Wir fühlen uns jetzt als eine große Familie, die Frau ist ordentlich munter geworden, und Lewandowski liegt schwitzend und strahlend da.
Er packt die gestickte Tasche aus, es kommen da ein paar gute Würste zum Vorschein, Lewandowski nimmt das Messer wie einen Blumenstrauß und säbelt das Fleisch in Stücke. Mit großer Handbewegung weist er auf uns – und die kleine, verhutzelte Frau geht von einem zum andern und lacht uns an und verteilt die Wurst, sie sieht jetzt direkt hübsch aus dabei. Wir sagen Mutter zu ihr, und sie freut sich und klopft uns die Kopfkissen auf.
Nach einigen Wochen muss ich jeden Morgen ins Zanderinstitut*. Dort wird mein Bein festgeschnallt und bewegt. Der Arm ist längst geheilt.
Es laufen neue Transporte aus dem Felde ein. Die Verbände sind nicht mehr aus Stoff, sie bestehen nur noch aus weißem Krepppapier*. Verbandstoff ist zu knapp geworden draußen.
Alberts Stumpf heilt gut. Die Wunde ist fast geschlossen. In einigen Wochen soll er fort in eine Prothesenstation. Er spricht noch immer wenig und ist viel ernster als früher. Oft bricht er mitten im Gespräch ab und starrt vor sich hin. Wenn er nicht mit uns andern zusammen wäre, hätte er längst Schluss gemacht. Jetzt aber ist er über das Schlimmste hinausgelangt. Er sieht schon manchmal beim Skat zu.
Ich bekomme Erholungsurlaub.
Meine Mutter will mich nicht mehr fortlassen. Sie ist so schwach. Es ist alles noch schlimmer als das letztemal.
Danach werde ich vom Regiment angefordert und fahre wieder ins Feld.
Der Abschied von meinem Freunde Albert Kropp ist schwer. Aber man lernt das beim Kommiss mit der Zeit.
1. Welchen Auftrag haben die Freunde bekommen?
2. Beschreiben Sie ihr Leben im Dorf.
3. Wie werden sie verwundet?
4. Was geschieht im Feldlazarett?
5. Warum „geht’s morgen ab nach Hause”?
6. Beschreiben Sie den Weg nach Hause.
7. Warum will Paul auch ausgeladen werden?
8. Warum kommt der Lazarettinspektor?
9. Warum hat Josef Hamacher sich gemeldet? Wie haben Sie es verstanden, wer bekommt einen Jagdschein?
10. In welchem Zusammenhang sagt Josef den folgenden Satz: „Wenn man erst drin ist, hält man doch nicht durch”? Was bedeutet das?
11. Wer ist Lewandowski?
12. Wie verstehen Sie den folgenden Satz: „Erst das Lazarett zeigt, was der Krieg ist”? Sind Sie damit einverstanden?
13. Warum nennt man die Helden des Romans „Vertreter der verlorenen Generation”? Begründen Sie diese These mit den entsprechenden Textfragmenten.
Himmel, der– eine Art Dach aus Stoff (z.B. über einem Thron oder einem Bett); Baldachin
Schlaraffenhaus, das– zu Schlaraffenland: ein märchenhaftes Land, wo Milch und Hönig fließen, wo Faulheit verdienstvoll und Tugend das höchste Laster ist
Funker, der– jemand, der meist beruflich funkt (mithilfe von elektromagnetischen Wellen Signale und jemandem so Informationen gibt)
Weser, die– Strom in Norddeutschland; „An der Weser” – bekanntes Volks- und Soldatenlied
Tjaden begibt sich auf ein Gastspiel zu Gö tz von Berlichingen– Tjaden beginnt unanständig zu schimpfen.
Fauteuil, der– Armstuhl, Lehnsessel
Habseligkeiten, die– jemandes Besitz, der nur aus ein paar (meist wenig wertvollen) Dingen besteht
waten– einsinkend gehen, durchs Wasser
Tetanusspritze, die– eine Injektion gegen Wundstarrkrampf (eine Krankheit, bei der nach der Infektion einer Wunde Muskelkrämpfe, Fieber und Atemnot auftreten)
Mucks, der– meist in keinen Mucks machen / sagen ( gespr. ) kein Wort sagen und kein Geräusch machen
Hand voll, die– eine kleine Menge oder Anzahl
Folterknecht, der– jemand, der die Folter (höchste Pein, Qual) ausführt
Blamage, die– ein Vorfall oder eine Angelegenheit, die für jemanden sehr peinlich ist
Herbesthal– ein Ort
einduseln– eindämmern, in einen Halbschlaf geraten
Litanei, die– ein Gebet, bei dem einmal der Priester und einmal die Leute in der Kirche sprechen
Heide, der– jemand, der keiner der großen Religionen angehört
Jagdschein, der– das Attestat über die Unzurechnungsfähigkeit
etwas in Anspruch nehmen– etwas (das man angeboten bekommen hat) für sich nutzen, gebrauchen
Fiebertafel, die– schriftlich festgehaltene Werte der Fiebermessungen
Fimmel, der– eine übertriebene Leidenschaft oder eine komische Gewohnheit
Klumpfuß, der– eine Fußkrankheit; Missbildung des Fußes, die Fußsohle ist nach innen und oben gewendet
Karnickel, das– Kaninchen; Versuchskaninchen, das – jemand, an dem man etwas (besonders Medikamente) testet
Schreikrampf, der– ein langes, lautes Schreien, das man nicht beenden kann (meist wegen einer extremen psychischen Belastung)
Rechenschaft, die– ein Bericht darüber, warum man etwas getan hat oder wie man seine Pflicht erfüllt hat
Kreuz-Solo, der– eine Kombintion von bestimmten Karten beim Skatspielen
Zanderinstitut, das– das Institut für Heilgymnastik, benannt nach Gustav Zander, schwedischem Arzt, der Geräte zur Behandlung der Wirbelsäule (Zanderapparate) erfunden hat
Krepppapier, das– ein raues (elastisches) Papier mit vielen kleinen Falten
Wir zählen die Wochen nicht mehr. Es war Winter, als ich ankam, und bei den Einschlägen der Granaten wurden die gefrorenen Erdklumpen fast ebenso gefährlich wie die Splitter. Jetzt sind die Bäume wieder grün. Unser Leben wechselt zwischen Front und Baracken. Wir sind es teilweise schon gewohnt, der Krieg ist eine Todesursache wie Krebs und Tuberkulose, wie Grippe und Ruhr. Die Todesfälle sind nur viel häufiger, verschiedenartiger und grausamer.
Unsere Gedanken sind Lehm, sie werden geknetet vom Wechsel der Tage – sie sind gut, wenn wir Ruhe haben, und tot, wenn wir im Feuer liegen. Trichterfelder draußen und drinnen.
Alle sind so, nicht wir hier allein – was früher war, gilt nicht, und man weiß es auch wirklich nicht mehr. Die Unterschiede, die Bildung und Erziehung schufen, sind fast verwischt und kaum noch zu erkennen. Sie geben manchmal Vorteile im Ausnutzen einer Situation; aber sie bringen auch Nachteile mit sich, indem sie Hemmungen wachrufen, die erst überwunden werden müssen. Es ist, als ob wir früher einmal Geldstücke verschiedener Länder gewesen wären; man hat sie eingeschmolzen, und alle haben jetzt denselben Prägestempel. Will man Unterschiede erkennen, dann muss man schon genau das Material prüfen. Wir sind Soldaten und erst später auf eine sonderbare und verschämte Weise noch Einzelmenschen.
Es ist eine große Brüderschaft, die ein Schimmer von dem Kameradentum der Volkslieder, dem Solidaritätsgefühl von Sträflingen und dem verzweifelten Einanderbeistehen von zum Tode Verurteilten seltsam vereinigt zu einer Stufe von Leben, das mitten in der Gefahr, aus der Anspannung und Verlassenheit des Todes sich abhebt und zu einem flüchtigen Mitnehmen der gewonnenen Stunden wird, auf gänzlich unpathetische Weise. Es ist heroisch und banal, wenn man es werten wollte – doch wer will das?
Es ist darin enthalten, wenn Tjaden bei einem gemeldeten feindlichen Angriff in rasender Hast seine Erbsensuppe mit Speck auslöffelt, weil er ja nicht weiß, ob er in einer Stunde noch lebt. Wir haben lange darüber diskutiert, ob es richtig sei oder nicht. Kat verwirft es, weil er sagt, man müsse mit einem Bauchschuss rechnen, der bei vollem Magen gefährlicher sei als bei leerem.
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