Tubruk war in seinem Element.
»Der nächste Kampf geht auf Leben und Tod. Alexandros, der Kämpfer aus Korinth, ist der Favorit. Er ist noch nie besiegt worden. Aber sein Gegner aus dem südlichen Italien ist ebenfalls Furcht einflößend und bei Kämpfen bis zur ersten Verwundung noch nie geschlagen worden. Im Moment kann ich mir noch kein endgültiges Urteil bilden, wer gewinnt.«
»Sag’s mir, sobald du es kannst. Ich bin bereit, zehn Aurei zu wetten. Das ist unser ganzer Gewinn plus mein ursprünglicher Einsatz. Dein Auge ist heute unfehlbar.«
Julius winkte den Wettsklaven herbei und befahl ihm, neben ihm stehen zu bleiben. Niemand der Umsitzenden wollte jetzt schon wetten, denn sie spürten alle die Gunst dieses Augenblicks und begnügten sich damit, auf Tubruks Zeichen zu warten. Sie beobachteten ihn, manche mit angehaltenem Atem, und lauerten auf erste Anzeichen.
Gaius und Marcus betrachteten die Menge.
»Diese Römer sind schon ein geldgieriger Haufen«, flüsterte Gaius Marcus zu und sie grinsten einander an.
Wieder ging das Tor auf, und Alexandros und Enzo betraten die Arena. Enzo, der Römer, trug den üblichen Kettenschutz, der seinen rechten Arm von der Hand bis zum Hals bedeckte. Über den dunkleren Eisenschuppen trug er einen Helm aus Messing, und in der Linken hielt er einen roten Schild. Bekleidet war er nur mit einem Lendenschurz; Füße und Knöchel waren mit Leinenstreifen umwickelt. Sein Körper war muskelbepackt, und abgesehen von einer gekräuselten Linie, die sich vom Handgelenk bis zum Ellenbogen zog, waren nur wenige Narben zu sehen. Er verbeugte sich vor Cornelius Sulla und grüßte die Menge als Erster, noch vor dem Fremden.
Alexandros bewegte sich geschmeidig und ging sehr sicher und selbstbewusst bis zur Mitte der Arena. Er war genauso gekleidet wie sein Gegner, trug jedoch einen blauen Schild.
»Sie sind schwer auseinander zu halten«, meinte Gaius. »In den Rüstungen könnten es auch Brüder sein.«
Sein Vater schnaubte verächtlich. »Bis auf das Blut, das in ihnen fließt. Der Grieche ist völlig verschieden vom Italiener. Er hat andere und falsche Götter. Er glaubt an Dinge, für die ein anständiger Römer nie einstehen würde.« Er sprach, ohne den Kopf zu wenden, ganz auf die Männer unten im Sand konzentriert.
»Würdest du dann auf einen solchen Mann wetten?«, fragte Gaius wissbegierig. »Selbstverständlich. Wenn Tubruk der Meinung ist, dass er gewinnt«, war die von einem Lächeln begleitete Antwort.
Der Kampf würde mit dem Signal eines Widderhorns beginnen. Es war in der ersten Sitzreihe zwischen zwei Kupferscheiben aufgebaut. Davor wartete ein kurzbärtiger Mann auf das Signal, um die Lippen anzusetzen. Die Gladiatoren stellten sich einander gegenüber, dann dröhnte der lang gezogene Ton aus dem Horn über den Sandplatz.
Bevor Gaius überhaupt hätte sagen können, ob das Signal ganz verklungen war, befand sich die Menge bereits in Aufruhr, und die beiden Männer waren dabei, wütend aufeinander einzudreschen. In den ersten paar Sekunden folgte Schlag auf Schlag. Einige Treffer schnitten tief ins Fleisch, andere glitten am Rüstungsstahl ab, der plötzlich glitschig vom hellen Blut war. »Tubruk?«, hörte Gaius die fragende Stimme seines Vaters.
Die Umsitzenden auf ihren Rängen waren hin und her gerissen zwischen dem faszinierenden Gemetzel einerseits und der Aussicht auf eine erfolgreiche Wette andererseits.
Tubruk runzelte die Stirn, das Kinn auf die geballte Faust gestützt.
»Noch nicht. Ich kann es noch nicht sagen. Sie sind zu ebenbürtig.«
Unfähig, das Anfangstempo der ersten Minuten beizubehalten, ließen die beiden Männer kurzzeitig voneinander ab. Beide bluteten und waren mit Staub bedeckt, der an ihren schweißglänzenden Körpern haften blieb.
Dann rammte Alexandros seinen blauen Schild unter der Deckung seines Gegners hindurch und brachte ihn so aus Rhythmus und Gleichgewicht. Sein Schwertarm zuckte hoch und versuchte, von oben einen Treffer anzubringen. Doch der Italiener stolperte würdelos zurück, wobei sein Schild in den Sand fiel. Die Menge tobte und schrie empört, weil sie sich für ihren Favoriten schämte. Vielleicht von den Kommentaren seiner Landsmänner in seinem Stolz getroffen, richtete sich Enzo wieder auf und ging zum Angriff über.
»Tubruk?« Julius legte die Hand auf Tubruks Arm. Der Kampf konnte jede Sekunde vorbei sein, und wenn einer der Kämpfer offensichtlich im Vorteil war, wurden keine Wetten mehr angenommen.
»Noch nicht. Noch ... nicht.« Tubruk war die personifizierte Konzentration. Unten auf dem Sandplatz war der Kreis um die Kämpfer bereits mit dunklen Flecken gesprenkelt. Sie versuchten es mit Ausfallschritten nach links, dann wieder nach rechts, oder sie stürmten mit wütenden Hieben direkt aufeinander los. Dann wieder duckten sie sich, verkeilten sich ineinander und versuchten, den Gegner zu Fall zu bringen. Alexandros fing das Schwert des Italieners mit dem Schild ab. Der wuchtige Schlag spaltete ihn fast bis zur Hälfte, und die Klinge blieb in dem weicheren Metall des blauen Rechteckes stecken. Doch wie schon zuvor kam sie wieder frei, und die beiden Männer standen sich seitlich versetzt gegenüber. Sie bewegten sich jetzt im Krebsgang seitwärts, um sich mit der Armpanzerung besser schützen zu können. Die Schwerter waren schartig und stumpf geworden, und inzwischen konnte man deutlich sehen, dass die gewaltige Anstrengung in der glühenden römischen Hitze an den Kräften der beiden zu zehren begann. »Alles auf den Griechen. Schnell«, sagte Tubruk plötzlich unvermittelt.
Der Wettsklave warf seinem Besitzer, der hinter ihm stand, einen fragenden Blick zu. Die Einsätze wurden flüsternd ausgehandelt und das Wettgeschäft lief endlich an, denn nun stiegen auch viele andere in der Menge ein.
»Fünf zu eins gegen Alexandros. Wir hätten viel mehr bekommen, wenn wir früher gesetzt hätten«, murmelte Julius, während er die beiden Kämpfer unten betrachtete.
Tubruk schwieg.
Einer der Gladiatoren machte gerade einen Ausfall, schloss jedoch seine Deckung zu schnell für einen Gegenangriff. Sein Schwert schnellte zurück, schlug erneut zu und erwischte den Gegner an der Seite. Augenblicklich schoss ein Blutstrom daraus hervor. Auch der Gegenstoß kam bösartig schnell und durchtrennte einen größeren Beinmuskel. Das Bein knickte unter dem Mann weg, und noch während er zu Boden ging, hieb der Gegner unablässig auf seinen Nacken ein. Wieder und wieder schlug er zu, bis er schließlich nur noch auf einen Leichnam eindrosch. Der Sieger sank in eine sich vermischende Blutlache, die langsam vom trockenen Sand aufgesogen wurde. Vor Erschöpfung und Schmerzen konnte er nur noch stoßweise atmen.
»Wer hat denn jetzt gewonnen?«, fragte Gaius aufgeregt. Ohne die Schilde war das schwer zu sagen, und lautes Gemurmel erhob sich in den Sitzreihen, weil alle sich überall diese Frage stellten. Wer hatte gewonnen?
»Ich glaube, der Grieche ist tot«, sagte der Wettsklave. Sein Herr dagegen glaubte, es sei der Römer, doch bevor der Gewinner nicht aufstand und den Helm abnahm, konnte man dessen nicht sicher sein.
»Was passiert, wenn sie beide sterben?«, fragte Marcus. »Dann sind alle Wetten ungültig«, gab der Besitzer und Finanzier des Wettsklaven zur Antwort. Auch er hatte wahrscheinlich eine Menge Geld auf den Ausgang des Kampfes gesetzt, zumindest sah er ebenso angespannt aus wie alle anderen.
Der überlebende Gladiator blieb ungefähr eine Minute erschöpft am Boden liegen. Er blutete stark, doch die Menge rief nun immer lauter, er solle endlich aufstehen und den Helm abnehmen. Langsam und unter großen Schmerzen ergriff er sein Schwert und stemmte sich damit hoch. Als er endlich, wenn auch sehr unsicher, auf den Beinen stand, hob er eine Hand voll Sand vom Boden auf. Er rieb sich den Sand in die Wunde und sah zu, wie er in kleinen roten Klümpchen wieder herabfiel. Man sah, dass auch seine Hände blutig waren, als er sie hob, um den Helm abzunehmen.
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