„Stimmt. Aber New York ist anders als Italien.“
Cristiano legte eine Hand auf sein Herz. „Ich bin ein großer Junge. Ich kann auf mich aufpassen. Selbst in New York.“ Er küsste sie flüchtig.
Sie kamen bei Mallorys Wohnung an, bezahlten das Taxi und gingen hinauf. Sie machten es sich vor dem Fernseher bequem und wie erwartet ging Mallory gegen neun bereits zu Bett.
Das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit konnte Keira sich ein wenig entspannen. Seit sie wieder daheim war, hatte sie sich unter ständiger Anspannung befunden. Ihre verrückte Schwester, die nicht weniger anstrengende Mutter, die Tour durch die Stadt, das alles hatte ihr das Gefühl vermittelt, sie sei kaum zu Atem gekommen. Endlich konnte sie mal einen Gedanken daran verschwenden, dass Cristiano mit ihr um den halben Globus gereist war, um mit ihr zusammen zu sein.
Sie küsste ihn, genoss sein Aroma. Ihre Küsse waren anders, intensiver. Seit sie daheim war, erschien ihr die Beziehung realer. Er hatte sich zu ihr bekannt, das machte es besser.
„Ich nehme an, du möchtest beizeiten mein altes Zimmer sehen?“, fragte sie mit anzüglicher Stimme.
Cristiano ging sofort darauf ein und hob erwartungsvoll die Augenbrauen. „Das ist richtig.“
Sie stand auf und reichte ihm die Hand.
„Dann komm mal mit“, schnurrte sie.
Cristiano strahlte wie ein Honigkuchenpferd und tat genau das.
Keira erwachte am nächsten Morgen mit einem schweren Kopf. Aber sobald sie sich umdrehte und Cristianos wunderbares Gesicht erblickte, seufzte sie zufrieden. Die letzte Nacht war hinreißend gewesen und hatte all ihre Bedenken ausgeräumt. Es war ein Jammer, dass sie zur Arbeit musste und er allein zurückblieb.
Sie schlüpfte aus dem Bett, darauf bedacht, ihn nicht zu wecken, und betrat den Flur. Alles war noch dunkel, als sie Richtung Bad schlurfte.
Bei ihrer Mutter zu duschen, fühlte sich merkwürdig an. Keira konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal hier übernachtet hatte. Jedenfalls nicht innerhalb der letzten zwei Jahre, denn da lebte sie mit Zachary zusammen.
Während sie das warme Wasser auf der Haut genoss, fragte sie sich, ob ihre Mutter vielleicht recht hatte. Vielleicht kümmerte sie sich nicht so sehr um sie, wie sie sollte. Cristianos Beziehung zu seinen Eltern war bewundernswert. Aber Keira hatte ihre Karriere immer über alles andere gestellt, und die Beziehung zu ihrer Mutter daher vernachlässigt. Sie konnte einiges von ihm lernen, stellte sie fest.
Sie beendete schnell das Duschen und schlang sich eines der Handtücher ihrer Mutter um, bevor sie den Flur betrat. Auf dem Weg zurück zum Zimmer hörte sie Geräusche aus der Küche. Neugierig lugte sie durch die Tür.
„Mom?“ Ihre Mutter stand da, im Bademantel, und gähnte.
„Guten Morgen, mein Liebling. Kaffee?“
Keira lächelte ihre Mutter an. „Bist du extra früh aufgestanden, um mir Kaffee zu machen?“ Sie war gerührt. Sie hatte sich innerlich darauf eingestellt, unterwegs etwas auf die Hand zu nehmen.
„Ich bekomme schließlich nicht jeden Tag die Gelegenheit dazu“, erwiderte Mallory.
Keira betrat die Küche und küsste ihre Mutter auf die Wange. „Danke, das ist wirklich nett von dir.“
Mallory wirkte überrascht. „Ich glaube, Cristiano hat einen sehr guten Einfluss auf dich.“
„Der Gedanke ist mir auch schon gekommen.“
Sie kehrte zurück in ihr Zimmer und zog sich in der Dunkelheit an, während Kaffeeduft sich im ganzen Apartment ausbreitete. Als sie aus dem Zimmer trat, wurde es draußen gerade hell.
„Schläft er noch?“, fragte Mallory, als Keira in die Küche zurückkehrte.
„Ja.“ Sie nahm den Kaffee, den die Mutter ihr reichte, und nippte daran. Er war etwas bitter, aber so früh am Morgen konnte sie von ihrer Mutter wohl kaum einen perfekten Kaffee erwarten.
„Du wirst ihn nicht mit Fragen bombardieren, sobald er aufgestanden ist, oder?“
Mallory machte ein tadelndes Geräusch. „Liebling, wir müssen doch wissen, wer er ist. Du kannst nicht einfach jeden Monat deine Liebe für einen Anderen verkünden und nicht erwarten, dass wir ein bisschen misstrauisch werden.“
Keira seufzte schicksalsergeben. „Na gut, Mom. Das verstehe ich. Ich benehme mich in letzter Zeit etwas verrückt. Vergraule ihn aber bitte nicht.“ Sie trank den Kaffee aus und küsste ihre Mutter erneut auf die Wange. „Ich habe dich lieb. Danke für das Essen.“
Dann beeilte sie sich, die U-Bahn zur Arbeit zu erwischen.
*
Eine ganze Stunde in der U-Bahn zu verbringen, war keine gute Art, den Tag zu beginnen. Als Keira endlich ausstieg, fühlte sie sich schmuddelig, als hätte sie nicht am Morgen schon geduscht. Und ihre Kleidung war verknittert. Kein guter Eindruck am ersten Tag zurück im Büro.
Aber als sie durch die großen Glastüren das Büro von Viatorum betrat, machte sie sich um ihre Erscheinung keine Sorgen mehr. Ihre Kollegen sprangen von ihren Stühlen und kamen eilig auf sie zu.
„Keira!“, rief Denise und umarmte sie stürmisch. „Du hast es geschafft!“
„Was geschafft?“
„Unser aller Jobs gerettet!“, erklärte Denise. „Jetzt machen wir gute Gewinne. Lance meint, wir müssten dann auch nicht alles umkrempeln. Keine Ratgeberkolumne oder Rezepte.“ Sie verzog das Gesicht.
„Das ist doch großartig“, erwiderte Keira lächelnd. Sie konnte nicht recht glauben, dass allein ihr Artikel das bewirkt haben sollte.
„Wann lernen wir ihn denn kennen?“, fragte Denise ganz aufgeregt.
„Ihn?“
„Cristiano!“
Keira entging nicht der schwärmerische Unterton ihrer Kollegin.
„Nun, ich hatte eigentlich nicht vor, ihn mit ins Büro zu bringen“, gab sie zurück.
Denise runzelte die Stirn. „Aber du musst. Du kannst nicht erst dafür sorgen, dass wir uns alle in ihn verlieben, und ihn uns dann vorenthalten! Ich meine, allein von deiner Beschreibung her klingt er einfach umwerfend. Ist er umwerfend?“
Nun, also … schon, aber …“, fing Keira an.
„Dann musst du ihn mitbringen. Bitte, Keira.“
Keira gefiel das nicht. Cristiano war doch kein Souvenir aus dem Urlaub. Er war ihr Lover. Denise verwechselte da offenbar Fiktion und Fakten. Hatte Keira etwa aus Versehen aus Cristiano einen romantischen Protagonisten gemacht?
Ihr Blick fiel auf Nina, die an ihrem Tisch saß und ihr kurz zuwinkte, dann aber weiter tippte. Sie erledigte, was sie zu tun hatte und kam dann ebenfalls zu ihr herüber. Sie umarmten sich.
„Gute Arbeit bei dem Artikel, Keira. Wie gewohnt.“
Keira wurde rot. „Danke.“
„Schön, dass du wieder da bist.“
„Ja, finde ich auch.“ Keira grinste. „Es ist so lange her, dass ich sogar Spaß dran hatte, meine Wäsche zu waschen.“
Sie ging in die Richtung ihres Büros, aber Nina hielt sie am Arm fest. Keira blieb stehen.
„Nicht so schnell. Elliot will dich sehen.“
„Oh?“ Keira blickte zur der offenen Tür zu seinem Büro. Sie konnte eine leichte Nervosität nicht unterdrücken. Auch wenn sie mit Elliot gut auskam, war er dennoch eine beeindruckende Persönlichkeit, was auch an seiner Größe lag. „Jetzt sofort?“
„Jap.“ Nina lächelte.
Da war etwas in ihrem Blick. Sie verbarg etwas vor Keira. Das machte Keiras Unbehagen nur noch größer.
Sie atmete tief durch, änderte die Richtung und ging zu Elliots Büro.
Als sie eintrat, blickte er auf. Zu Keiras Erstaunen stand er auf und breitete die Arme aus, um sie zu umarmen. Keira ließ es irritiert geschehen. Es fühlte sich an, wie bei einem Kind, das einen entfernten Onkel umarmte. Diese Vertraulichkeit passte nicht zu ihm.
„Meine Heldin ist wieder da“, sagte er und setzte sich wieder. „Ich nehme an, du hast die Neuigkeiten schon vernommen?“
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