1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 »Nun, was sagst du dazu?«
Amy war aufgestanden, hatte sich über ihren Vater gebeugt und ihm einen Kuss gegeben.
»Du bist der Beste, Papa. Ich freue mich jetzt doppelt und verspreche, mich wirklich gut auf die Reise vorzubereiten und dir eine dankbare und gehorsame Begleiterin zu sein.«
Die Vorbereitungen nahmen ihre Zeit in Anspruch. Da man auf der Tour durch Ägypten mehrere Klimazonen passiert, waren Sommer- und Herbstkleidung ein Muss. Auch was sonst alles eingepackt werden musste, vom Fernglas für den Herrn Oberst bis zum Tagebuch für Amy, verlangte Überlegungen und Planung.
Schließlich waren sie auf dem Weg nach Heathrow und gingen durch die Flughafenroutinen. British Airways machte es seinen Passagieren einigermaßen leicht, und insbesondere das Einchecken für Blackie war einfacher bewerkstelligt als befürchtet. Der Hund benahm sich mustergültig. Er schien zu wissen, was zu tun war und machte überhaupt keine Schwierigkeiten, als er in den Transportbehälter einsteigen musste. Er sah nur Amy an und tat, worum sie ihn bat. Das Personal schüttelte erstaunt den Kopf. Der Oberst schnaufte zufrieden.
Während des Direktfluges mit der Boing 737 von London nach Kairo sah Amy dreimal nach ihrem Hund, der ruhig in seinem Käfig lag und zu schlafen schien, aber sofort die Augen öffnete und sie ansah, als sie sich näherte und sich zu ihm hinunterbeugte. »Es ist zu ertragen«, schien er sagen zu wollen und wedelte zweimal mit seiner Rute.
Ohne Probleme kamen sie vom Flughafen zum Hilton Hotel am Nil, wo man, von Thomas Cook vorbereitet, ein Doppelapartment mit Blick über den Nil, zwei Schlafzimmern und einem Hundeliegeplatz bereithielt.
»Geld macht vieles möglich«, räumte der Oberst ein, weil seine Tochter sich verwunderte und über die Vorbereitungen glücklich war.
Erst in den folgenden Tagen, als sie sich in Kairo umsahen und nacheinander das Besuchsprogramm der sogenannten ›Must-be’s‹ in dieser unglaublich unübersichtlichen Stadt absolvierten, kam es zu ein paar Ereignissen, die Amy auffielen. Alle hatten mit Blackie zu tun. Der Hund erhielt sein Futter regelmäßig von einem einfachen Angestellten Abud, einem kleinen dürren Mann, der alle Haustiere im Hotel zu versorgen schien. Als der sich morgens zum ersten Mal im Apartment meldete, um das Futter zu bringen, und den tierischen Gast sah, machte er eine Verbeugung, fast einen Kniefall und legte dem Hund sein Futter mit allen Zeichen der Verehrung vor. So blieb es auch in den Folgetagen.
Wenn Amy mit Blackie in den Gärten um das Hotel spazieren ging, gingen ihnen einige Arbeiter aus dem Weg. Als Abud zum ersten Mal kam, um Blackie mit den Hunden anderer Gäste auszuführen, weigerte er sich mitzugehen und war nicht von der Stelle zu bringen. Als Amy selbst ihn ausführte, war er wie ein Lamm.
Bei der Besichtigung des Ägyptischen Museums, Ziel jedes Kairobesuchers, der sich für das Land interessiert, war Blackie nicht dabei. Oberst Burgess und seine Tochter erhielten eine exklusive Führung durch einen der Kuratoren, einen Mr Al-Budai, an der außer ihnen nur zwei ältere Ehepaare teilnahmen. Sie hatten gerade die Säle mit den großen Sarkophagen durchschritten und die zum Teil wundervoll innen und außen bemalten und anderweitig verzierten Särge bewundert und kamen in den nächsten Saal, der dem Brauch der Einbalsamierung der Toten und der Ausstellung von Mumien gewidmet war. Amy wollte sich schon von der Beschreibung der Einzelheiten einer Einbalsamierung mit entsprechenden Darstellungen erschrocken abwenden, als ihr Blick auf das übergroße Bildnis, offenbar eines ägyptischen Gottes fiel, der nur mit einem weißen Schurz über seinem braunen Körper bekleidet eine etwas hervortretende Wand schmückte und den Saal beherrschte. Sie blieb erschrocken stehen und rief unwillkürlich: »Papa, das ist doch Blackie, jedenfalls sein Kopf!!« Die vorangehenden Herren drehten sich um und folgten ihrer ausgestreckten Hand.
Auch Oberst Burgess schien erstaunt zu sein. Aus den Schultern des braunen Gotteskörpers wuchs das Haupt eines großen schwarzen Hundes mit langem Fang, hoch aufgestellten Ohren und grünen Augen. In der rechten Hand hielt er einen unten gegabelten langen Stab mit merkwürdiger Krücke, in der anderen ein Gerät, das wie ein Kreuz aussah, dessen einer Längsbalken wie ein Ring geformt ist.
Der Kurator trat zu Amy, um zu erfahren, was sie in solches Erstaunen versetzt habe. Sie zeigte auf das Porträt.
Mr Al-Budai erklärte ihr: »Das ist ein Bildnis des Gottes Anubis, eines der ältesten Götter des alten Ägyptens. Er ist hier in diesem Saal besonders dargestellt, weil er die Menschen in ihr Leben nach dem Tode begleitete und eine wichtige Rolle bei allen Riten für die Verstorbenen spielte. In der rechten Hand hält er das ›Was-Zepter‹, das Machtsymbol eines Gottes, in der linken den ›Anch‹, den wir auch Henkelkreuz oder ägyptisches Kreuz nennen, das Zeichen für das Weiterleben nach dem Tode. Wenn es Sie interessiert, werde ich Ihnen gern anschließend weitere Einzelheiten zu seiner Rolle im ägyptischen Pantheon erzählen, die sich über die Jahrtausende allerdings etwas verändert hat. Aber warum waren Sie eben so erstaunt und fast erschrocken?«
»Ich habe einen Hund, der hier aus Ägypten stammt, und dessen Kopf genauso aussieht wie der dieses Gottes Anubis.«
»Es gibt diese Rasse seit uralten Zeiten. Sie ist allerdings sehr selten und kommt allenfalls noch in einigen Orten am oberen Nil vor, besonders in der Nähe des ehemaligen Hauptheiligtums von Anubis auf einer Insel im Nil bei einem kleinen Ort El Kays, der früher von den Griechen bezeichnenderweise ›Cynopolis‹ genannt wurde – Stadt der Hunde. Die Hunde galten als Inkarnation des Gottes und wurden, wie alle Dinge, die mit dem Totenreich zu tun haben, von den Menschen mit großer Scheu und Vorsicht behandelt. Bei manchen Menschen in unserem Lande hält sich ein solcher Aberglaube bis heute.«
Amy dachte an das Verhalten von Abud und einiger Arbeiter im Hotel.
»Aber warum trägt dieser Gott denn diesen Hundekopf?«
»Die alten Ägypter sahen einen engeren Zusammenhang zwischen Tieren, Menschen und Göttern als wir heute. Sie wussten, dass die Götter und die Tiere, die sie in Ägypten umgaben, viel älter waren als sie, die Menschen, und deswegen einander auch näher. In den Tieren lebten die Götter und umgekehrt. Deshalb war es nur natürlich, den Gott in Tiergestalt oder in der Gestalt eines Menschen mit dem Antlitz eines Tieres oder umgekehrt darzustellen. Die Sphinx trägt ein menschliches Antlitz auf einem Löwenkörper. Die Götter Ra und später Horus tragen einen Falkenkopf. Andere einen Widderkopf. Apis, der Gott der Fruchtbarkeit, wird als Stier dargestellt, ein anderer, Sofar, in der Gestalt oder mit dem Kopf eines Krokodils, eines Affen, eines Geiers oder einer Schlange. Am merkwürdigsten kam mir immer die Gestaltung der Göttin Ammit vor, deren Kopf der eines Krokodils mit Löwenmähne war, darunter mit einem Menschenkörper und dem Hinterleib eines Nilpferds. Sie war die Göttin, die die Toten verschlang, wenn sie bei der Gewichtung des Herzens, das übrigens Anubis überwachte, zu leicht für ein Leben nach dem Tode befunden wurden.
In allen Grabstätten gab es einen Anlass, den Gott Anubis darzustellen, so wie hier, halb Mensch, halb Hund oder in der Gestalt eines großen schwarzen Hundes, wie er in der Totenkammer für Tutanchamun im Tal der Könige gefunden wurde. Der Hund soll eine Glorifizierung des grauen Wüstenwolfs sein. Früher meinte man allerdings, dass das Vorbild ein Schakal gewesen sei, weil die Kopfform mehr der eines Schakals ähnelt. Aber wer kann das wissen? Die Zeit, in der sich diese Dinge entwickelten, liegt mittlerweile um die sechs- bis siebentausend Jahre zurück. Schwarz ist er jedenfalls, weil Schwarz die Farbe des Nilschlamms ist, die wichtigste Identifikationsfarbe dieses Landes. Wir haben sie schließlich sogar in unserer Fahne.«
Читать дальше