Was an diesem Manne »seinen Kindern« am besten gefiel, das waren seine Gemütlichkeit und seine Antworten; er redete ihre Sprache. Cadenet, seine beiden Gehilfen und Cérizet, die inmitten des fürchterlichsten Elends ihr Leben verbrachten, bewahrten den Gleichmut der Leichenträger gegenüber den Erben, der alten Gardesergeanten angesichts der Toten; wenn sie den Schrei des Hungers und der Verzweiflung hörten, so jammerten sie ebenso wenig wie die Chirurgen beim Stöhnen ihrer Kranken in den Hospitälern, und wie die Soldaten und die Wärter machten sie nichtssagende Redensarten, wie: »Habt Geduld und ein bisschen Mut! Was nützt es euch, wenn ihr verzweifelt? Und wenn ihr euch umbringt, was dann? ... Man gewöhnt sich an alles; nur etwas Vernunft, usw.«
Obwohl Cérizet so vorsichtig war, das für seine morgendlichen Geschäfte erforderliche Geld in dem doppelten Boden des Sessels, auf dem er saß, versteckt zu halten, nicht mehr als hundert Franken auf einmal herauszunehmen, die er in seine Hosentaschen steckte, und neuen Vorrat nur zwischen zwei Schüben seiner Kunden herauszuholen, während die Tür geschlossen blieb und erst wieder geöffnet wurde, wenn er seine Taschen untersucht hatte, so war für ihn von den mannigfachen Verzweifelten, die von allen Seiten zu dieser Geldquelle zusammenströmten, doch nichts zu befürchten. Es gibt ohne Zweifel recht viele Arten, auf die man sich als ehrlich oder tugendhaft erweisen kann. Der Mensch mag vor seinem Gewissen schuldig sein, er mag es offensichtlich an Zartgefühl haben fehlen lassen und gegen die Vorschriften der Ehre gesündigt haben: damit verfällt er noch nicht der allgemeinen Missachtung; er mag direkt ehrlos gehandelt haben und vor das Zuchtpolizeigericht gezogen worden sein: damit kommt er noch nicht vor das Schwurgericht; aber wenn er selbst von diesem verurteilt und der Ehrenrechte beraubt worden ist, so kann er selbst im Bagno geachtet werden, wenn er nicht gegen die Verbrecherehre handelt, die darin besteht, dass man kein Denunziant ist, ehrlich teilt und die gleiche Gefahr mit den andern auf sich nimmt. Nun, diese letzte Sorte von Ehrenhaftigkeit, die vielleicht nur das Ergebnis der Berechnung und der Notwendigkeit ist, die aber dem danach Handelnden noch eine gewisse Möglichkeit bietet, sich großherzig zu zeigen und sich zu bessern, sie herrschte absolut zwischen Cérizet und seiner Kundschaft. Cérizet irrte sich niemals, und seine Armen ebensowenig; es gab auf beiden Seiten in bezug auf Kapital und Zinsen niemals Streit. Mehrfach hatte Cérizet, der übrigens ein Kind des Volkes war, von einer Woche zur andern einen unabsichtlichen Irrtum zugunsten einer armen Familie berichtigt, die ihn gar nicht gemerkt hatte. Daher galt er zwar als ein Hund, aber als ein anständiger Hund, und sein Wort inmitten dieser Schmerzensstadt als heilig. Als eine Frau gestorben war, die ihm dreißig Franken schuldete, sagte er zu den Versammelten:
»Das ist mein Gewinn, und da flucht ihr noch auf mich! Und trotzdem werde ich ihre Kleinen nicht darum schikanieren! ... Und Cadenet hat ihnen noch zu essen und Wein gebracht.«
Seit diesem hübschen Zuge, der übrigens auf kluger Berechnung beruhte, sagte man von ihm in beiden Faubourgs:
»Er ist doch kein schlechter Mensch! ...«
Das Geldleihen auf eine Woche, wie es Cérizet betrieb, ist verhältnismäßig keine so schlimme Plage, wie das Verpfänden auf dem Pfandleihhause. Cérizet gab am Dienstag zehn Franken unter der Bedingung her, dass er am Sonntagmorgen zwölf zurückerhielt. In fünf Wochen verdoppelte er auf diese Weise sein Kapital, aber es gab auch viele Abweichungen. Seine Gefälligkeit bestand darin, ab und zu nur elf Franken fünfzig Centimes zurückzufordern; die Zinsen blieb man schuldig. Und wenn er einem kleinen Fruchthändler fünfzig Franken gegen die Rückzahlung von sechzig, oder einem Lohgerber hundert gegen die von hundertzwanzig lieh, so war das ein Risiko.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.