Der große Mann flog wie eine Kanonenkugel, und er riss mehrere Männer mit sich zu Boden, wo sie in der kleinen Stube allesamt mit einem Krachen wie Kegel aufschlugen.
Der ganze Raum verfiel in Schweigen, als jedermann stehen ließ, was er gerade tat, um zuzusehen.
„KÄMPFT! KÄMPFT!“, riefen die Männer im Chor.
Der Wirt stolperte verwirrt auf die Beine, dann ging er mit einem Schrei auf Erec los.
Diesmal wartete Erec nicht ab. Er trat vor, um seinem Angreifer entgegenzutreten, hob einen Arm und schlug dem Mann direkt mit dem Ellbogen ins Gesicht, was ihm die Nase brach.
Der Wirt stolperte zurück, dann brach er zusammen und landete mit dem Hintern auf dem Boden.
Erec trat vor, richtete ihn auf und hob ihn dann trotz seiner Größe hoch über seinen Kopf. Er machte mehrere Schritte und warf den Mann von sich, der durch die Luft flog und den halben Raum mit sich zu Boden riss.
Alle Männer im Raum standen wie angewurzelt, stellten ihren Sprechchor ein, wurden still, erkannten langsam, dass unter ihnen jemand Besonderer war. Der Barmann aber kam plötzlich mit einer hoch erhobenen Glasflasche auf ihn zugestürmt, die er auf Erec zielte.
Erec hatte damit gerechnet und seine Hand lag schon am Schwert—doch bevor Erec es ziehen konnte, trat sein Freund Brandt neben ihm hervor, zog einen Dolch von seinem Gürtel und hielt dem Barmann dessen Spitze an die Kehle.
Der Barmann lief geradewegs darauf zu und blieb wie angewurzelt stehen, als die Klinge kurz davor war, seine Haut zu durchstoßen. Er stand mit vor Angst weit aufgerissenen Augen da, schwitzte, die Flasche hing wie erstarrt in der Luft. Die Auseinandersetzung hatte den Raum so still werden lassen, dass man eine Stecknadel fallen hören konnte.
„Fallenlassen“, befahl Brandt.
Der Barmann tat es, und die Flasche zersprang am Boden.
Erec zog sein Schwert mit einem hellen, metallischen Klirren, ging auf den Wirten zu, der ächzend am Boden lag, und setzte es ihm an die Kehle.
„Ich werde dies nur einmal sagen“, verkündete Erec. „Schmeiß dieses gesamte Gesindel aus diesem Raum. Sofort. Ich verlange eine Audienz mit der Dame. Alleine.“
„Der Herzog!“, rief jemand aus.
Der ganze Raum drehte sich herum und erkannte endlich den Herzog, der von seinen Leuten flankiert am Eingang stand. Sie alle beeilten sich, ihre Kappen zu ziehen und ihre Köpfe zu beugen.
„Wenn der Raum nicht leer ist, wenn ich mit dem Sprechen fertig bin“, verkündete der Herzog, „werde ich jeden Einzelnen von euch hier umgehend einsperren lassen.“
Der Raum brach in Hektik aus, als alle Männer darin sich aufmachten, hinauszuhuschen, am Herzog vorbei und bei der Vordertür hinaus, ihre halbvollen Bierflaschen stehen lassend, wo sie waren.
„Und raus mit dir genauso“, sagte Brandt zum Barmann, senkte den Dolch, packte ihn am Haar und schob ihn durch die Tür hinaus.
Der Raum, in dem noch vor wenigen Augenblicken ein solch lärmendes Chaos geherrscht hatte, stand nun leer und still, mit Ausnahme von Erec, Brandt, dem Herzog und ein Dutzend seiner engsten Männer. Sie schlossen die Tür hinter sich mit einem heftigen Knall.
Erec wandte sich an den Wirten, der immer noch benommen am Boden saß und sich Blut von der Nase wischte. Erec packte ihn am Hemd, hob ihn mit beiden Händen hoch und setzte ihn auf eine der leerstehenden Bänke.
„Du hast mir das Geschäft für den ganzen Abend ruiniert“, beklagte sich der Wirt. „Dafür wirst du bezahlen.“
Der Herzog trat vor und zog ihm den Handrücken übers Gesicht.
„Ich kann dich dafür hinrichten lassen, dass du die Hand gegen diesen Mann erhoben hast“, schalt der Herzog. „Weißt du nicht, wer er ist? Dies ist Erec, der beste Ritter des Königs, der Kämpe der Silbernen. Wenn er so will, kann er dich selbst töten, jetzt gleich.“
Der Wirt blickte zu Erec hoch, und zum ersten Mal zog echte Angst über sein Gesicht. Er bebte nahezu auf seinem Sitz.
„Ich hatte keine Ahnung. Ihr habt Euch nicht angekündigt.“
„Wo ist sie?“, forderte Erec ungeduldig.
„Sie ist hinten und schrubbt die Küche. Was wollt Ihr von ihr? Hat sie etwas von Euch gestohlen? Sie ist nichts weiter als eine Schuldmagd, eine Dienerin.“
Erec zog seinen Dolch und hielt ihn dem Mann an die Kehle.
„Nenne sie noch einmal ‚Dienerin‘“, warnte Erec, „und du kannst dir sicher sein, ich schneide dir die Kehle durch. Verstehst du das?“, fragte er hart, während er die Klinge in die Haut des Mannes drückte.
Die Augen des Mannes füllten sich mit Tränen, und er nickte langsam.
„Bring sie her, und mach schnell“, befahl Erec und riss ihn auf die Beine, und versetzte ihm einen Stoß, der ihn quer durch den Raum schubste, auf die Hintertür zu.
Als der Wirt draußen war, hörte man das Klirren von Töpfen hinter der Tür, gedämpftes Schreien, und dann, wenige Augenblicke später, öffnete sich die Tür und heraus traten mehrere Frauen, in Lumpen, Kittel und Hauben gekleidet, von Küchenschmutz bedeckt. Es waren drei ältere Frauen um die sechzig, und für einen Moment fragte sich Erec, ob der Wirt wusste, von wem er gesprochen hatte.
Und dann trat sie heraus—und Erecs Herz blieb ihm in der Brust stehen.
Er konnte kaum atmen. Sie war es.
Sie trug eine Schürze, die mit Fettflecken übersät war, und hatte ihren Kopf tief gesenkt, zu beschämt, um hochzublicken. Ihr Haar war hochgebunden, von einem Tuch bedeckt, ihre Wangen klebten vor Dreck—und doch war Erec von ihr absolut hingerissen. Ihre Haut war so jung, so perfekt. Sie hatte hohe, feine Wangenknochen, eine kleine, sommersprossige Nase und volle Lippen. Sie hatte eine hohe, adelige Stirn, und ihr wunderschönes blondes Haar lugte unter der Haube hervor.
Sie blickte zu ihm hoch, nur einen kurzen Augenblick lang, und ihre großen, wunderschönen mandelgrünen Augen, die mit dem Licht die Farbe änderten, erst kristallblau und dann wieder zurück, fesselten ihn an Ort und Stelle. Er stellte überrascht fest, dass er jetzt sogar noch faszinierter von ihr war als zuvor, als er ihr zum ersten Mal begegnete.
Hinter ihr kam der Wirt hervor, mürrisch, immer noch Blut von seiner Nase wischend. Das Mädchen trat zaghaft vor, umringt von diesen älteren Damen, auf Erec zu und knickste, als sie nahe war. Erec erhob sich vor ihr, und einige Gefolgsleute des Herzogs taten es ihm nach.
„Mein Herr“, sagte sie mit sanfter, süßer Stimme, die Erecs Herz erfüllte. „Bitte sagt mir, was ich getan habe, um Euch zu kränken. Ich weiß nicht, was es ist, doch es tut mir leid; was immer ich getan habe, um das Erscheinen des Herzogshofs zu begründen.“
Erec lächelte. Ihre Worte, ihre Sprache, der Klang ihrer Stimme—all das erfrischte ihn. Er wollte nicht, dass sie je wieder zu sprechen aufhörte.
Erec hob seine Hand, um ihr Kinn zu berühren und es hochzuheben, bis ihre sanften Augen die seinen trafen. Sein Herz raste, als er ihr in die Augen blickte. Es war, als würde er im tiefblauen Meer versinken.
„Meine Dame, Ihr habt nichts Kränkendes getan. Ich glaube nicht, dass Ihr je in der Lage wärt, zu kränken. Ich komme nicht im Ärger—sondern aus Liebe. Seit ich Euch erblickte, konnte ich an nichts anderes mehr denken.“
Das Mädchen wirkte aus der Fassung gebracht, und sie ließ augenblicklich ihren Blick zu Boden sinken und blinzelte einige Male. Sie rang ihre Hände und sah nervös aus, überwältigt. Sie war eindeutig nicht an das hier gewöhnt.
„Ich bitte Euch, meine Dame. Verratet mir Euren Namen.“
„Alistair“, antwortete sie demütig.
„Alistair“, wiederholte Erec überwältigt. Es war der schönste Name, den er je vernommen hatte.
„Doch weiß ich nicht, was es Euch nützt, ihn zu kennen“, fügte sie leise hinzu, immer noch zu Boden blickend. „Ihr seid ein hoher Herr. Ich bin nichts als eine Dienstmagd.“
Читать дальше