Else Feldmann - Flüchtiges Glück

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Else Feldmanns Berichte und Reportagen aus der Zwischenkriegszeit sind eine Schatzkiste voll mit den wundervollsten, traurigsten und wahrhaftigsten Geschichten, die das Leben in der Großstadt zwischen 1919 und 1938 schreiben konnte. Mit einem ebenso warmherzigen wie schonungslosen Blick erzählt die engagierte Sozialreporterin der Arbeiterzeitung von flüchtigen Momenten des Glücks, von der Armut, dem Elend, den Hoffnungen und Träumen in den Proletarierbezirken.
Diese erstmals in Buchform publizierten Texte heben Else Feldmanns Werk mühelos auf eine Stufe mit dem von Max Winter, Heinrich Zille oder Käthe Kollwitz.

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Else Feldmann

Herausgegeben von Adolf Opel

und Marino Valdez

Else Feldmann 1884 in Wien geboren 1942 im polnischen Vernichtungslager - фото 1

Else Feldmann, 1884 in Wien geboren, 1942 im polnischen Vernichtungslager Sobibor ermordet, wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und verfasste Erzählungen, Romane, Theaterstücke und sozialkritische Reportagen. 1933 war sie Mitbegründerin der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller. 1938 wurde ihr Werk von den Nationalsozialisten verboten.

In Erinnerung an Adolf Opel

(* 12. Juni 1934, † 15. Juli 2018 in Wien),

an dessen unermüdlichen Einsatz für die Literatur

wir uns immer ein Beispiel nehmen werden.

INHALT

»Das Volk muss vor sich selbst erschrecken« (Vorwort von Adolf Opel)

Blick aus dem Hotelfenster

Bilder von der menschlichen Seele. Mutter und Sohn

Im Warenhaus

Von Dienenden

Popper-Lynkeus. Zum 81. Geburtstag

Bilder des Elends. Rachitis

Zwei Dichter

Eine Stunde auf der Polizeistube

Tagesneuigkeiten. Der weiße Baum

Die Träume

Herzklopfen

Käthe Kollwitz

Luftballon

Gedenkblatt

Die weinenden Kinder

Man gewöhnt sich. Gespräch mit einem Gefängnisdirektor

Das Eselchen

Erster Abend in einer Stadt

Die Vierzehnjährigen

Die Tänzerin

Jute in Simmering

Wie glückliche Kinder leben

Der Maler

Der Vogelfund im Garten

Ohne Geld

Ballett der Straße. Ein Entwurf für Jazzmusik

Die Wärmestuben sind eröffnet

Die Erinnerung

Aus dem Wasser gezogen

Die Geschichte von einem Fuchs

Das Glück des Affen Putz

»DAS VOLK MUSS VOR SICH SELBST ERSCHRECKEN!«

Dieses Wort von Karl Marx – von Else Feldmann in einem Brief aus dem Jahre 1925 an den Kulturredakteur der Arbeiter-Zeitung in Wien, Dr. Otto Koenig, zitiert – könnte als Motto über dem Lebenswerk dieser Schriftstellerin stehen, die erst dank der Wiederveröffentlichung dreier ihrer Hauptwerke (Der Leib der Mutter , 1993; Löwenzahn , 1993; Martha und Antonia , 1997) einem mehr als ein halbes Jahrhundert währenden Vergessen- und Ausgelöschtsein entrissen werden konnte. Namhafte Rezensenten im gesamten deutschen Sprachraum begrüßten geradezu enthusiastisch die Entdeckung dieser Autorin der Zwischenkriegszeit, die – ohne jede Beschönigung und ohne sentimentalen Blick – die Elendsquartiere ihrer Epoche beschreibt und ihre dunkelsten Winkel ausleuchtet, zugleich aber die Möglichkeit einer Veränderung der Verhältnisse postuliert: »… ein Arbeiterpublikum erlebt ja täglich selbst die krassesten und fürchterlichsten Dinge, so kraß konnte nicht einmal ein Zola sie schildern, als sie den Tatsachen entsprechen«, schreibt Feldmann in dem anfangs genannten Brief, der sich offenbar auf die Ablehnung einer ihrer eingesandten Geschichten bezieht, die wegen »der Prüderie des Publikums« nicht abgedruckt wurde. »Und diese Dinge ernsthaft behandelt zu sehen, sollte sie abschrecken – ich glaube, das müssten dann meist solche sein, die insgeheim noch Betschwestern sind, und die sollten erst recht aufgerüttelt werden!«

Der angesehene Literat und Rezensent Felix Salten behauptet bereits 1922 anlässlich ihres Debüts als Romanschriftstellerin in der Neuen Freien Presse , sie sei »zu gut, um sie in die erste Reihe deutscher Erzähler zu stellen … Gott bewahre – wie sieht die erste Reihe deutscher Erzähler aus! Deshalb möchte ich Else Feldmann auch gar nicht in eine derartige, etwas gemischte Gesellschaft bringen … Außerdem ist es ja ganz gleichgültig, wohin ich oder sonst jemand sie stellen will. Sie hat sich mit ihrem Buch schon selbst auf einen ganz besonderen Platz gestellt.«

Drei Buchveröffentlichungen und ein ausgeführtes Theaterstück zu Lebzeiten, ein Fortsetzungsroman (der durch die Ereignisse im Februar 1934 und das Verbot der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Österreich und ihres Presseorgans Arbeiter-Zeitung unvollständig geblieben ist), einige ebenfalls in Zeitungen in mehreren Folgen publizierte längere Erzählungen und viele Kurzgeschichten und Reportagen in Tageszeitungen und Zeitschriften: Das bis heute aufgefundene schriftstellerische Lebenswerk von Else Feldmann besticht nicht so sehr durch seinen Umfang als durch die unbeirrbare Konsequenz, mit der die Autorin die Thematik verfolgt, die sie zu der ihren gemacht hat – den Erniedrigten, Unterdrückten, Ausgegrenzten und im Leben Zu-kurz-Gekommenen eine Stimme zu leihen. Natürlich war auch das soziale und politische Umfeld im Wien jener Epoche alles andere als förderlich für die literarische Karriere einer aus ärmlichen Verhältnissen kommenden sozialistischen Schriftstellerin jüdischer Herkunft. Ihr »Wien« ist kaum als das des fast gleichaltrigen Stefan Zweig zu identifizieren – Welten liegen dazwischen, das Flair der sogenannten »Belle Epoque« wird man bei Feldmann vergeblich suchen. Nicht in den großen, Prestige und Absatz garantierenden literarischen Verlagen sind ihre Bücher erschienen, sondern in kurzlebigen, abenteuerlichen Kleinverlagen der hektischen Zwischenkriegszeit; und wenn ihre Werke den Bücherverbrennungen durch die Nationalsozialisten entgangen sind, dann wohl nur, weil sie im Sortiment des Buchhandels nicht mehr vorrätig waren.

Wer den biografischen Spuren Else Feldmanns nachgehen will, ist auf recht fragmentarische Wegmarken angewiesen: Meldezettel, Sterbeurkunden, Delogierungsprotokolle, einige wenige erhalten gebliebene Briefe; manche ihrer Zeitungsberichte und Feuilletons sind in Ich-Form geschrieben, sodass sich daraus vorsichtige Hinweise auf ihre eigene Lebensgeschichte anbieten. Sie wurde am 25. Februar 1884 in Wien als Tochter jüdischer Eltern geboren, als zweites von insgesamt sieben Kindern. Zweifellos ist Else Feldmann in bescheidensten Verhältnissen aufgewachsen; die Familie wechselte häufig die Adresse, wohl aus pekuniären Gründen, wir finden sie stets an der Peripherie der Stadt, in Arbeiterund Judenvierteln. Wenn sie später in ihren Zeitungsreportagen über das Leben von bedauernswerten Armenschülerinnen und das Elend von Fabrikarbeiterinnen schreibt, können wir annehmen, dass sie hier auf eigene Erlebnisse zurückgreift. Sie berichtet in ihren Sozialreportagen vom Wiener Kinderelend , vom Sterben im Spital , vom Vorfrühling im Wiener Armenbezirk , von Wärmestuben für die Bedürftigen, über die Ausgabe von Essensmarken für die öffentliche Volksküche und Kleidergeschenke durch Wohltätigkeitsvereine …

Für die Jahre bis 1910 fehlen fast alle Angaben über Else Feldmann. In seinem Tagebuch notiert Arthur Schnitzler am 7. Februar 1909, dass eine »Frau Feldmann, Budapest, um Übersetzungsrechte bei ihm angefragt« habe; die Vermutung liegt nahe, dass es sich hier um unsere Else Feldmann gehandelt hat, unterhielt sie doch zeitlebens Kontakte nach Ungarn – der Heimat ihres von dort zugewanderten Vaters – und war bis 1925, als sie das »Heimatrecht« in Österreich erhielt, nach Nyírbátor in Ungarn zuständig. Erst 1911 taucht sie im Meldearchiv der Stadt Wien auf: »Schriftstellerin, mosaisch, ledig.« Ihr erster bisher nachweisbarer, mit vollem Namen gezeichneter Zeitungsartikel erscheint 1912 in Dr. Blochs Wochenschrift. Zentralorgan für die gesamten Interessen des Judentums , über die alljährliche Sederfeier des Vereins – »Krankenbesuch« im Tempel des Allgemeinen Krankenhauses:

Sie waren alle gekommen, alle, die ihr Bett verlassen konnten. Es war eine traurige Gemeinde, welche das schlichte kleine Bethaus füllte.

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