Übersicht
I. Vorgaben für die Vorstandsvergütung |
1 |
II. Festsetzung der Vorstandsvergütung |
3 |
III. Inhaltliche Vorgaben für die Vorstandsvergütung |
10 |
1. Das Gebot der Angemessenheit |
11 |
a) Bezugspunkt „Gesamtbezüge“ |
15 |
b) Kriterien der Angemessenheit |
18 |
aa) Die Aufgaben des Vorstandsmitglieds |
19 |
bb) Die Leistung des Vorstandsmitglieds |
20 |
cc) Die Lage der Gesellschaft |
22 |
dd) Die Üblichkeit der Vergütung |
23 |
ee) Weitere Kriterien der Angemessenheit |
25 |
c) Angemessenheit von Abfindungszahlungen |
26 |
2. Anwendbarkeit des Angemessenheitsgebots bei Leistungen Dritter |
30 |
3. Folgen der Festsetzung unangemessener Vergütung |
32 |
a) Haftung der Aufsichtsratsmitglieder |
32 |
b) Unwirksamkeit dienstvertraglicher Vergütungsklauseln bei unangemessener Vergütung? |
33 |
4. Das Gebot der Nachhaltigkeit |
34 |
a) Einzelne Bestandteile der Gesamtbezüge |
36 |
aa) Monetäre variable Vergütung |
36 |
bb) Share Ownership Guidelines |
44 |
cc) Aktienoptionen |
45 |
dd) Phantom Stocks und ähnliche schuldrechtliche Instrumente |
46 |
b) Zulässigkeit reiner Fixvergütung |
47 |
c) Verhältnis von fixer und variabler Vergütung |
52 |
d) Zulässigkeit einzelner Vergütungsbestandteile mit kurzfristigen Vergütungsanreizen |
53 |
5. Vorgaben zur Art der Ziele |
61 |
6. Höhenmäßige Begrenzung und Herabsetzung der Vorstandsvergütung |
62 |
a) Höchstgrenzen (Caps) |
62 |
b) Begrenzungsmöglichkeit bei außerordentlichen Entwicklungen |
66 |
c) Herabsetzung der Bezüge durch den Aufsichtsrat |
67 |
IV. Transparenz der Vorstandsvergütung: Offenlegung |
73 |
I. Vorgaben für die Vorstandsvergütung
1
Die Finanzmarktkrise 2007/2008 hat auch für Aktiengesellschaften, die nicht als Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute i.S.d. §§ 1 Abs. 1b, 53 Abs. 1 KWG den strengeren Regelungen des Kreditwesengesetzes (KWG) und der Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) unterfallen, zu strengeren Vorgaben für Vergütungsanreize der höchsten Führungsebene geführt und gleichzeitig die öffentliche Wahrnehmung der Einhaltung entsprechender gesetzlicher Regelungen (Vergütungs-Compliance) geschärft. Mit dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG),1 das zum 5.9.2009 in Kraft trat, sollten „Lehren aus der Finanzmarktkrise“ gezogen, Fehlanreize durch kurzfristig angelegte Vergütungsparameter verhindert und so die Ausrichtung auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung sichergestellt werden.2 Umgesetzt wurde dies insbesondere durch eine Erweiterung der Kriterien des Aktiengesetzes (AktG), die der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der individuellen Vorstandsbezüge gemäß § 87 Abs. 1 AktG zu beachten hat. Zugleich wurden mit dem VorstAG Mechanismen geschaffen oder verfeinert, die die Effektivität der (erweiterten) Vorgaben des AktG für die Vergütungsfestsetzung sicherstellen sollen. So wurde in § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG ein zwingender Mindestselbstbehalt von 10 % beim Abschluss von D&O-Versicherungen für Vorstandsmitglieder (nicht: Aufsichtsratsmitglieder) aufgenommen.3 Die Nachhaltigkeit der Vergütung wird zugleich dadurch sichergestellt, dass die „Kann“-Vorschrift des § 87 Abs. 2 AktG zur nachträglichen Herabsetzung der Vorstandsbezüge im Falle einer Verschlechterung der Lage der Gesellschaft (zuvor: „wesentlichen“ Verschlechterung), die die Gewährung der zunächst festgesetzten Bezüge unbillig erscheinen lassen würde (zuvor: „schwere“ Unbilligkeit), in eine „Soll“-Vorschrift gewandelt wurde (zuvor: „so ist der Aufsichtsrat berechtigt“), sodass im Falle der Unbilligkeit „nur [noch] bei Vorliegen besonderer Umstände [...] von einer Herabsetzung abgesehen“4 werden kann (s. Rn. 67 f.). Gleichzeitig wurde in § 116 AktG durch einen neuen Satz 3 (deklaratorisch) klargestellt, dass der Aufsichtsrat im Falle der Festsetzung unangemessener Vergütung i.S.d. § 87 Abs. 1 AktG auf Schadensersatz haftet (s. Rn. 32).5 Dem korrespondiert die Erweiterung der nicht aus dem Aufsichtsratsplenum in Ausschüsse delegierbaren Aufgaben um die Festsetzung der Vorstandsvergütung in § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG. Zugleich wurde in § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG als weiteres Kontrollinstrument das Recht eingeräumt, über die Vorstandsvergütung in der Hauptversammlung Beschluss zu fassen (sog. „say on pay“) (s. Rn. 9). Um im Sinne von Nachhaltigkeit i.w.S. und Transparenz im Falle eines Wechsels eines Mitglieds des Vorstands in den Aufsichtsrat derselben börsennotierten Gesellschaft dem Anschein entgegenzuwirken, dass das ehemalige Vorstandsmitglied als Mitglied des Aufsichtsrats die Aufarbeitung von Unregelmäßigkeiten oder Korrektur von strategischen Fehlentscheidungen des Vorstands aus der eigenen Vorstandszeit be- oder verhindern könne, wurde schließlich mit dem VorstAG eine grundsätzlich zweijährige Karenzzeit für ehemalige Vorstände vor dem Wechsel in den Aufsichtsrat eingeführt,6 die nur dann nicht gilt, wenn das Aufsichtsratsmitglied auf Aktionärsvorschlag, der eines Quorums von 25 % der Stimmen bedarf, gewählt wird. Um die Transparenz weiter zu erhöhen, wurden schließlich die Pflichtangaben im Anhang zur Bilanz/Gewinn- und Verlustrechnung für börsennotierte Gesellschaften in § 285 Ziff. 9 lit. a Satz 6 Handelsgesetzbuch (HGB) erweitert – im Wesentlichen um die Angabe von Leistungen, die dem Vorstand hinsichtlich der Beendigung seiner Tätigkeit zugesagt sind.
2
Zu den Vorschriften des AktG kommen die Empfehlungen und Anregungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK). Der DCGK wurde im Jahr 2002 zur Steigerung von Nachvollziehbarkeit und Transparenz des deutschen Corporate Governance Systems für nationale und internationale „Stakeholder“ (Anleger, Kunden, Mitarbeiter, Öffentlichkeit) eingeführt.7 Zugleich lassen jedoch Regelungen, die über das AktG hinausgehen, das Ziel einer verhaltenssteuernden Wirkung erkennen („international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung“).8 Regelungsadressaten des DCGKsind börsennotierte Gesellschaften und solche mit Kapitalmarktzugang i.S.d. § 161 Abs. 1 Satz 2 AktG. Die Regierungskommission DCGK will den Kodex jedoch auch als Handlungsempfehlung für nicht kapitalmarktorientierte Gesellschaften verstanden wissen.9 Von Empfehlungen („Sollen“) kann grundsätzlich nicht ohne jährliche Offenlegung abgewichen werden, § 161 Abs. 1 AktG („comply or explain“-Grundsatz10), bei bloßen Anregungen („Sollte“) dagegen ist eine solche Offenlegung nicht erforderlich.11 Jährlich vom Berlin Center of Corporate Governance der TU Berlin veröffentlichte Studien zur Einhaltung der Vorgaben des Kodex zeigen bei insgesamt hoher und gestiegener Befolgungsrate (86,2 % bei in Frankfurt am Main notierten Unternehmen in 2015) durchaus erhebliche Abweichungen hinsichtlich der Umsetzung der einzelnen Empfehlungen des Abschnitts 4 des DCGK zur Vorstandsvergütung in der Praxis:12 So steht etwa im Jahr 2015 einer Befolgungsrate von 100 % hinsichtlich der Aufteilung der Vergütung in fixe und variable Bestandteile (E13; Ziffer 4.2.3 Abs. 2 Satz 2 DCGK) eine Akzeptanzquote von 79,2 % hinsichtlich des doppelten Abfindungscaps (E26; Ziffer 4.2.3 Abs. 4 Satz 1 DCGK) gegenüber. Geringere Akzeptanzraten erzielen bislang auch die auf eine Steigerung der Transparenz gerichteten Empfehlungen zur Veröffentlichung der erreichbaren Maximal- und Minimalvergütung bei Gewährung variabler Vergütungsbestandteile sowie die Empfehlungen hinsichtlich der Angaben zum Zufluss von kurzfristigen und langfristigen variablen Vergütungsbestandteilen im Vergütungsbericht.13
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