Die Sterilisation der Männer mittels Durchtrennen der Samenleiter kam da gerade zur rechten Zeit in Gebrauch. Es war damals Thema Nummer eins bei uns im Dorf. Alle erzählten, dass es meine Tante und Huang Qiuya waren, die diese Methode gemeinsam entwickelt hätten. Von Huang Qiuya käme der theoretische Teil der Erfindung, von meiner Tante der klinische Teil und die Praxis. Der Wichtigtuer Xiao Unterlippe sagte uns:
»Diese beiden unbemannten Weiber sind doch völlig psychopatisch, die haben dieses ganze Zeug für die Kinderlosigkeit doch nur entwickelt, weil sie es nicht ertragen, andere Paare glücklich verheiratet zu sehen.«
Er behauptete, sie hätten erst einmal an Ferkeln Versuche gemacht, dann diese an Ebern wiederholt und zuletzt an zehn toten Häftlingen laboriert. Nachdem das Experiment geglückt sei, hätten sie die toten Häftlinge gegen lebende mit lebenslänglichen Haftstrafen ausgetauscht. Wir wussten natürlich bald, dass Xiao Unterlippe geflunkert hatte.
Die Tante hörten wir in jenen Tagen regelmäßig durch das Megaphon schreien:
»Kader unserer Brigaden! Bitte beachten Sie! Infolge der Achten Sitzung des Leitungskollektivs zur Kommune-Geburtenregelung ist es Pflicht, dass Männer mit Frauen, die schon drei Kinder zur Welt gebracht haben, oder Männer, die mehr als drei Kinder haben, sich in unserer Krankenstation einer Sterilisation unterziehen. Nach dem Eingriff bekommen die Männer zwanzig Yuan für Lebensmittel zur Stärkung und eine Woche vollbezahlten Urlaub, die Arbeitspunkte werden trotzdem eingetragen.«
Die Männer, die die Durchsage gehört hatten, standen zusammen und schimpften:
»Da, fick deine Mutter! Sauschneider gibt’s, Leute, die Bullen kastrieren, Leute, die Pferde- und Mulihengste legen. Aber hat man je von einem Berufszweig gehört, der sich auf das Kastrieren von Männern verlegt hat? Wir wollen ja schließlich nicht als Eunuchen in den Dienst bei Hof! Wir lassen uns nicht betrügen!«
Als die Kader aus der Geburtenplanung erklärten, die Sterilisation sei nur ein klitzekleiner Eingriff, wobei nur die ...
... da protestierten die Männer sofort mit bösem Blick:
»Ihr redet alles schön! Aber wir befürchten, wenn wir einmal auf eurem Tisch liegen und die Narkose verpasst bekommen haben, dann geht ihr uns nicht nur an die Eier. Wir trauen euch zu, dass ihr uns den Schwanz auch noch mit abschneidet. Dann müssen wir wie die alten Muttchen in der Hocke pissen!«
Die Sterilisation der Männer, die den Frauen ungemein genützt hätte, die nur einen einfachen, kurzen operativen Eingriff darstellte, der zudem keine großen Nachwirkungen oder Folgekrankheiten befürchten ließ, wurde über die Maßen boykottiert. Die Tante hatte mit ihren Helferinnen alles vorbereitet, aber niemand kam. Die Kommandostelle der Kreisgeburtenregelung rief täglich an und verlangte Zahlen. Sie war mit Gugu sehr unzufrieden. Die Kommuneparteikader hielten extra eine Sitzung ab, auf der zweierlei beschlossen wurde:
1. Beim Sterilisieren der Männer müssen die Führungskader mit gutem Beispiel vorangehen. Dies muss unter den Kadern und Arbeitenden publik gemacht werden. Im Dorf müssen allen voran die Brigadekader den Anfang machen. Erst dann wird man es in der Bevölkerung propagieren.
2. Diejenigen, die dagegen sind, dass Männer sterilisiert werden, und die Gerüchte streuen, sollen die Keule der proletarischen Diktatur zu spüren bekommen. Genügen sie den Anforderungen für eine Sterilisation, sperren sich aber dagegen, entzieht ihnen die Brigade als erstes die Arbeitserlaubnis. Fügen sie sich dann immer noch nicht, kürzt man ihnen die Reisration. Wenn sich Kader wehren, wird ihre Stelle gestrichen und ihnen ihre Position aberkannt. Wenn es sich um Angestellte des öffentlichen Dienstes handelt, werden sie entlassen. Wenn Parteimitglieder sich wehren, werden sie aus der Partei ausgeschlossen.
Der Kommuneparteisekretär Qin Shan sprach höchstpersönlich durch das Megaphon zu den Leuten:
»Die Geburtenplanung ist eng verknüpft mit unserer Volkswirtschaft, dem Lebensunterhalt für unser Volk. Die den Kommunen direkt unterstellten Abteilungen und die einzelnen Brigaden sind zuerst an der Reihe. Die Kader und Parteimitglieder, die für eine Sterilisation in Frage kommen, müssen den Anfang machen und sich operieren lassen. Sie müssen den Massen mit gutem Beispiel vorangehen.«
Qin Shans Ton schlug plötzlich um. Mit einer Plauderstimme wie beim Familienplausch erzählte er:
»Genossen, ich erzähl mal, wie es bei mir läuft. Meiner Frau haben sie, weil sie krank war, schon vor Jahren die Gebärmutter entfernt. Aber weil ich euch Männern die Angst vor diesem Eingriff nehmen will, habe ich mich dazu entschlossen, morgen Vormittag zu unserer Krankenstation zu gehen, um mich sterilisieren zu lassen.«
Während seiner Rede verlangte er auch vom chinesischen Jugendverband, dem gesamtchinesischen Frauenverband und den Schulen, diesen Eingriff beim Mann mit Feuereifer zu propagieren, damit eine mächtige Sterilisationswelle anrollen könne.
Wie bei allen bisherigen Kampagnen schrieb unsere Lehrerin Xue einen Sprechgesang, dessen Rhythmus mit dem Schlagholz unterstrichen wurde. Wir lernten ihn auswendig, so dass wir ihn in Höchstgeschwindigkeit hersagen konnten. Dann wurden Vierergruppen gebildet. Jeder bekam eine Flüstertüte aus Pappe oder Blech. Wir stiegen auf die Dächer der Häuser, kletterten auf die Bäume ins Geäst und begannen, lauthals zu schreien:
»Genossen, macht euch keinen Kopf, in der Kommune fangt damit an! Was wir jetzt mit euch vorhaben, ist einfach, kommt auch nicht dem Sauschneider gleich!
Ein kleiner Schnitt, nur fünfzehn Millimeter lang, nach einer Viertelstund schon wieder fit vom Bett er sprang.
Er schwitzte und er blutete nicht, und fing am selben Tag noch zu arbeiten an.«
In diesem ungewöhnlichen Frühling nahm die Kommune, so sagte mir meine Tante, an 648 Männern eine Sterilisation vor. Bei ihr persönlich kamen 310 unters Messer. Sie erzählte, man brauche den Massen eigentlich nur die Gründe ordentlich zu erklären und die politische Strategie festzulegen. Wenn die leitenden Kader den Anfang machten und Schritt für Schritt alles glatt laufe, könne man auch mit dem Verständnis der Leute rechnen. Sie würden dann mitziehen. Sie habe auf diese Weise viele Eingriffe gemacht. Der Großteil der Männer sei gemeinsam mit dem leitenden Kader seines Dorfes gekommen, der als gutes Beispiel den Anfang gemacht habe. Wirklich frech gewesen seien nur zwei, die hätten Schwierigkeiten gemacht. Da habe man dann geringfügige Zwangsmaßnahmen ergriffen, und gut war’s. Der eine sei unser Kutscher Wang Bein gewesen, der andere der Verwalter unseres Brigadekornspeichers, Xiao Oberlippe. Wang Bein habe sich auf seine guten Familienverhältnisse verlassen, deswegen habe er sich reaktionär, noch dazu arrogant und aggressiv verhalten.
Kaum aus der Untersuchungshaft wieder auf freiem Fuß, schwang er laute Reden, wer es wage, ihn zur Sterilisation zu zwingen, dem werde er den blanken Stahl hineinstoßen und triefend rot wieder herausziehen!
Mein Freund Wang Leber war verliebt in Gugus Assistentin Shizi und deswegen gefühlsmäßig auf Gugus Seite. Er wollte seinen Vater zur Sterilisation überreden, erntete aber nur zwei Backpfeifen. Leber floh eilends aus dem Haus, Wang Bein rannte mit der großen Kutscherpeitsche hinter ihm her. Er verfolgte ihn bis zum Teich am Dorfrand. Da standen Vater und Sohn hüben und drüben, zwischen ihnen das Wasser, und schrien sich an. Wang Bein brüllte:
»Du verfickter Hundesohn! Seinen eigenen Vater zur Sterilisation überreden wollen!«
Sein Sohn schrie zurück:
»Wenn du meinst, dass ich einen verfickten Hund zum Vater habe, dann ist das wohl so!«
Wang Bein merkte, dass er sich mit seinem Schmähruf selbst beschimpft hatte, und rannte los um den Teich, immer seinem Sohn hinterher. Sie rannten und rannten, Runde um Runde, wie in einem Kollergang. Ein ganzer Haufen Schaulustiger versammelte sich, der Öl ins Feuer goss, Zunder auflud, Wind zufächelte, damit die Flammen höher schlagen konnten. Die Folge waren unaufhörliche Lachsalven.
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