Er sah sie lange an. »Ich nehme an, es ist … notwendig.«
»Absolut.«
Er trat einen Schritt zurück und drehte sich dann zu ihr. »Das wird jeden Moment schlimmer, oder? Vielleicht werde ich zu alt für diesen Job. Und für diese Welt.«
»Mit Verstümmelungen wie diesen bekommt sie sowieso einen geschlossenen Sarg.«
»Ja, was soll’s, macht nichts, wenn noch ein Teil fehlt, oder?«, fragte Stadtler. »Wird schon niemand vermissen.«
Jessica entfernte das quadratische Stück Fleisch aus dem Hals und Stadtlers schweigender, fleißiger Assistent hielt ihr ein kleines Glas mit Konservierungsflüssigkeit für das schwammige, ausgeschnittene sezierte Stück hin. »Diese Information bleibt in diesem Raum, Gentlemen. Wir müssen das für uns behalten. Kein Wort zu irgendwem.«
Der Todeszeitpunkt konnte durch eine Kombination weiterer typischer Anzeichen präzisiert werden: Livores, die dunkle Hautverfärbung durch den Tod und das Ausmaß dieser Verfärbungen; Algor mortis, die Leichenkälte; und Rigor mortis, der Grad an Steifheit oder Beweglichkeit, sagten ebenfalls viel aus. Annie »Candy« Copeland war zwischen Mitternacht und 2:00 Uhr gestorben, in der Nacht, bevor sie gefunden wurde. Laut Stadtler war der letzte Mann, der sie gesehen hatte, ein mieser Kleinstadtzuhälter, der sie ausgenutzt und auf die Straße geschickt hatte, ein Mann namens Scarborough, bekannt als Scar. Der Mann war wegen Verdachts des Mordes an Annie Copeland festgenommen worden.
Als sie endlich mit Copelands Leiche fertig waren, trat Jessica einen Schritt vom Autopsietisch zurück, das Dröhnen des Kompressors in den Ohren. Sie schälte sich aus den Gummihandschuhen und der Maske und legte beides in die Körbe, die zu diesem Zweck neben der Tür standen. »Machen Sie bitte eine Kopie des Berichts fertig, zusammen mit den Proben, die ich mit nach Virginia nehmen werde. Wir fliegen irgendwann heute Nachmittag vom örtlichen Flughafen ab. Falls es Probleme geben sollte, mir alles bis vierzehnhundert – äh, zwei Uhr – zukommen zu lassen, kontaktieren Sie mich bitte im Inn oder am Flugplatz.«
Stadtler nickte, ihre Augen trafen sich. In der nun einsetzenden Stille wurde ihr plötzlich klar, dass sie irgendwann im Laufe der Untersuchung seinen Respekt gewonnen hatte. »Ich kümmere mich persönlich darum, Dr. Coran.« Sie atmete tief durch und sagte dann in fast schon unterwürfiger Dankbarkeit: »Dr. Stadtler, es war für mich eine sehr wertvolle Erfahrung, mit Ihnen und Ihren Mitarbeitern zu arbeiten.« Sie war dankbar, dass sie nicht mehr die »sehr verehrte Frau Doktor Coran« war.
Ihrer Arbeitskleidung entledigte sie sich gleich im Vorraum vor dem Autopsiesaal, wo weitere Wäschekörbe standen und man sich waschen konnte. Sie spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht und warf einen Blick in den Spiegel, wobei sie ihr Spiegelbild studierte. Sie sah aus, als sei sie eine Woche auf Sauftour gewesen, und irgendwo in ihrem Hinterkopf erklang die Melodie eines Jimmy-Buffet-Songs.
»Wasting away in Wekoshaville«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild. Die Arbeit vor Ort war anstrengend gewesen. Vielleicht hätte sie im Labor bleiben sollen.
Sie tupfte ihr Gesicht mit einem sauberen weißen Handtuch ab, strich die Kleidung glatt, zog den Lippenstift nach. Dann ging sie durch die Tür auf den nächsten Ausgang zu. Jetzt brauchte sie etwas, das es in Wekosha im Überfluss gab – frische Luft.
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