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Von Stubenfliegen und Osterhasen
Spannendes und Nachdenkliches
Sabrina Nickel
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Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2018 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR
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Erstauflage 2018
Cover gestaltet mit verschiedenen grafischen Elementen sowie Bildern von
© totuss (unten) + © AlienCat (oben) – Adobe Stock lizenziert
Herstellung und Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM: www.literaturredaktion.de
ISBN: 978-3-86196-765-1 – Taschenbuch
ISBN: 978-3-96074-174-9 – E-Book (2020)
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Eismädchen
Von Osterhasen und Stubenfliegen
Mutter Erde, Vater Staat
Die vererbte Schuld
Dem Vollmond entgegen
Ich sehe was, was du nicht siehst
Karma schlägt zurück
Wenn Erben dir den Tag verderben
Die Autorin
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Als ich noch jünger war, hatte ich zwei Traumberufe. Entweder wollte ich Designerin werden oder Pathologin. Beide Berufe hatten für mich ihren Reiz. Zum einen war ich schon immer sehr kreativ und saß schon früh an Großmutters Nähmaschine. Andererseits faszinierte mich seit jeher die menschliche Anatomie. Ich war fünfzehn, als ich so dachte. Kurz darauf brach meine heile Welt entzwei.
„Hey! Du wirst hier nicht fürs Gaffen bezahlt!“, brüllte Dawina aus dem Büro. Vollkommen in Gedanken hatte ich vergessen, weiter zu spülen. Hastig nahm ich einen mit angetrockneten Spinatresten verdreckten Teller und begann, ihn zu schrubben. So sah mein Leben heute aus. Das Mädchen, welches mit fünfzehn Jahren unglaublich viel vorhatte, arbeitete nun den Tag über bis spät in den Abend hinein in einem heruntergekommenen Gasthaus. Ich musste mein eigenes Geld verdienen und ein Studium war weit in die Ferne gerückt. Dawina war die Chefin dieses Ladens. Eine imposante Erscheinung, recht klein und gedrungen. Sie war ein watschelnder, gieriger Giftzwerg und ihre Kleidung war stets so dreckig, dass man meinen konnte, sie wälzte sich regelmäßig in den Speiseresten. Die Bezahlung hier war nicht gut, doch war es besser, als auf der Straße zu sitzen.
„Schneller, verdammt! Sonst ertränke ich dich in der Spüle!“, krächzte Dawina in beunruhigender Nähe. Sie hatte eine furchtbare, blecherne Stimme.
Erschrocken blickte ich auf das Spülwasser, das ich nur einmal am Tag wechseln durfte. Aus Kostengründen. Bevor ich im Wasser ersaufen würde, würde ich also an einer Lebensmittelvergiftung sterben. Den Rest des dreckigen Geschirrs spülte ich in Rekordzeit weg und trat daraufhin meinen Dienst als Bedienung an.
Außer Dawina und mir gab es noch Eddie, den Koch. Er hatte die Statur eines Wikingers, das Herz am rechten Fleck und hatte irgendwann mal im schlimmsten Knast des Landes gesessen. Aufgrund seiner Vergangenheit war dies auch für ihn der einzige Job, den er bekommen konnte. Oft verteidigte er mich, konnte sich aber auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, denn er hatte eine vierköpfige Familie, die er versorgen musste. Seine Kreationen waren ausgesprochen gut, wären da nicht die vielen abgelaufenen Zutaten in ihrer Verarbeitung, die man wegen Dawinas krankhaftem Geiz natürlich noch aufbrauchen musste. Der arme Kerl versuchte immer, alles auf höchstmöglicher Temperatur zuzubereiten, damit das abstarb, was nicht in die Nahrung gehörte.
„Solange es keinen dichten Pelz hat, kann man es noch essen“, meinte Dawina immer.
Jeder Mensch, der hier essen ging, konnte genauso gut russisches Roulette spielen. Das war weithin bekannt, weswegen sich hierhin auch nur einige Alkoholiker und unwissende Reisende verirrten. In Whisky und Gin überlebte nichts und die Reisenden sah man nie wieder. Man könnte jetzt spekulieren, warum das so war.
Gerade wischte ich mit einem grauen Lappen, der irgendwann mal eine weiße Unterhose war, über die letzten Tische, da läutete die kleine Klingel, welche so über der Tür angebracht war, dass sie sich geräuschvoll bewegen musste, wenn potenzielle Opfer eintrafen.
Ein junger Mann in Hemd und Jeans betrat die Gaststätte. Er war vielleicht um die dreißig, hatte sein halblanges, dunkles Haar nach hinten gekämmt und sein ernster Gesichtsausdruck änderte sich zu einem offenen Lächeln, als er mich sah. Eine derartige Freundlichkeit konnte nur von einem Reisenden kommen. Sofort zog er meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich konnte es kaum erklären, doch die Art, wie er sich bewegte, und seine Gestik waren so anders. So angenehm. Seine Tasche ablegend, setzte er sich an einen der freien Tische und schaute sich aufmerksam um.
„Jetzt geh da hin, du faules Miststück“, fauchte Dawina direkt hinter mir, sodass ich erschrocken zusammenzuckte. Sie sagte es leise, wie eine Drohung, doch so laut, dass der Mann sie offensichtlich gehört und verstanden hatte. Mit argwöhnischem Blick sah er zu mir herüber.
Bewaffnet mit Zettel und Stift wurde ich nachdrücklich in seine Richtung geschubst und eilte zu ihm. „Herzlich willkommen! Was darf ich Ihnen bringen?“, leierte ich fröhlich meinen Text herunter und sah seinen skeptischen Blick.
„Alles in Ordnung?“, flüsterte er leise und ich nickte sofort.
„Ja, alles gut. Man gewöhnt sich daran.“
So recht schien er das nicht glauben zu wollen, schaute sich dann aber die fleckige Speisekarte an, die zusammen mit einigen alten Bierdeckeln in einem Serviettenhalter auf dem Tisch klemmte. „Hmm, wie ist die Pute?“, fragte er mich und ich hatte sofort das grauenhafte Bild im Kopf, welches sich heute bei Schichtbeginn in mein Hirn meißelte. Kaum merklich schüttelte ich den Kopf und hoffte, dass er versteht. „Pilzomelett?“, fragte er nun.
„Die Pilze sind sehr frisch. Hat die Chefin vor der Arbeit gesammelt. Es ist alles Mögliche dabei“, bemerkte ich mit eindringlichem Blick. Ich konnte ihn nicht ins offene Messer laufen lassen und wieder begriff er sofort.
„Ein alkoholfreies Bier?“, sagte er nun mit fragendem Unterton. „Gerne“, erwiderte ich und deutete eine Verbeugung an, bevor ich davoneilte.
„Was? Nur ein lächerliches Bier?“, zischte meine Chefin verärgert und schlug mir ihr Handtuch um die Ohren. In dem Moment merkte ich, wie abgestumpft ich eigentlich geworden war. Es kümmerte mich nicht im Geringsten, wie sehr diese bemitleidenswerte Frau vor meinen Augen herumwütete, so lange mein mageres Gehalt am Ersten jeden Monats auf meinem Konto vorzufinden war – was meistens funktionierte.
„Er hat eine lange Reise hinter sich und ist bloß durstig“, zuckte ich mit den Schultern und ging gleichgültig zur Zapfanlage.
„Das verpasste Essen zieh ich dir vom Gehalt ab. Und du bringst gleich den Müll raus und putzt anschließend die Klos“, zeterte sie unüberhörbar, schmiss das Handtuch auf den Boden und rauschte davon.
„Ich möchte gerne kurz mit Ihnen sprechen. Hätten Sie Zeit?“, fragte der Mann, als ich ihm sein Bier vor die Nase stellte.
Ich musste leider verneinen und bemerkte, wie er mich enttäuscht ansah, als ich kehrtmachte, um die Mülleimer in der Küche anzusteuern.
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