrung von mir zu dem Mädchen.»Bitte schön, Katya. Ähm — alles klar, denke ich.«

Ich blickte zu Conrad. Ich sagte:»Gestern beim Pferderennen habe ich genau ein Wort Afrikaans gelernt, und das können Sie jetzt mal machen, während ich das Interview aufnehme.«

Conrad sagte argwöhnisch:»Was für ein Wort?«

«Voetsek«, sagte ich im Plauderton.

Alle kringelten sich höflich. Voetsek hieß»zieh Leine«.

Als man es ihm übersetzte, bekam Conrad einen seiner glucksenden Lachanfälle.

«Wenn bloß Evan das sehen könnte«, meinte er schnaufend.

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