„Das geht nicht“, seufzte ich und lümmelte mich tiefer ins Sofa. „Weißt du doch. Wenn ich auch noch in den Wald laufen müsste, bevor ich dich rufe, könnte ich dich nicht lange in Fioria halten.“
„Verrückt, dass dich die Schwangerschaft so schwach macht“, jammerte er.
„Ich hätte auch lieber mehr Kraft, aber langsam gewöhne ich mich daran“, erzählte ich. „Hier drinnen wäre es sowieso zu eng, um alle 14 Geister und die 13 Dämonen zu rufen.“
„Das stimmt“, lachte Celeps und flatterte so schnell mit seinen durchsichtigen Flügeln, dass er wirkte, als würde er in der Luft stehen. „Was machst du heute Abend denn noch?“
„Lloyd und ich sind bei den Nachbarn zum Essen eingeladen. Und was hast du vor?“, erkundigte ich mich.
„Ich muss mich im Wald bei Brislingen um einige Bäume kümmern. Denen geht es nicht gut.“ Er flatterte wieder um mich herum. „Das ist schlimm!“
Als er mein Heimatdorf erwähnte, senkte ich den Blick. „Oh.“
„Ich grüße die Animalia im Wald von dir“, versprach er.
Ich streckte meine Hände nach ihm aus und drückte den kleinen Geist sanft an mich. „Danke.“
Da betrat Lloyd das Wohnzimmer. „Mia, bist du so weit? Elly und Burkhard warten bestimmt schon auf uns.“
Ich nickte. „Klar. Celeps, wir sehen uns.“
„Unbedingt!“
„Tschüss, Celeps“, verabschiedete sich auch Lloyd von ihm.
Der Waldgeist setzte sich kurz auf seine Schulter, bevor er mit einem hellen Lichtblitz verschwand.
Mein Freund reichte mir seine Hand. „Kommst du?“
Ich ließ mich von ihm auf die Beine ziehen. „Schon lustig, vorgestern haben wir noch darüber geredet, dass Elly vielleicht an unserer Tür klingelt, und dann lädt sie uns prompt für heute zum Essen ein.“
„Wir haben es verschrien“, lachte er. „Und zwei Stunden Theater schaffen wir schon.“
„Wir spielen jeden Tag stundenlang bei der Arbeit Theater“, merkte ich an.
Lloyd reichte mir meine Jacke und schlüpfte in seinen eigenen Mantel. Wir hatten uns ein wenig schick gemacht, wobei mich mein kugeliger Bauch ziemlich nervte. Ich fühlte mich wirklich fett. Und dass Elly immer so einen Wirbel um meine Schwangerschaft machte, nervte noch viel mehr. Aber gut, Augen zu und durch, um der guten Nachbarschaft willen. Immerhin hatte uns die Frau sehr dabei geholfen, uns in Renia zurechtzufinden.
„Sitzt meine Perücke richtig?“, fragte ich, als wir vor der Tür vom Nachbarhaus standen.
Lloyd nickte. „Perfekt.“
Ich klingelte, als uns die pummelige, schwarzhaarige Nachbarin auch schon öffnete. „Mia! Lloyd! Meine Lieben, kommt doch rein!“, rief sie und drückte uns der Reihe nach.
„Danke, Elly“, keuchte ich unter ihrem festen Druck.
„Oh nein, tue ich dir weh?“, fragte sie entsetzt und ließ mich los. „Ich will ja nicht, dass eurem süßen, kleinen Kind was passiert.“
„Alles okay“, beruhigte ich sie.
Sie strich ihr geblümtes Kleid zurecht und strahlte mich an. „Ein Glück. Dann ab ins Esszimmer, ihr kennt den Weg ja. Das Essen ist angerichtet.“
„Ist Lloyd da?“, rief eine kindliche Stimme, gefolgt von schnellen Schritten. Im nächsten Moment stand der zwölfjährige Junge auch schon bei uns. „Lloyd!“
„Hi, Quirin“, begrüßte mein Freund ihn und schlug bei ihm ein. „Alles klar bei dir?“
„Und ob! Ich hab morgen schulfrei“, erzählte der schlaksige Junge.
„Klingt sehr gut“, kommentierte Lloyd, während wir ins Esszimmer gingen.
„Hallo, Mia“, begrüßte mich Quirin nun ebenfalls. „Du bist dicker geworden.“
„Quirin, das sagt man nicht zu einer schwangeren Frau!“, ermahnte Elly ihn sofort und legte schnell einen Arm um mich. „Mia, du siehst hinreißend aus, wirklich! Du strahlst richtig!“
„Schon gut, ist alles in Ordnung“, wimmelte ich sie ab und zwang mich zu einem Lächeln. Als würde ich es einem Zwölfjährigen übel nehmen, wenn er ehrlich zu mir war. „Schön, dich zu sehen, Quirin.“ Der Junge grinste mich an, bevor er weiter mit Lloyd plauderte.
Als wir das Esszimmer betraten, erhob sich Ellys Mann Burkhard von seinem Stuhl, um uns die Hand zu reichen. „Guten Abend.“
„Ebenso“, antwortete Lloyd.
Ich nickte dem Mann nur zu. Ich fand den Oberschullehrer ehrlich gesagt sehr anstrengend und erschreckend ernst ‒ sogar äußerlich. Er trug immer Anzug und Krawatte, hatte ganz kurze Haare und eine Brille. Ich fragte mich oft, wie es seine Frau mit ihm aushielt.
„Bedient euch“, forderte Elly uns auf, nachdem wir uns hingesetzt hatten. „Es gibt vegetarisches Risotto mit Gemüse aus unserem eigenen Garten.“
„Wow, das sieht lecker aus“, freute ich mich. „Und vielen Dank, dass es extra was Vegetarisches gibt.“
„Nicht doch, meine Liebe, das mach ich gerne“, lachte sie.
„Mama sagt immer, wenn jemand schwanger ist, soll man Rücksicht nehmen“, äußerte sich Quirin.
Ich seufzte leise. Elly war lieb, aber diesbezüglich auch ein wenig eigen. „Sei still beim Essen, wenn dich niemand zum Reden auffordert“, verlangte Burkhard. „Und iss.“
„Ja, Papa“, murmelte der Kleine eingeschüchtert.
Lloyd und ich tauschten einen betrübten Blick. Es ging wieder los ...
„Setz dich gerade hin, Quirin“, fuhr der Lehrer fort.
„Ja, Papa“, wiederholte sein Sohn.
Elly räusperte sich. „Wie ... wie läuft es denn in der Arbeit, Mia?“
„Gut“, begann ich zu erzählen. „Es gibt immer was zu tun in der Praxis. Vor allem Frau Hana hat endlos viele Aufgaben für mich.“
„Dabei wollte sie dich erst gar nicht einstellen“, lachte meine Nachbarin. „Wie gut, dass sie ihre Meinung geändert hat.“
Lloyd lächelte. „Wenn man erst mal sieht, wie Mia mit Animalia umgeht, muss man sie einfach in einer Animaliaarztpraxis einstellen.“
„Das hat Frau Hana auch gesagt“, bestätigte ich. „Sie meinte, sie wollte nie eine Assistentin, aber ich wäre echt praktisch. Es war mein Glück, dass es gerade einen Notfall gab, als ich mich in der Praxis vorgestellt habe.“
„Was für einen Notfall?“, fragte Quirin.
„Hör auf zu zappeln“, ermahnte ihn sein Vater.
„Ja, Papa ...“
„Da war ein aggressives Nekota, das Herrn Hana verletzt hat“, erzählte ich und lächelte den Jungen aufmunternd an. „Ich konnte es beruhigen.“
Quirin grinste. „Ich hätte auch gern ein Nekota. Oder einen Feuerhund.“
„Hier gibt es keine Hausanimalia“, brummte Burkhard.
„Ja, Papa, ich weiß.“
„Kann ich dich nach dem Essen kurz mit Elly und Burkhard allein lassen?“, flüsterte Lloyd mir zu. „Ich würde gerne eine Runde mit Quirin spielen.“
„Mach das“, antwortete ich leise. „Der arme Kerl braucht dringend etwas Spaß ... Dafür halte ich die zwei in Schach.“
Lloyd spielte öfter mal mit Quirin, entweder draußen oder an der Spielkonsole. Der Junge unternahm wahnsinnig gerne etwas mit meinem Freund, was mich nicht wunderte, wenn ich mir anschaute, wie seine Eltern mit ihm umgingen.
„Und wie läuft es bei deinem Job, Lloyd?“, erkundigte sich Elly. „Es muss doch grässlich sein im Krankenhaus! Immer diese Verletzten!“
„Ähm, mir gefällt die Arbeit“, antwortete er. „Nur der Schichtdienst ist manchmal etwas blöd.“
„Falls du mal nicht zu Hause sein kannst, Mia aber Hilfe braucht, dürft ihr euch jederzeit bei mir melden“, bot sie an.
Ich nickte ihr zu. „Lieb von dir.“
„So, wer will Nachtisch? Ich habe Schokoladencreme gemacht.“
„Ich!“, rief Quirin.
„Rede leiser“, verlangte sein Vater.
„Ja, Papa ...“
Es dauerte nicht lange, bis Lloyd und Quirin zum Spielen ins Zimmer des Jungen gingen und ich mit dessen Eltern allein am Tisch zurückblieb.
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