Ich brauchte dringend eine Ablenkung, also drehte ich mich zu Shelby um, plötzlich sehr interessiert an der Beschaffenheit ihrer Mähne. Ich hatte nicht bemerkt, dass Travis aufgehört hatte zu reden, bis er auf einmal direkt neben mir stand. »Sie ist ein besonderes Pferd«, sagte er. Es war keine Frage.
Ich musste mich räuspern. »Das ist sie.« Er wartete darauf, dass ich weitersprach, also tat ich das. »Ich hab sie bekommen, als sie noch ein Fohlen war. Oh Mann, das muss jetzt acht Jahre her sein. Als ich sechzehn, siebzehn Jahre alt war, waren wir unzertrennlich. Sie war mein bester Freund. Dann hab ich sie für drei Jahre hier zurückgelassen und als ich aus Sydney zurückkehrte, kam sie auf mich zu und hat mich glatt in den Zaun geschubst. Ich glaube, sie war sauer, dass ich sie nicht mitgenommen hatte«, sagte ich lachend. »Aber sie hat mir verziehen.«
So als wüsste sie, dass ich über sie sprach, schubste Shelby mich, aber diesmal ganz sanft.
Travis schmunzelte neben mir. »Ich glaube, sie mag dich.«
Ich sah ihn an und grinste. »Sie hat mir schon ein paar Mal den Arsch gerettet. Mal waren es Schlangen, vor denen sie gescheut und mich so gewarnt hat, oder wenn ich Streit mit meinem Dad hatte und ich mich in eines meiner Verstecke verkrochen hatte, dann hat sie mich so lange angestupst, bis ich sie wieder nach Hause brachte.«
Travis' Lächeln war warm und herzlich, so als wäre ihm das nur allzu vertraut. »Ich dachte immer, Pferde, die auf ein Pfeifen hören, gäbe es nur im Film.«
Ich lachte laut. »Die Koppeln hier sind halt ziemlich groß.« Dann fragte ich ihn: »Hast du zu Hause ein Pferd?«
»Nö. Nicht wirklich. Ich meine, wir haben zwei Pferde, aber die gehören meinen Schwestern. Ich bin mit einem aufgewachsen, und da habe ich auch reiten gelernt, aber das ist schon ein paar Jahre her. Es hat sich gut angefühlt, auf dem Burschen hier zu sitzen«, sagte er und streichelte die Stirn des braunen Wallachs. »Wie ist sein Name?«
»Er hat noch keinen«, gab ich zu. »Wir haben hier etliche Pferde. Er hier machte ein paar Probleme und ich war nicht sicher, ob er nicht am Ende des Viehtriebs mit auf einen der Trucks gehen würde.«
»Du hast mich auf ein Problempferd gesetzt?«
Sein Gesichtsausdruck brachte mich zum Lachen. »Wollte schließlich sehen, ob du reiten kannst.«
»Na toll, danke«, sagte er. Er verdrehte die Augen, aber schmunzelte dabei.
»Du hattest ihn gut im Griff.«
Travis klopfte dem Wallach zärtlich den Hals. »Er geht auf keinen Fall übernächste Woche auf einen der Trucks.«
Ich sah ihn überrascht an. »Nein?«
Er schüttelte den Kopf. »Nö. Jedenfalls nicht, solange ich hier bin.«
Ich lachte spöttisch über so viel Arroganz, aber er starrte mich an. Seine blauen Augen funkelten herausfordernd.
»Und ich darf ihm einen Namen geben«, fügte er hinzu. Dann runzelte er die Stirn, offenbar dachte er über einen passenden Namen nach. »Äh… mir fällt jetzt gerade nichts von Bedeutung ein.«
»Wie wär's mit Her Majesty's Service?«, fragte ich und verbiss mir das Grinsen.
»Hä?«
»Du weißt schon, die britischen Streitkräfte«, erklärte ich. »Haben schon immer die Amerikaner getragen.«
Ihm klappte buchstäblich die Kinnlade herunter und ich brach in schallendes Gelächter aus und erschreckte damit den Wallach. Als ich mich wieder eingekriegt hatte, starrte Travis mich immer noch an. Oder besser: Er funkelte mich an.
Ich musste noch mehr lachen. »Kapiert? Das Pferd trägt dich, und du bist Amerikaner.«
»Schon verstanden«, sagte er. »Ist nur nicht lustig.«
»Doch, war es. Wie wär's mit James Bond? Oder MIB«?
Jetzt verdrehte er die Augen. »Vielleicht nenne ich ihn Texas. Nur um dich zu ärgern.«
Immer noch lachend klopfte ich ihm auf die Schulter. »Das ist perfekt! Texas ist perfekt für dieses Pferd. Er hält sich nämlich auch für den Größten.«
Travis seufzte. »Ist heute nationaler Verarsch den Amerikaner-Tag? Das stand nämlich auch in keinem Reiseprospekt.«
Ich schnaubte vor Lachen. »Ich nehm dich nur hoch«, sagte ich und klopfte ihm diesmal auf den Arm. »Ich mein's nicht böse. So sind wir eben hier. Wir verscheißern.«
»Verscheißern?«
»Ja, wir machen uns lustig. Das war nicht nett, tut mir leid.« Ich schämte mich ein bisschen, aber es fühlte sich auch verdammt gut an zu lachen. Ich stellte meinen Fuß in den Steigbügel und schwang mich wieder auf Shelby. »Lass uns noch eben das Bohrloch am Ende dieses Zauns checken, wo wir schon mal hier sind. Die Tröge hier müssen nächste Woche einwandfrei funktionieren.«
Ich zog an den Zügeln und lenkte Shelby aus dem Schatten und am Zaun entlang. Ich weiß nicht, warum sich zu unterhalten so verdammt schwer war oder warum ich mich dabei so erbärmlich anstellte. Travis hielt mich jetzt bestimmt für einen Idioten, dabei sollte ich sein Boss sein. Ich sollte jemand sein, auf den er sich verlassen konnte, nicht jemand, der ihn verscheißerte.
Es war wirklich besser für mich, ausschließlich über die Arbeit zu reden. Oder überhaupt nicht zu reden.
Kurz darauf war Travis wieder an meiner Seite, auf dem frisch getauften Texas. »Wir werden die Herde auf diese beiden Koppeln treiben und sie dann aussortieren«, sagte ich und wandte mich damit einem wesentlich sichereren Thema zu. »In einen Pferch kommen die Bullen, in einen die Ochsen und in einen anderen die weiblichen Tiere und Kälber. Dann entscheiden wir, welche Tiere wir behalten und welche wir verkaufen.«
»Du hast mich nicht beleidigt, weißt du?«
Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. Er hatte dieses selbstgefällige, halbe Lächeln im Gesicht. Ich räusperte mich und sagte: »Ich, äh… ich hätte das trotzdem nicht sagen sollen. Und ich entschuldige mich dafür.«
»Willst du wissen, was wir in Texas auch noch haben?«, fragte er und ignorierte meine Entschuldigung. »Wir haben Sinn für Humor. Ich meine, die haben mich bei der Einreise recht gründlich durchsucht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich meinen durchgeschmuggelt hab.«
Das brachte mich zum Schmunzeln. »War's schlimm? Der Zoll, meine ich.«
»Oh, grauenvoll. Stundenlange Befragungen, Leibesvisitation, Körperöffnungen wurden untersucht.«
Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Wirklich?«
»Nein«, antwortete er trocken. Und dann lachte er.
Ich lachte leise und schüttelte den Kopf. »Oh Mann, ich dachte, du meintest das ernst.«
Er grinste darüber, dann deutete er mit dem Kopf in Richtung des Wassertrogs, dem wir uns näherten. »Wie groß ist dieses Bohrloch?«, fragte er. »Wie ist der Grundwasserspiegel hier?«
Und mir nichts, dir nichts sprachen wir über unterirdische Wasservorkommen hier bei uns und dort, wo er herkam, was zu einer Unterhaltung über Nachhaltigkeit und das Leben in der Wüste führte, wie man jeden Tropfen Wasser kultiviert, über Bewässerung und Wassergewinnung.
Er lachte, als ich erklärte, dass wir hier eigentlich nur einmal im Jahr bewässern und das dann die Nasse Jahreszeit genannt wird. Wir verbrachten den gesamten Nachmittag damit, den Zaun abzureiten, miteinander zu reden und zu lachen. Er erzählte mir von seiner Familie – er hatte einen Bruder und zwei Schwestern und noch beide Elternteile, die immer noch glücklich miteinander verheiratet waren. Die Farm liefe ordentlich, sagte er, und dass er der Zweitjüngste war und ihm das gefiel. Alle Verantwortung und Erwartungen ruhten auf dem älteren Bruder und der Schwester. »Sie können sich um diese Karriere-Heiraten-Kinder-Sache kümmern und ich kann machen, was ich will.«
»Wie zum Beispiel vier Wochen im Outback Australiens verbringen?«
»Genau«, antwortete er mit einem Grinsen. Dann fragte er: »Was ist mit deiner Familie?«
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