RE:
Die Antwort war irgendwie gut, Leo. Die hat Pfiff gehabt! Na also, du kannst es ja noch! Ebenfalls schönen Nachmittag, wünscht Emmi. Ich gehe jetzt Hosen kaufen. Leider mit Jonas. Leider für Jonas! Es ist schon unfair mit der Mode: Die, die neue Hosen brauchen, wollen keine (Jonas). Die, die neue Hosen wollen, brauchen keine. (Ich.)
PS: Ob ihr eure E-Mails in Englisch oder Deutsch verfasst, weiß ich allerdings noch immer nicht.
Fünf Stunden später
AW:
Weder noch.
Am nächsten Tag
RE:
Russisch?
Zehn Stunden später
AW:
Wir schreiben uns keine E-Mails. Wir telefonieren.
Drei Minuten später
RE:
Oh!!!
Fünf Tage später
Betreff: Hallo Leo!
Eine reine Schreibfreundschaft ohne prickelnde Zwischentöne ist dir zu langweilig, stimmt's?
Zwei Tage später
Betreff: Hallo Emmi!
Nein, da irrst du, liebe Emmi. Seit ich weiß, dass deine Welt nicht untergeht, wenn ich dir nicht schreibe, bin ich nicht mehr so oft online. Das ist der Grund für die längeren Intervalle. Ich bitte um Verständnis und jeweils etwas Geduld.
Drei Minuten später
RE:
Du hast mir also zwei Jahre lang nur geschrieben, damit meine Welt nicht untergeht?
Acht Minuten später
AW:
Mich wundert, dass ich es wieder eine volle Woche ohne deine atemberaubenden Umkehrschlüsse ausgehalten habe, meine Liebe!
Ich habe übrigens eine Gegenfrage zu deiner ersten Frage. Sie lautet: Die Windstille ist dir ein bisschen langweilig geworden, stimmt's?
Vier Minuten später
RE:
Nein, da irrst du, lieber Leo. Da irrst du gewaltig! Ich bin völlig entspannt und genieße die Ruhe, den inneren Frieden und Fettucine mit Flusskrebsen in Mandeloberssauce. Ich habe bereits acht Kilo zugenommen. (Oder zumindest 0,8.) Also: Bist du sehr verliebt in sie?
Eine Minute später
AW:
Warum beschäftigt dich das so sehr, Schreibfreundin?
50 Sekunden später
RE:
Es beschäftigt mich nicht, es interessiert mich nur. Man wird an den gewichtigen emotionellen Grundbefindlichkeiten seines Schreibfreundes ja wohl noch interessiert sein dürfen, oder?
40 Sekunden später
AW:
Und wenn ich sage: »Ja, ich bin sehr verliebt in sie!«?
30 Sekunden später:
RE:
Dann sage ich: »Freut mich für dich! Für dich und für sie!«
40 Sekunden später
AW:
Die Freude würde aber nicht echt klingen.
50 Sekunden später
RE:
Über die Echtheit des Klanges meiner Freude musst du dir wirklich keine Gedanken machen, mein Lieber! Also: Bist du sehr verliebt in sie?
Zwei Minuten später
AW:
Das sind Emmi'sche Verhörmethoden, meine Liebe! So kriegst du keine Antwort von mir.
Aber wir können gerne irgendwann wieder einmal auf einen Kaffee gehen und über die Dinge plaudern, die uns trotz Windstille bewegen.
Eine Minute später
RE:
Du willst mich treffen?
Drei Minuten später
AW:
Ja. Warum nicht? Wir sind Freunde.
Zwei Minuten später
RE:
Und was erzählst du »Pam«?
50 Sekunden später
AW:
Gar nichts.
30 Sekunden später
RE:
Warum nicht?
50 Sekunden später
AW:
Weil sie nichts von uns weiß, wie du weißt.
Eine Minute später
RE:
Das weiß ich zwar. Aber was gibt es da mittlerweile nicht zu wissen? Was darf sie nicht wissen? Dass wir Schreibfreunde sind?
Zwei Minuten später
AW:
Dass es eine Frau gibt, der ich solche Fragen beantworte.
50 Sekunden später
RE:
Du beantwortest sie ohnehin nicht.
Eineinhalb Minuten später
AW:
Emmi, warum, glaubst du, sitze ich hier seit knapp einer halben Stunde an meinem Computer?
30 Sekunde später
RE:
Gute Frage. Warum?
50 Sekunden später
AW:
Um mich mit dir auszutauschen.
Eine Minute später
RE:
Stimmt. Das würde »Pam« nicht verstehen. Sie würde fragen: »Warum telefoniert ihr nicht? Da könntet ihr euch vier Fünftel der Zeit ersparen.«
40 Sekunden später
AW:
Stimmt. Und ich könnte nach solchen Meldungen ungeniert den Hörer auflegen.
50 Sekunden später
RE:
Stimmt. E-Mails sind geduldiger als Telefone. Das ist mein Glück!
40 Sekunden später
AW:
Stimmt. Und bei E-Mails verbringt man auch die Zeit dazwischen miteinander.
30 Sekunden später
RE:
Stimmt. Das ist das Gefährliche.
40 Sekunden später
AW:
Stimmt. Und das Süchtigmachende zugleich.
50 Sekunden später
RE:
Stimmt. Zum Glück bin ich erfolgreich auf Entzug. In diesem Sinne: Tschüss für heute, lieber Schreibfreund. Bernhard kocht, ich werde ihm auf die Finger schauen. Mach's gut! Emmi.
Acht Tage später
Betreff: Kaffee
Hallo Emmi, wollen wir uns auf einen Kaffee treffen?
Vier Stunden später
RE:
Fällt Schreibfreund Leo nach einer Woche gediegenen Flauten-Schweigens soeben spontan ein.
Drei Minuten später
AW:
Ich wollte euch nicht vom Kochen und Auf-die-Finger Schauen abhalten, liebe Emmi.
Zwei Minuten später
RE:
Nur keine falsche Zurückhaltung, lieber Leo. Sonst laden wir dich gleich zum Essen ein. »Pam« kann natürlich gerne mitkommen. Isst sie Flusskrebse?
Eine Minute später
AW:
Dein neuer, freundschaftlich angepriesener Kommunen-Humor ist selbst für deine Begriffe schräg, liebe Emmi. Also: Wollen wir auf einen Kaffee gehen?
Fünf Minuten später
RE:
Lieber Leo, warum sagst du eigentlich nicht: »Ich will mir dir (…)?« Warum fragst du: »Wollen wir (…)?« Weißt du selbst nicht, ob du willst? Oder behältst du dir vor, ebenfalls nicht zu wollen, für den Fall, dass ich nicht will?
50 Sekunden später
AW:
Liebe Emmi, ich will mit dir auf einen Kaffee gehen. Willst du auch? Wenn du nicht willst, will auch ich nicht, denn ich will nicht gegen deinen Willen mit dir (auf einen Kaffee gehen). Also wollen wir?
Fünf Minuten später
RE:
Ja, können wir machen, Leo. Wann und wo schlägst du vor?
Drei Minuten später
AW:
Dienstag oder Donnerstag gegen 16 oder 17 Uhr? Kennst du das Café Bodinger in der Dreisterngasse?
40 Sekunden später
RE:
Ja, kenne ich. Dort ist es eher schummrig.
50 Sekunden später
AW:
Das kommt darauf an, wo man sitzt. Direkt unter dem großen Luster ist es taghell wie im Messecafé Huber.
30 Sekunden später
RE:
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