Gareth rannte ihm nach, doch als er näherkam, verschwand Argon vor seinen Augen.
Gareth blickte sich in alle Richtungen um, doch er sah nichts. Er hörte nur ein hohles Gelächter irgendwo in den Lüften.
„Argon!“, schrie Gareth.
Er drehte sich erneut herum, dann blickte er in den Himmel hinauf, sank auf ein Knie und warf den Kopf in den Nacken. Er kreischte:
„ARGON!“
Erec marschierte an der Seite des Herzogs mit Brandt und einem Dutzend der herzoglichen Gefolgschaft durch die engen Gassen von Savaria, eine wachsende Menschentraube hinter sich herziehend, dem Haus des Dienstmädchens entgegen. Erec hatte darauf bestanden, dass er sie umgehend kennenlernen wollte, und der Herzog wollte ihm persönlich den Weg weisen. Und wo der Herzog hinging, folgte ihm jedermann. Erec warf einen Blick auf die große und wachsende Gefolgschaft und war peinlich berührt, als er feststellte, dass er die Wohnstatt dieses Mädchens mit dutzenden Leuten im Schlepptau erreichen würde.
Seit er sie zum ersten Mal erblickt hatte, hatte Erec an nicht viel anderes denken können. Wer war dieses Mädchen, fragte er sich, die so nobel schien, und doch als Dienstmagd am Herzogshof arbeitete? Warum war sie so hastig vor ihm geflohen? Wie kam es, dass in all seinen Jahren, bei all den königlichen Damen, denen er begegnet war, diese die einzige war, die sein Herz berührt hatte?
Sein Leben lang von Adel umgeben, selbst der Sohn eines Königs, konnte Erec andere Adelige in einem Augenblick erkennen—und er spürte von dem Moment an, da er sie erspäht hatte, das sie von weitaus höherem Stand war als dem, den sie derzeit einnahm. Er brannte vor Neugier darauf, zu wissen, wer sie war, woher sie kam und was sie hier machte. Er brauchte eine weitere Gelegenheit, sie zu Gesicht zu bekommen, um zu sehen, ob er es sich eingebildet hatte, oder ob seine Gefühle gleichbleiben würden.
„Meine Diener berichten, dass sie in den Vororten der Stadt lebt“, erklärte der Herzog unterwegs. Während sie durch die Straßen zogen, öffneten die Leute auf allen Seiten die Fensterläden und blickten hinunter, erstaunt von der Anwesenheit des Herzogs und seines Gefolges in den Straßen des gemeinen Volkes.
„Scheinbar ist sie Dienstmagd bei einem Gastwirt. Niemand kennt ihren Ursprung, woher sie kommt. Man weiß nur, dass sie eines Tages in unsere Stadt kam und als Schuldmagd bei jenem Wirten anfing. Ihre Vergangenheit, so scheint es, ist ein Mysterium.“
Sie bogen in eine weitere Seitengasse, und die Pflastersteine unter ihnen wurden etwas unebener, die kleinen Behausungen rückten näher zusammen und wurden baufälliger, je weiter sie gingen. Der Herzog räusperte sich.
„Ich nahm sie als Dienstmagd für besondere Anlässe an den Hof auf. Sie ist ruhig, bleibt für sich. Niemand weiß viel über sie. Erec“, sagte der Herzog schließlich und legte Erec eine Hand auf den Arm, „seid Ihr Euch ganz sicher? Diese Frau, wer immer sie ist, ist nur ein gewöhnliches Weib. Ihr habt die Wahl unter allen Frauen des Königreichs.“
Erec blickte ihn mit der gleichen Intensität an.
„Ich muss dieses Mädchen wiedersehen. Mir ist egal, wer sie ist.“
Der Herzog schüttelte verständnislos den Kopf und sie alle zogen weiter, bogen in eine Straße nach der anderen, passierten gewundene, enge Gassen. Je weiter sie kamen, wurde dieser Teil von Savaria immer schäbiger, die Straßen mit Betrunkenen gefüllt, von Dreck gesäumt, voller Hühner und streunender Hunde. Sie passierten eine Taverne nach der anderen, und das Geschrei der Kundschaft war auf den Straßen zu hören. Mehrere Betrunkene stolperten vor ihnen her, und als die Nacht hereinbrach, wurden die Straßen mit Fackeln erleuchtet.
„Macht Platz für den Herzog!“, rief sein Oberdiener aus, eilte vor ihm her und schob Trunkenbolde zur Seite. Die gesamte Straße entlang wichen zwielichtige Gestalten zur Seite und sahen staunend zu, wie der Herzog mit Erec an seiner Seite vorbeizog.
Endlich erreichten sie ein kleines, bescheidenes Wirtshaus aus Stuck mit einem aufragenden Schindeldach. Es sah aus, als könnte es vielleicht 50 Gäste in der ebenerdigen Taverne fassen, mit ein paar Gästezimmern im oberen Stock. Die Vordertür hing schief in der Angel, ein Fenster war zerbrochen, die Lampe am Eingang hing schief und die Flamme darin flackerte aus Mangel an Wachs. Das Geschrei von Betrunkenen quoll aus den Fenstern hervor, während sie sich alle vor der Türe versammelten.
Wie konnte ein so feines Mädchen an solch einem Ort arbeiten?, wunderte sich Erec entsetzt, als er das Geschrei und Gegröle von drinnen hörte. Sein Herz brach beim Gedanken daran; an die Demütigungen, die sie an einem solchen Ort wohl erleiden musste. Es ist nicht gerecht, dachte er. Er fühlte sich fest entschlossen, sie vor all dem zu retten.
„Warum müsst Ihr nur an den schlimmstmöglichen Ort kommen, um eine Braut zu wählen?“, fragte der Herzog, an Erec gewandt.
Auch Brandt wandte sich an ihn.
„Letzte Chance, mein Freund“, sagte Bandt. „Hinter uns wartet eine ganze Burg voll königlicher Damen.“
Doch Erec schüttelte entschlossen den Kopf.
„Öffnet die Tür“, befahl er.
Ein Diener des Herzogs eilte vor und riss sie auf. Der Gestank von abgestandenem Bier wogte hervor und ließ ihn angewidert zurückschrecken.
Im Inneren hingen Betrunkene über dem Tresen, saßen an hölzernen Tischen, schrien übermäßig laut, lachten, spotteten und stießen einander herum. Es waren grobe Kerle, das konnte Erec auf den ersten Blick sehen, mit zu großen Bäuchen, unrasierten Wangen und ungewaschener Kleidung. Keiner von ihnen ein Krieger.
Erec machte mehrere Schritte hinein, den Raum nach ihr durchsuchend. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine Frau wie sie an so einem Ort arbeiten konnte. Er fragte sich, ob er vielleicht zur falschen Behausung gekommen war.
„Entschuldigt, mein Herr, ich bin auf der Suche nach einer Dame“, sagte Erec zu dem Mann, der neben ihm stand, hoch und breit, mit großem Bauch und unrasiertem Gesicht.
„Bist du das?“, rief der Mann spottend aus. „Nun, da bist du hier falsch! Dies ist kein Freudenhaus. Aber dort gegenüber ist eins—und wie ich höre, haben sie dort feine, runde Frauen!“
Der Mann lachte Erec übermäßig laut ins Gesicht, und einige seiner Kumpanen fielen mit ein.
„Es ist kein Freudenhaus, nach dem ich suche“, erwiderte Erec wenig belustigt, „sondern eine einzelne Frau; eine, die hier arbeitet.“
„Du meinst wohl das Dienstmädel des Wirten“, rief ein anderer aus, ein weiterer großer, betrunkener Mann. „Sie ist wahrscheinlich hinten irgendwo und schrubbt den Boden. Zu schade—ich wünschte, sie wäre hier oben, auf meinem Schoß!“
Die Männer brüllten vor Lachen los, überwältigt von ihren eigenen Witzen, und Erec lief beim Gedanken daran rot an. Er schämte sich für sie. Dafür, dass sie all diese Kerle bedienen musste—es war eine Erniedrigung, über die er gar nicht nachdenken wollte.
„Und du bist…?“, ertönte eine neue Stimme.
Ein Mann trat vor, noch breiter als die anderen, mit dunklem Bart und Augen, die Mundwinkel tief nach unten gezogen, einem breiten Kiefer, umringt von mehreren zwielichtigen Gesellen. Er hatte mehr Muskeln als Fett an sich, und er kam bedrohlich auf Erec zu, eindeutig sein Revier verteidigend.
„Versuchst du, mein Dienstmädel zu klauen?“, forderte er. „In dem Fall, raus mit dir!“
Er trat vor und packte nach Erec.
Doch Erec, von Jahren des Trainings abgehärtet, der größte Ritter des Königreichs, hatte Reflexe jenseits der Vorstellungskraft dieses Mannes. In dem Augenblick, als seine Hand Erec berührte, sprang er in Aktion, packte sein Handgelenk, wirbelte ihn blitzschnell herum, packte ihn am Hemdrücken und stieß ihn quer durch den Raum.
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