Roan wusste, dass Cam ein großer Fan war. Wusste, dass er ganz aus dem Häuschen gewesen wäre, wenn er einen der Arrows-Spieler persönlich hätte treffen können.
»Ich konnte nicht«, gestand er, bevor er sich Essen in den Mund schob.
»Ahh.«
Roan versuchte, Ahh, was? zu sagen, doch sein Mund war zu voll und es kam nur undeutlich heraus.
Cam lachte leise. »Also war es eine von diesen Beziehungen.«
Es dauerte einen Moment, aber Roan schaffte es zu schlucken, dann spülte er mit Eistee nach, bevor er antwortete: »Da war keine Beziehung.«
»Nein?«
Roan schüttelte den Kopf. »Es war eine Nacht. Nicht mehr.«
»Oh.« Cam klang enttäuscht.
Gannon griff nach seinem Glas und Roan wartete ab, bis er das Wort ergriff. Er konnte die Frage in seinem Blick sehen. »Also bist du mit ihm ausgegangen?«
»Nein. Es gab keine Dates. Es war eine Nacht. Seitdem habe ich nicht mehr mit ihm geredet.«
Nun war Cam wieder an der Reihe. »Eine Nacht? Du hattest einen höllisch heißen« Er warf Gannon einen verlegenen Blick zu, bevor er Roan wieder ansah. »... Hockeyspieler eine Nacht lang in deinem Bett und hast es einfach dabei bewenden lassen?«
»Nicht in meinem Bett. In seinem«, stellte Roan klar. »Ich habe ihn in einer Bar getroffen, bin mit zu ihm nach Hause gegangen, Ende der Geschichte.«
»Und wie war es so?«
Roan hob eine Augenbraue. Er plauderte niemals aus dem Nähkästchen. Noch nicht mal vor seinem besten Freund. Und ehrlich gesagt war Cam auch nicht dafür bekannt, nach Einzelheiten zu fragen. Roan würde jetzt ganz sicher nicht damit anfangen, sein Privatleben haargenau auszubreiten, vor allem nicht vor Cam und seinem Mann. Aber irgendetwas huschte über Cams Gesicht und Roan erkannte, dass er um die Frage, die er eigentlich stellen wollte, herumtanzte.
Also wartete Roan ab.
Sie aßen eine oder zwei weitere Minuten lang schweigend weiter und tatsächlich enttäuschte Cam ihn nicht.
»Hätte es die Möglichkeit gegeben, dass da mehr gewesen wäre? Oder hast du dich vor ihm… äh… auch versteckt?«
Roan ließ seine Gabel fallen und nagelte Cam mit einem finsteren Blick fest. »Es tut mir leid, okay? Ja, na schön, ich habe dich weggestoßen. Ich wollte nicht, dass du dich mit ihr befassen musst. Sie war nicht mehr… Cassie. Die Drogen haben sie zu jemand völlig anderem gemacht.«
Cam legte seine Gabel ebenfalls weg. »Ich rede hier nicht über mich«, stellte er klar und seine Stimme war trotz Roans Ausbruchs unheimlich ruhig. »Ich habe genauso viel Schuld daran wie du, Roan. Ich hätte für dich da sein müssen. Ich hätte mich in dein Leben drängen und mich nicht von dir aussperren lassen sollen. Aber wenn zwischen dir und diesem Mann etwas war…«
»Da war nichts, okay? Jedenfalls nichts, was es wert wäre, darüber zu sprechen.« Und das stimmte. Die Nacht, die sie zusammen verbracht hatten… Na ja, sie hatte jede Skala gesprengt, das war mal sicher. Aber Sex war Sex. Es spielte keine Rolle, dass Roan sich in seinem ganzen Leben noch nie jemandem so verbunden gefühlt hatte wie Seg in jener Nacht. Sie hatten sich auf eine Nacht geeinigt. Roan tat nur, was er versprochen hatte.
»Er war heute am Jachthafen und hat nach dir gefragt«, merkte Cam an.
Roans Augen wurden groß.
Cam nickte, als würde er auf Roans unausgesprochene Frage antworten. »Dare war da. Hat ihm gesagt, dass du dir aus privaten Gründen freigenommen hast.«
»Woher hat er…?« Roan starrte Cam an und war nicht in der Lage, seinen Satz zu beenden.
»Gewusst, wo du arbeitest?« Gannon schmunzelte. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auf der Visitenkarte stand, die du ihm gegeben hast.«
»Scheiße.«
»Nein«, widersprach Cam. »Nicht Scheiße. Der Kerl steht auf dich, Mann. Er hat nach dir gesucht. Das ist nicht der richtige Moment, um Scheiße zu sagen.«
Roan schüttelte ungläubig den Kopf. »Wahrscheinlich nur, damit ich ihm garantiere, niemals jemandem zu verraten, dass er auf Männer steht.«
»Nicht geoutet, hm?«, fragte Gannon.
»Er steckt so tief im Schrank, dass er nicht mal die Tür sehen kann«, bemerkte Roan und hoffte, dass sie die Enttäuschung in seiner Stimme nicht hören konnten.
»Aber wenn er geoutet wäre, wärst du an ihm interessiert?«
Darauf antwortete Roan nicht. »Dare hat ihm aber nichts von…?« Er spähte den Flur hinunter.
»Nein. Natürlich hat er nichts gesagt.« Cam sah kurz zu Gannon, dann wieder zu Roan. »Seg meinte, dass er gerne mit dir reden würde. Hat Dare gebeten, dir seine Nummer zu geben.«
»Ich kann nicht mit ihm reden«, gestand Roan.
»Klar kannst du.«
Roan schüttelte den Kopf. »Kann ich nicht.« Er stand auf, denn plötzlich war ihm der Appetit vergangen. »Ich muss mich jetzt ganz auf Liam konzentrieren. Ich kann nicht… Ich habe keine Zeit, mich damit zu beschäftigen.«
Scheiße. Er wusste, dass er Cam und Gannon gerade einen Blick auf seine wahren Gefühle gewährte, doch die Tatsache, dass Seg gekommen war, um ihn zu sehen, erschütterte ihn ein wenig. Es war schon schwer genug gewesen, die Nachricht zu ignorieren, die Seg ihm letzte Nacht geschickt hatte, doch er hatte es geschafft. Für Liam.
Obwohl ein Funken Hoffnung irgendwo tief in seinem Inneren aufflackerte, wusste Roan, dass er ihn unterdrücken musste. Er hatte keine Zeit für so was. Weder um sich mit Seg auseinanderzusetzen, noch für die unerwarteten und ungelegen aufkommenden Gefühle, die er bisher immer schön unter den Teppich hatte kehren können.
Zum Teufel, er hatte gerade schon genug damit zu tun, seinen Alltag zu meistern.
***
Manchmal wünschte sich Seg, sie hätten mehr Auswärtsspiele. Besonders an Abenden wie diesem, wenn er nicht viel mehr tun konnte, als im Penalty Box Bier zu trinken und sich inständig zu wünschen, Roan würde aus heiterem Himmel auftauchen. Er wusste, das würde nicht passieren, und trotzdem saß er mit einem halben Dutzend seiner Teamkollegen am Tisch und tat so, als würde er den Sieg des vergangenen Abends feiern.
In Wahrheit hätte Seg es vorgezogen, zu Hause zu bleiben. Seit seinem Ausflug zum Jachthafen heute Nachmittag – wo er gehofft hatte, Roan zu finden – hatte ihn die Enttäuschung fest im Griff. Laut der Aussage des Mannes, mit dem er sich in dem kleinen Büro unterhalten hatte, nahm sich Roan aus persönlichen Gründen eine Weile frei.
Da er sich nicht allzu interessiert geben durfte, hatte Seg es heruntergespielt und so getan, als wäre er gerade in der Gegend gewesen und hatte nur kurz Hallo sagen wollen. Da es derselbe Mann gewesen war, der sie letzten Sommer auf dem Boot rausgefahren hatte, als das Management der Arrows sich an einer Art Teambuilding-Maßnahme versucht hatte, unterhielten sie sich über die Möglichkeit, das noch einmal zu wiederholen. Das Gespräch hatte sich viel zu sehr in die Länge gezogen, aber Seg hatte gehofft, jeglichen Verdacht des Mannes zu zerstreuen, damit er nicht auf den Gedanken kam, Seg könnte Roan aus romantischen Gründen aufsuchen. Allerdings war er sich ziemlich sicher, der Kerl im Büro hielt ihn für einen absoluten Idioten, doch was konnte er schon dagegen tun?
»Was geht, Seg?«, fragte Spencer Kaufman und stieß im Vorbeigehen mit seiner Schulter gegen Segs.
Seg machte sich nicht die Mühe, etwas darauf zu erwidern. Das war einfach nur Spencers Art, nach seinen Leuten zu sehen.
»Meine Hübsche, ich glaube, du solltest vielleicht mal mit meinem Kumpel da drüben reden«, sagte Mattias Valeri – ihr rechter Außenstürmer – zu einem der Puckhäschen, die sich um den Tisch geschart hatten.
Seg war ganz sicher nicht interessiert. Vor eineinhalb Jahren hätte er eine große Show abgezogen, ob die süße Schnecke sich nicht auf seinen Schoß setzen und den Ritt genießen wollte. Das war, bevor Roan ihn umgehauen und dazu gebracht hatte, ernsthaft infrage zu stellen, was er wirklich wollte.
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