»Ich weiß nicht. Ja, schon möglich. Aber Eifersucht gibt es unter Sklaven eigentlich nicht. Sie haben zu dienen und nicht zu lieben. Aber dass es ihm nicht recht war, dass ich Allan auch bestrafte und mir Dienste von ihm holte, war völlig offensichtlich.«
Doreen wollte zwar noch weiter über dieses Thema sprechen, ließ es jedoch auf sich beruhen. Mit weiteren Fragen würde sie zu viel Staub aufwirbeln und diesen Wurm vielleicht nur warnen. Sicher würde Helena mit ihm über dieses Gespräch reden.
»Wie oft haben Sie sich mit Allan getroffen? Oder auch zu dritt?«
Erneut starrte sie aus dem Fenster. »Alle ein bis zwei Wochen, würde ich sagen. Aber da sehen Sie am besten im Onlinekalender nach. Dort stehen alle Termine. Ich merke mir solche Nichtigkeiten nicht.« Sie stieß ein heiseres Lachen aus, das recht rasch in eine lang anhaltende Hustensalve überging, die Zeuge ihrer schweren Nikotinabhängigkeit war.
Salomon war inzwischen klar, dass sie ihre geplante Strategie nun völlig ändern musste. Sie konnte nicht wie gedacht vorgehen, nicht nach diesem Gespräch.
»Hatte Allan noch andere Spielpartnerinnen?«, fragte Doreen und nahm ihren Kugelschreiber in die Hand, um die Namen zu notieren. Doch zu ihrer Verwunderung hatte er keine.
»Er ist ziemlich auf mich fixiert, müssen Sie wissen. Ich weiß, was er braucht, wo seine Grenzen liegen, wo ich sie erweitern kann und womit ich ihn effektiv bestrafen kann.« Sie lächelte, doch im nächsten Augenblick verfinsterte sich ihre Miene. »Entschuldigung, aber ich habe irgendwie noch nicht wirklich begriffen, dass er tot ist. Ich meine natürlich, er war ...«
Nun kämpfte sie erneut mit den Tränen.
»Eine Frage noch, dann können Sie wieder gehen. Verlangen Sie für Ihre Spiele Geld von den Sklaven?«
Sie lachte laut auf und krümmte sich Sekunden später wieder in einem Hustenanfall.
»Gott, nein! Sie machen mir hin und wieder ein Geschenk in Form einer Peitsche oder von Schuhen. Aber das ist nicht der Rede wert. Ich mache das, weil es mir Spaß macht, weil ich es genieße, Macht zu haben, Masochisten zu quälen und Devotlinge zu erziehen. Und ich liebe es, mich von großen Schwänzen ficken und von ausdauernden Zungen gut lecken zu lassen. Aus keinem anderen Grund sonst.« Sie machte eine kurze Pause und fügte dann hinzu: »Wurm ist jetzt auf Eis gelegt. Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder mit ihm spielen kann. Wahrscheinlich werden mir immer die Erinnerungen an Allan einen Strich durch die Rechnung machen und das hat dann wenig bis gar keinen Sinn. Wer weiß, ob ich in nächster Zeit überhaupt spielen kann und will. Das Ganze ist so ... Es ist eine echte Tragödie!«
Salomon war wegen der sehr direkten und ehrlichen Aussage etwas schockiert, aber sie würde sich an ein solches Vokabular gewöhnen müssen, bis sie den Fall aufgeklärt hatte. Sich auf das Niveau des Mörders zu begeben, war eine ihrer Hauptaufgaben, denn nur so hatte sie die Chance, zu erahnen, wie er in etwa gedacht und gehandelt haben könnte.
Doreen bedankte sich bei Helena und begleitete sie zur Tür. Doch anstatt Cavendish anzurufen, wie sie es ursprünglich geplant hatte, setzte sie sich wieder auf den Stuhl und dachte nach.
Wenn dieser Wurm eifersüchtig auf Allan gewesen war, hatte er ein Motiv gehabt, ihn zu ermorden – und die Gelegenheit. Die Frage, ob Allan vielleicht auch noch jemand anderen empfangen hatte, weil er gefesselt am Strafbock hing, drängte sich natürlich ebenfalls auf.
Oder Helena selber hatte ihm das Messer ins Rückenmark getrieben. Vielleicht hatte Allan doch noch eine andere Domina oder gar einen Dominus, auf den oder die Helena eifersüchtig war. In diesem Fall war alles möglich. Helena kam also vorläufig auf die Liste der Verdächtigen.
Doch weil es sich hierbei um eine sehr delikate Neigung handelte, die von ganz speziellen Menschen ausgelebt wurde, hegte Salomon Zweifel, mit ihrer normalen Vorgehensweise ans Ziel kommen zu können. Sie wusste auch, dass sie Cavendish nicht allein vernehmen sollte.
Sie verließ das Büro und fühlte sich trotz des eher wertlosen Gesprächs mit der Domina gut. Die Welt war plötzlich leicht und bunt. Sie sollte sich wirklich nach einem Sexpartner umsehen und so manche Stunde ihrem leiblichen Wohl widmen, anstatt permanent der Arbeit.
Kapitel 7
Doreen fand Hollister im Wagen, wo er gerade Notizen ins Tablet schrieb.
»Wie geht’s, voran? Habt ihr schon die umliegenden Gebäude inspiziert und die Besitzer befragt? Hat jemand etwas gesehen oder gehört?«, fragte sie, in der Hoffnung, ein paar wichtige Informationen zu bekommen.
»Leider nicht. Nein. Es ist wie in den schlechten Filmen über die Mafia. Niemand hat etwas gesehen oder gehört. Aber wen wundert es? Wir sind hier am Hafen, wo sich das ganze lichtscheue Gesindel herumtreibt. Ehe sie mit der Polizei zusammenarbeiten, lassen sie es lieber auf weitere Morde ankommen. Wir sind hier unerwünschter als die Pest.« Phil schnaubte vor Wut und ballte seine Fäuste.
»Lassen wir es für heute gut sein. Die Truppe soll aufs Revier fahren, dort besprechen wir alles Weitere.«
Sie stieg in den Wagen und wartete, bis Phil den Rest der Mitarbeiter informiert hatte. Währenddessen rief sie sich das Bild der Strengen Kammer ins Gedächtnis. Es war eine andere Welt, in die sie sich begeben würde, aber eine durchaus interessante. Nur zu gern hätte sie ein paar der Gerätschaften ausprobiert – eigenartigerweise allerdings aktiv.
Sie stellte sich vor, wie sie in glänzendem Lederoutfit einen nackten Mann am Flaschenzug nach oben zog. Wie sie die neunschwänzige Peitsche in die Hand nahm und die schwarzen Lederriemen auf seine weiße Haut klatschten. In ihrer Vorstellung sah es zwar gut aus, aber sie wollte dennoch wissen, wie es sich anfühlte und auch anhörte, das Klatschen der Peitsche und die Schreie des Delinquenten ...
Erneut kribbelte es zwischen ihren Beinen und sie suchte rasch nach einer Ausrede, um nicht mit aufs Revier fahren zu müssen. Sie würde sich ohnehin nicht auf die Besprechung konzentrieren können.
Zwar wunderte sie sich, dass sie im Moment völlig auf Sex fixiert war, aber sie wollte nicht zugeben, dass die SM-Toys sie beinahe um den Verstand brachten. Es war ein viel zu erhebendes Gefühl, das sie seit sehr langer Zeit nicht mehr empfunden hatte.
Sie stieg aus und rief Phil zu, dass er die Besprechung übernehmen und sich eine Fahrgelegenheit suche sollte. Sie müsste noch etwas nachprüfen.
Kapitel 8
Ihr Weg führte sie direkt in den nächsten Sexshop, den sie mit dem Gefühl betrat, etwas Unanständiges zu tun. Aber es trug zu ihrer Neugierde bei und sie bahnte sich ihren Weg bis ganz nach hinten, wo sie schon von weitem die SM-Abteilung erblickte.
Von der Vielfältigkeit der Geräte und Instrumente überwältigt, wandte sie sich zuerst einem eher harmlos aussehenden Paddle zu. Sie ließ es durch die Luft sausen, anschließend auf ihren Oberschenkel. Kurz schrie sie auf. Das Lederpaddle hinterließ einen brennenden Schmerz, mit dessen Intensität sie nicht gerechnet hatte. Weniger schmerzhaft waren die Gerte mit Schlag und auch die neunschwänzige Lederpeitsche. Was ihr allerdings gefiel, waren die klatschenden Geräusche, die das Leder auf ihrer Jeans auslöste. Wie es sich wohl anhören mochte, wenn sie auf nackte Haut trafen ...
»Wenn Sie bei einer Session zusehen möchten, sollten Sie sich beeilen. Dort hinten läuft gerade eine. Sie können reingehen und zusehen, aber bitte nicht reden oder eingreifen. Nur zusehen.«
Doreen drehte sich um und sah eine Verkäuferin, die sie mit strahlendem Gesicht anlachte. Völlig irritiert blickte sie in jene Richtung, in die die Verkäuferin aufmunternd mit dem Kinn deutete.
»Danke ...«, stammelte Doreen und ging unsicher auf eine rote Tür zu. Langsam drückte sie sie auf und blickte in einen großen Raum, in dessen Mitte ein nackter Mann über einen Strafbock gebeugt stand. Sein Hintern war dunkelrot verfärbt und einzelne bläuliche Striemen zierten die Rückseite seiner Oberschenkel.
Читать дальше