»Es sind nur Jeans.« Ich springe von der Bühne, um sie zu umarmen.
Als sie mich wieder freigibt, packt sie mich am Oberarm und mustert mich eingehender. »Von wegen einfach nur Jeans. Du siehst heiß aus. Mir gefällt dieser ganze Vibe, den du ausstrahlst, echt verdammt gut.«
»Danke.« Ich kann ein Lächeln nicht unterdrücken, denn sie ist nicht die Erste, die mir in den letzten Tagen Komplimente gemacht hat. Dabei habe ich mein Aussehen nicht wesentlich verändert, sondern nur meinen Bekleidungsstil. Auf der anderen Seite liegt es vielleicht gar nicht an den Klamotten. Seit mir Jamie die Jacke geschenkt hat, die ich auch heute trage, habe ich das Gefühl, einen Teil meines Selbstbewusstseins zurückerlangt zu haben.
»Wie dem auch sei, ich wollte Jamie nach deiner Nummer fragen, aber da du jetzt hier bist, reden wir einfach von Angesicht zu Angesicht«, sagt sie mit einem Ausdruck in den Augen, der mich wachsam werden lässt. »Aber bitte dreh nicht gleich durch.« Sie umfasst mein Handgelenk und zieht mich über die leere Tanzfläche zur Bar hinüber. Am Tresen angekommen, schnappt sie sich eine Flasche Tequila vom obersten Regal und im Anschluss noch einen Salzstreuer und ein paar Zitronenscheiben.
»Willst du mich abfüllen?«, frage ich ungläubig, als sie ein Shotglas vor mich hinstellt und Tequila eingießt.
»Nicht abfüllen, aber beeinflussbar machen.« Sie grinst.
»Das sollte klappen«, murmle ich, nehme das Getränk, kippe es in einem Zug runter und schüttle den Kopf, als sie mir den Salzstreuer hinhält. Eine Zitronenscheibe nehme ich jedoch und beiße hinein.
»Nun.« Maggie füllt mein Glas erneut, und ich ziehe eine Braue in die Höhe, weil ich wissen möchte, was zur Hölle sie mir erzählen will. Ich bete darum, dass es nichts mit Jamie zu tun hat. Sie bedeutet mir auch den zweiten Shot zu trinken, und ich folge ihrer Aufforderung. »Ich möchte, dass du einen Freund von mir kennenlernst.«
»Nein.« Ich huste und gebe ihr zu verstehen, dass sie mir eine weitere Zitronenscheibe reichen soll.
»Hör mich doch erst mal an.«
»Maggie«, seufze ich und lege meinen Kopf auf meine auf dem Tresen ruhenden Hände.
»Er ist ein guter Typ.«
»Das sind sie alle, bis sie es plötzlich nicht mehr sind.«
»Da hast du möglicherweise recht«, stimmt sie mir zu, und ich richte mich wieder auf. »Ich sage ja nicht, dass du ihn daten musst, aber ich möchte, dass du ihn kennenlernst. Bitte.« Sie faltet die Hände, als würde sie beten.
Wieder seufze ich. »Okay.«
»Okay?«
»Ja, okay.«
Sie reibt ihre Handflächen aneinander und wirkt dabei viel zu selbstzufrieden. »Das wird toll werden. Er ist nett und absolut perfekt für dich, versprochen.«
»Ich werde mich mit ihm auf einen Kaffee treffen.«
»Ein Abendessen.«
»Einen Kaffee.« Ich bleibe standhaft. Unter keinen Umständen möchte ich mich auf ein stundenlanges Abendessen mit einem Fremden einlassen, den ich vielleicht nicht sympathisch finde.
»Also gut, einen Kaffee.« Sie lenkt sichtbar widerwillig ein. »Aber falls du ihn heiraten solltest, erwarte ich, deine Trauzeugin zu werden.«
Ich schnaube, weil ich ziemlich sicher weiß, dass das nicht passieren wird. »Gut.«
»Ich sage dir schon jetzt, dass du mir danken wirst. Ihr zwei seid wie füreinander geschaffen.«
Das kann ich mir nur schwer vorstellen. »Erzähl mir von ihm«, ermuntere ich sie dennoch.
In den folgenden neunzig Minuten höre ich Maggie zu, während sie ununterbrochen von Adam spricht. Wenn ich ehrlich bin, erinnere ich mich dank der weiteren Tequilashots, mit denen sie mich in dieser Zeit versorgt, nicht mal mehr an die Hälfte von dem, was sie mir erzählt.
Ich wippe mit dem Fuß hin und her, während sich der Fahrer des Taxis, das mich zu meinem Blinddate bringen soll, durch den Verkehr kämpft. Nach meiner ersten Arbeitswoche ist Ausgehen nicht gerade das, wonach mir der Sinn steht. Maggie hat mich jedoch heute Morgen angerufen, um sicherzugehen, dass ich mein Date noch immer am Plan habe, und ich konnte es ihr nicht abschlagen.
»Es ist ja nur auf einen Kaffee.«
»Was?«, fragt der Fahrer, und ich schüttle den Kopf.
»Entschuldigen Sie, ich habe nur mit mir selbst gesprochen.« Ich sehe auf mein Handy. Zu spät zu kommen und zugleich auch noch hungrig und erschöpft zu sein, sorgt dafür, dass ich mich viel angespannter fühle, als es normalerweise der Fall wäre. Meine erste Woche bei IMG war toll, aber ich hatte unendlich viel zu lernen, und das hat mir mitunter den Schlaf geraubt.
Darüber hinaus muss ich mich daran gewöhnen, wieder allein zu leben. Ich liebe es, mein eigenes Zuhause und ein eigenes Bett zu haben, aber ich vermisse es, mich am Ende des Tages mit jemandem austauschen zu können.
»Verdammt.« Der Fahrer tritt so heftig auf die Bremse, dass ich nach vorn rutsche und mich mit der Hand an der Zwischenscheibe abstützen muss, um mir nicht den Kopf anzuschlagen. Ich lehne mich wieder auf der Rückbank zurück und erkenne durch die Windschutzscheibe, dass vor uns zwei Autos zusammengestoßen sind und beide Fahrspuren blockieren. Der Fahrer rollt das Fenster auf seiner Seite hinunter, streckt den Kopf nach draußen und wedelt aufgebracht mit der Hand. »Ihr Idioten, macht gefälligst die Straße frei.«
»Fick dich. Fahr doch drum rum!«, brüllt ein massiger Typ, der aussieht, als würde er kleine Kinder zum Frühstück verspeisen, und macht eine rüde Geste in Richtung des Taxifahrers.
»Ich kann nicht drum rumfahren. Niemand kann das!«, schnauzt mein Fahrer, was den großen Kerl noch wütender macht. Eine Ader an seiner Stirn beginnt, deutlich sichtbar zu pochen, als er auf das Taxi zumarschiert.
»Ich werde den Rest des Weges einfach zu Fuß zurücklegen«, stoße ich hervor, was meinen Fahrer dazu veranlasst, sich zu mir umzudrehen. Ich werfe einen Blick auf das Taxameter und reiche ihm einen Zwanziger.
»Sie sind noch immer vier Blocks von ihrem Ziel entfernt.«
»Es macht mir nichts aus, zu gehen.« Ich lächle ihn an, steige aus dem Taxi und husche auf den Bürgersteig. In meiner GPS-App gebe ich die Adresse des Coffeeshops ein und stöhne innerlich, als ich sehe, dass es nahezu fünfzehn Minuten Fußweg bis dorthin sind. Was nur halb so schlimm wäre, würde ich keine High Heels tragen.
Da ich keine andere Wahl habe, hänge ich mir meine Handtasche über die Schulter und eile los. Das ist jedenfalls eine gute Möglichkeit, meiner täglich angestrebten Schrittmenge näherzukommen. Außerdem werde ich mir so definitiv das Recht erarbeiten, mir im Anschluss an das Date die Double Chocolate Brownie Eiscreme zu genehmigen, die ich vor ein paar Tagen gekauft habe.
Fünfzehn Minuten später erreiche ich die Kreuzung vor dem Coffeeshop und warte wie alle anderen an der Ampel auf das Grünzeichen.
Und dann entdecke ich ihn. Mein Herz beginnt, aufgeregt zu pochen, meine Kehle wird eng und mein Puls beschleunigt sich, während ich die beeindruckende männliche Gestalt auf der anderen Straßenseite betrachte. Ich denke nicht, dass ich jemals einen attraktiveren Mann gesehen habe.
Er hat breite Schultern, die in einem feinen Jackett stecken, und schmale Hüften. Seine Beine sind lang und kräftige Muskeln zeichnen sich unter einer zum Jackett passenden dunkelgrauen Anzugshose ab. Sein dunkelblaues Hemd steht am Kragen offen und legt seinen sehnigen Hals frei. Er fährt sich mit den Fingern durch das Haar, schaut auf die Uhr und presst angespannt die Zähne aufeinander. Ich frage mich, ob er sauer ist, weil ich zu spät bin.
Jemand stößt von hinten gegen mich und reißt mich aus meiner Starre. Ich versuche, mich zusammenzunehmen, und überquere im Pulk der anderen Passanten die Straße. Als sich die Menschentraube um mich herum aufzulösen beginnt, bleibt der mintgrüne Blick des Mannes an mir hängen. Ich bemerke ein Funkeln darin, das mir eine wohlige Gänsehaut über den ganzen Körper jagt. Während er mir in die Augen sieht, zwinge ich mich zu einem nervösen Lächeln und spüre, wie mir die Hitze den Hals hinaufklettert. Dann verfängt sich plötzlich mein Absatz in einer Furche des Gehwegs und ich stolpere vorwärts. Auf wundersame Weise schafft er es, rechtzeitig einen Schritt nach vorn zu machen und meinen Sturz aufzuhalten, indem er meine Hüften umschließt.
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