Herr Blümel rief geärgert, daß dies ein Irrtum sei.
Die neue Bekannte antwortete, daß nichts menschlicher als Irrtum wäre, und wanderte weiter mit Herrn Blümel.
Aus Ungeschick wachst Ungeschick. Um dem Mädchen endlich zu entfliehen, blieb dem Herrn Kanzleioffizial nichts anderes übrig, als das Gedränge vor einer Schaubude zu nutzen und in diese hinein zu flüchten.
Aus freiem Wollen wäre Herr Blümel niemals an solche Stätte gelangt.
Zwischen den Bretterwänden schwärte Dämmerung, gefüllt von Geheimnissen, von denen man nichts wissen wollte. Aber einmal hier, bezahlt mit teurem Eintrittsgeld, fühlte sich Herr Blümel verpflichtet, sich auch umzusehen.
Was er sehen mußte, sobald der Scheinwerfer aufblitzte, mußte jeden entsetzen, geschweige einen Mann wie ihn, der schon jede Schaustellung der Gefühle verabscheute, wie sie beispielsweise Verlobungen oder Trauungen mit sich bringen. Seine Augen erblickten eine Frau in voller Unverhülltheit, an jeder Leibesstelle tätowiert mit Emblemen.
Als der Herr Kanzleioffizial die Blicke sofort entrüstet abwendete, gewahrte er obendrein, daß er der einzige Zuschauer war.
Er suchte sich eiligst zu entfernen. Da erlosch der Scheinwerfer.
Herr Blümel suchte vergebens den Riegel der Tür. Er brachte nur hinderliche Perlennetze ins Zappeln.
Mondlicht flimmerte durch das schlechte Bretterdach auf die Tätowierte, die schon mitten im Bericht einer fesselnden Lebensgeschichte war. Eine Kette wunderbarer Unglücksfälle. Wie Ausschnitt nach Ausschnitt erregendster Extrablätter. Ein Heer von Männern hatte nach der Unschuld dieses unberührten Geschöpfes getrachtet. Nie etwas anderes erreicht als die Erlaubnis äußerer Tätowierung. So merkwürdig ist manchmal das Leben.
Voll Spannung türmte sich Herrn Kanzleioffizial
Blümels Mitgefühl. Ihm wurde Klarheit, daß man diese unglücklichen Geschöpfe unterschätzte. Daß man viel an ihnen gutzumachen hatte.
Seine Anteilnahme wuchs mit seiner Nachsicht. Verstehen heißt Vorurteile überwinden.
Bald fühlte sich der Herr Kanzleioffizial nur noch Mitmensch …
* * *
Kein Registerbuch, in dem nicht einmal eine kleine Zahl hätte ausradiert werden müssen.
Der Herr Kanzleioffizial versicherte sich dies am nächsten Morgen zur Selbstberuhigung.
Es war heller Sonnenschein, niemand war jetzt verpflichtet, an Vorfälle zu denken, die mit Mondschein zusammenhängen.
Ordnung aber muß sein. Herr Blümel war genötigt, den gestrigen Tag und seine Ausgaben zu buchen. Dies ließ sich nicht umgehen. Unordnung im Taschenbuch würde ihm Wiederbeginn wie Weiterführung des Tages ebenso unmöglich machen, wie wenn er ohne Wasser und Seife hätte beginnen müssen.
Innere Reinheit ist schwieriger aufrecht zu halten als äußere.
Herr Blümel spürte es, als er sich nun mit seinem Rechenbuch auseinanderzusetzen suchte. Wollte er aufrichtig sein, mußte er den ganzen Betrag, den er gestern in seinem Geldbeutel bei sich getragen, auf die Defizitseite buchen. Das Geld hatte sich anscheinend mit dem Silberlicht verschmolzen, das um die unglückliche, größte Sehenswürdigkeit gewogt hatte. Aus Gegenden, wo die Wirklichkeit aufhört, holt niemand etwas zurück. Verloren ist verloren.
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