Winfried Rochner - Boxkämpfe

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Das Leben treibt gar wundersame Blüten, die hier aufgesammelt in zweiundzwanzig Satiren wahrlich Erstaunliches erzwingen.Panta rhei alles fließt.Mit herrlicher Ironie und gewohntem Wortwitz gewährt Winfried Rochner ungetrübte Einblicke in alltägliche und politische Ungereimtheiten, so unter anderem: Viele Wenden erlebte das deutsche Land Die Grundlage für eine Guteluftsteuer ward geboren Nun endlich hat die Männerwelt das eigene Kochen entdeckt Von Ehen spricht man indessen, als sei dies eine Kunstform Er kam durch fleißiges Plakatkleben In der Politik hängen Karrieren an der Redegewandtheit …Lassen Sie sich mitnehmen auf eine turbulente, vergnügliche Reise in die unergründlichen Weiten der Politik, wo all die persönlichen Vorlieben ihrer Vertreter Macht, Geld und Unvermögen ungebremst zusammentreffen. Vorlieben, die genau dieses Mittelmaß aufzeigen, das vorgaukelt, unabhängig zu regieren. Und wo eine allgemeine Schwunglosigkeit die jetzt als modern und hipp ausgegeben das Leben im Lande verändert, sodass wahrhaft historische Begegnungen möglich sind.Ein besonderes Lesevergnügen für jeden, der hintergründigen Humor mag.

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o Boxkämpfe politische andere Satiren Winfried Rochner o Impressum - фото 1

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Boxkämpfe

politische + andere #Satiren

Winfried Rochner

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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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info@papierfresserchen.de

© 2019 – Papierfresserchens MTM-Verlag + Herzsprung Verlag GbR

Mühlstraße 10, 88085 Langenargen

Telefon: 08382/9090344

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Cover gestaltet von © Jane Gerber

Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM: www.literaturredaktion.de

ISBN: 978-3-86196-902-0 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-159-6 - E-Book

*

Inhalt

Eine zufällige Begegnung

Die hohe Schule am Herd

Studentische Befindlichkeiten

Ein schleichender politischer Aufstieg

Boxkämpfe

Die Flüchtlinge sind unterwegs

Die Maulwürfe wandern aus

Ehen und Patchworkeleien

Gelegentliche Ein- und Ausblicke im Parlament

Die Energiewende – mal aussichtsreicher

Das einmalige Fahrrad

Frischluft für Beamte

Hausierer im neuen Gewand

Markttreiben

Tatattooismus

Theater

Wir schaffen das

Wir ziehen um

Wo ist nur der Name geblieben

Der Alte Fritz

Der Autokauf

Handwerkers Lied

Der Autor

*

Eine zufällige Begegnung

Mich überkam die Lust, einen Spaziergang in meinem Kiez zu unternehmen. Ich ging aus meiner Werkstatt zur U-Bahn und wollte gerade die Treppe hinabsteigen, als mir ein älterer Mann treppauf entgegenkam. Er lief mühselig und langsam, sodass ich ihn näher sehen konnte.

Dieser Mann kam mir sofort bekannt vor mit seiner Schirmmütze und dem markanten kleinen Spitzbart, seiner alten abgetragenen Kleidung, die einen Fleck auf der Hose deutlich zeigte. Die Schuhe, alte Modelle, die mir von einer Fotografie her bekannt erschienen.

Ich drehte mich auf der Treppe um und ging dem eher kleinen Mann hinterher. Mein leichtes Schulterklopfen ignorierte er erst, aber dann, bei einer nochmaligen Berührung, drehte er sich um und musterte mich mit stechenden Augen.

„Sind Sie nicht Herr Lenin, Wladimir Iljitsch, der große Revolutionär?“, fragte ich irritiert.

„Woher kennen Sie mich?“, bekam ich zur Antwort.

„Von Bildern und aus Ihren Werken, die ich während der Schulzeit und des Studiums lesen musste.“

Er nickte mit dem Kopfe. „Es gleicht schon einem Wunder, dass mich noch jemand kennt“, meinte er leutselig.

„Verehrter Meister, möchten Sie mich in meine Werkstatt begleiten, die sich hier ganz in der Nähe befindet? Ich stelle als selbstständiger Handwerker Holzspielzeug her. Im Sozialismus war ich der einzige Selbstständige, der – bei einer Einwohnerzahl von 170.000 Menschen – Holzspielzeug für die hiesige Bevölkerung auf den Markt brachte und jetzt noch bringt.“

Wladimir zeigte sich sofort interessiert, eine Person zu treffen, die im Sozialismus noch selbstständig arbeiten konnte. Seine früheren schnellen Bewegungen waren jetzt durch sein Alter sehr eingeschränkt.

„Sie fuhren doch in einem Viehwaggon durch Deutschland“, so sprach ich weiter, „danach haben Sie in Russland die Revolution initiiert und von Deutschland für Ihre Revolution noch ein paar Millionen bekommen.“

„Ganz richtig, der Viehwaggon war jedoch als solcher nur getarnt. In Wirklichkeit saß ich darin wie in einem Pullmanwagen, wenn Sie wissen, was ich meine.“

Ich überging diesen Einwurf und fuhr fort, seine Taten zu loben, die Kanonenkugeln, welche von der Aurora abgefeuert wurden, und den Sturm auf das Winterpalais.

„Ja, ich erinnere mich ganz dunkel, den Film habe ich gesehen. Der Sturm auf das Winterpalais war ein Fehler, denn die Matrosen haben alles geplündert und auf dem Schwarzmarkt verscheuert“, meinte er und kratzte sich an seiner Glatze unter der Schirmmütze.

„Die Aurora liegt immer noch im selben Hafen und rostet vor sich hin“, redete ich weiter, „ja, und Stalin hat nach Ihrem Tode den Posten eines Generalsekretärs übernommen und sich später Generalissimus genannt.“

„Hören Sie auf, von diesem Schleimer und Massenmörder will ich gar nichts mehr wissen. Ich hatte ihn immer schon in Verdacht, dass er mich umbringen wollte – vielleicht hat er das auch getan, aber ich bin ihm in meinem 53. Lebensjahr durch einige Schlaganfälle zuvorgekommen. Nun liege ich gut einbalsamiert im Mausoleum an der Kremlmauer. Stalin wurde und wird doch – genauso wie die anderen zwei – als Klassiker verehrt, Marx-Lenin-Stalin. Ein Lump, dieser Stalin, der nur abschreiben konnte und das nicht mal fehlerfrei. Ohne seine Sekretärin wäre er als Analphabet enttarnt, alles Lug und Trug.“

„Es gab doch ein wunderschönes Gedicht über seinen unermüdlichen Fleiß“, konnte ich mich nicht enthalten, zu sagen, „den er für das russische Volk und die Weltrevolution entwickelte. Im Kreml brennt noch Licht, das haben ihm die Ostdeutschen geschleimt.“

„Blödsinn, der konnte auch bei Licht schlafen, dieser Trottel, und sein Butler hatte Angst, dass er im Schlaf mit der brennenden Zigarette den Kreml anzünden könnte. So wie damals Nero mit einer Fackel, das allerdings noch im antiken Rom.“

„Den Großen Vaterländischen Krieg hat er gegen Hitler gewonnen“, wandte ich ein.

„Nerven Sie mich bloß nicht mit solchen Märchen, es gab genug andere Völker, beispielsweise die USA und die Engländer, die entscheidend beteiligt waren. Stalin brachte es fertig, mehr eigene Landsleute umzubringen, als der Krieg Sowjetsoldaten verschlungen hat. Man hat ihn zu spät aus dem Mausoleum entfernt, während ich dort noch ein bescheidenes Dasein friste.“

„Sie waren immer ein bescheidener Mensch, Wladimir Iljitsch.“

„Wer hat Ihnen dieses Märchen erzählt – alles nur Show, lassen Sie sich nicht täuschen. Meine Frau, die Krupskaja, kann da einiges erzählen. Ich war ein machtgeiler Terrorist und Luxusmensch, der von einer hübschen Geliebten verwöhnt wurde. Wladi, so nannte mich die Krupskaja, wenn sie mir was Bedeutendes sagen wollte. Lass ab von der Weltrevolution, iss lieber meine guten Pelmenis, stecke die Beine unter den Tisch und überlass es den Russen und deinem Vertreter Stalin, die Sowjetunion selber zu machen. Du weißt, die Störungen in deinem Kopfe, die du immer bekommst, wenn du den Stalin nur siehst, kann dein frühes Ende bedeuten.“

„Wie Sie wohl wissen, ist nun Ihr Kommunismus und in Ihren Satellitenstaaten der Sozialismus nach den Thesen Ihres Vordenkers Marx Karl, dem Schöpfer des Kapitals und anderer Schmöker, gescheitert.“

„Das sieht nur so aus, mein lieber Spielzeugfritze, der Kapitalismus und die Auswüchse in Konzernen und Banken werden nicht überleben. Zar Putin und die Chinesen sind auf dem richtigen Weg, den Kapitalismus mit dem Kapitalismus hinwegzufegen.“

Ich begann zu zweifeln. „Ach, und wie soll das gehen?“

„Nun, dann denken Sie mal an den großen Denker Hegel, der die Möglichkeit von der Negation zur Negation erfand. Es kränkelt doch überall, die USA als Weltpolizist, ein zahnloser Tiger, der geradewegs in die Pleite steuert. In fast allen Staaten bereichern sich die Regierenden und sind korrupt – die neue Weltrevolution doch nicht mehr so fern. Leider ist es Realität, solange es Religionen gibt, werden Kriege geführt. Ich erwarte einen Islamboom, der alles Bisherige vernichten wird. Dann wird die Welt ganz anders, aber nicht besser. Sehen Sie doch Ihr Land an. Die islamischen Glaubensbrüder, die Sie vor vielen Jahren freundlich aufnahmen, gehen zu Tausenden auf die Straße und skandieren für den Präsidenten eines Landes, aus dem sie ursprünglich zu Ihnen gekommen sind. Die Religionen, und die daraus entstehenden Kriege, wurden immer als Wirtschafts- und Eroberungskriege missbraucht.“

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