JOSEF OBERHOLLENZER
ODER
WAS WERDEN WIR UNS ZU ERZÄHLEN HABEN
ROMAN
Vitus Sültzrather, 9. juni 1931 in Aibeln – 22. mai 2001 in Aibeln
18. mai 1959: in Garn sturz vom baugerüst; danach querschnittgelähmt
29. juni 1959: in Aibeln meterhohe schlamm- und steinlawine
Thekla Sültzrathergeb. Fink, mutter; 15. oktober 1899 – 10. april 1977
Jakob Sültzrather, vater; 9. juni 1900 – 21. november 1973
Vitus Sültzrather, lieblings- und taufpatenonkel, vaters lieblingsbruder; 10. august 1895 – 2. märz 1932
Ignaz Sültzrather, ein nach Kanada (Vancouver) ausgewanderter onkel Vitus Sültzrathers
Cato, sein (langjähriger) hund; schwarzer neufundländer
Thea, Fips, seine kindheitshunde
Lora, seine (langjährige) katze; weiße deutsch langhaar
Genovefa, jüngste schwester; geb. november 1933
Kassian Jobstraibizer, deren mann; maurer
Roland, beider einziges kind; 13.–29. juli 1959
Zuber( Kajetan/ Kunigunde), einziger bruder; tot geboren am 1. mai 1929
Veronika, mittlere der schwestern; geb. oktober 1927
Sebastian Pfeissinger, deren mann; staplerfahrer
Agnes, beider älteste tochter
Cäcilia, älteste schwester; geb. februar 1924
Konrad Schrott, deren mann; obstbauer
Franziska, beider älteste tochter
Leonhard, beider jüngster sohn; vater von Isidor Sültzrather
Isidor Sültzrather(tatsächlich:
Isidor Schrott), beider enkel
Prantner Kaspar, knecht auf dem Kalberhof, erfinder („Human Lightning Rod“)
der alte Walcher, ein aibelner bauer
Notburga T., Vitus Sültzrathers zugehfrau (vom Schilcherhof)
Rut Thinnebach, deren tochter; geb. 1975
Filomena Z., latzfonser kusine der Notburga T.
Kohlhaus Klaus, Vitus Sültzrathers kindheitsfreund; 11. juli 1931 – 26. juli 1987
die alte Kohlhausmutter, dessen mutter
Max Vergeiner, Vitus Sültzrathers (langjähriger) freund; geb. 1946
Annett, dessen frau
Lukas, beider sohn; geb. 1957
Kreszenz Jaist( Blaaser Kreszenz, Zenzi), Vitus Sültzrathers nachbarin (und liebhaberin); geb. 1957
Julia, deren tochter
Jonas, deren sohn
Tante L., Jonas’ kindergartentante
Blasegger Bonifaz, wie Vitus Sültzrather (einige stunden vor ihm) geb. am 9. juni 1931 in Aibeln; einbeinig, guter kletterer; tödlicher absturz in den Hohen Tauern („in seinen geliebten Bergen“) am 1. september 1955
Staller Georg, beinahe schlachtopfer des Blasegger Bonifaz
Brunner Zenz, Vitus Sültzrathers zimmerermeister
die junge Kerschbaumerin(später: die alte Kerschbaumerin), eine aibelnerin
Susanna Gafriller, zugeheiratete klausnerin
Senn Franz, deren mann
Senn David, dessen vater
Joachim Kantioler, der lehrer
Martha Hasler, die lehrerin
Annemarie Spisser, die junge Thalhoferin; mutter von zwillingen
Dr. Hieronymus von Lutz, Vitus Sültzrathers totenbeschauer
Dr. Thaddäus von Lutz, dessen großvater; gemeindearzt von Klausen
Marianna Delueg, seine frau
F.
die alte Mühleggerin, eine von F.s friedhofsbekanntschaften
f. Nina, f. Moritz
„Das Wort ‚erzählen‘ ist mein liebstes,
mein schönstes, mein kostbarstes deutsches Wort.
Wenn ich selbst zu erzählen beginne,
dränge ich mich mit ‚hätte‘ und ‚wäre‘
in die entferntesten Möglichkeitswelten.
In meinem Erzählen ändere ich die Wirklichkeit,
mäandernde Sätze schärfen meinen Sinn für das Neue:“
Ludwig Harig, Meine Siebensachen
„‚Da liegt doch eure Vergangenheit, schaut ihr
beim Wachsen zu!‘ predigte Albin Flierscher von der Kanzel herab.
‚Unablässig geht ihr der Zukunft entgegen, aber noch
seht ihr sie nicht, noch liegt sie hinter euch.‘“
Vitus Sültzrather, Traumschleifer
„Denn wer weiß schon,
wie die Wörter reisen, Franz!“
Felice Bauer, Briefe an Franz Kafka
„Into the sewer they threw the dead horse.
What birth does this foretell? I think
he’ll write a novel bye and bye.“
William Carlos Williams, Paterson
„Von allem Anfang an der Beginn.“
(oder: Der Zuber träumt nicht mehr)
„Was werden wir uns zu erzählen haben, Klaus“
oder: Die kindheit ein paradies
und Zuber (oder: Was vorher geschah)
Die geschichte von Kajetan dem zellhaufen
Immer schön unterm teppich bleiben
oder: Dem sei nichts hinzuzufügen
Anhang
„Von allem Anfang an der Beginn.“
(oder: Der Zuber träumt nicht mehr)
„Phantomschmerz: Kajetan. –
Wann hab ich dich Zuber getauft? –
Von allem Anfang an der Beginn.“
(Vitus Sültzrather, Vermischte Erinnerungen ) 1
Aibeln, heißt es, liege abseits der geschichte, die es zu erzählen gilt; da sei kaum etwas, nein, da sei jahrhunderte nichts geschehn, was einem im gedächtnis geblieben sei und was einem andern als einem solchen zu erzählen gewesen wär: Kaum habe man außerhalb seiner grenzen von der anwesenheit dieses dorfes gewußt. Da sei man morgens aufgestanden, da sei man abends ins bett gegangen, da habe man in die zukunft hinein gelebt, als ob sie die vergangenheit wär: Wer geboren worden sei, der würde einmal sterben, so oder so, sagt F., und nur selten auf eine weise, die anders gewesen wäre als die übliche; davon jedoch habe man auf dem friedhof sich dann noch nach jahren erzählt. Bis in den frühling 1929 hinein sei die zeit nicht vom fleck gekommen, habe die welt sich von einer jahreszeit in eine andere gedreht, als ob nichts gewesen wäre als das, was immer schon gewesen sei: ein baum manchmal, der einen holzknecht erschlägt .. oder eine schneelawine in eine schlafkammer hinein und durch die stube hinaus .. oder einer, der durchs futterloch hinunter auf den stallboden stürzt .. oder eine schlamm- und steinlawine einmal, die habe die räume zwischen den häusern gefüllt 2.. oder ein kind, das starb früher als ein anderes kind. „Aber auf dem Prennhof“, habe Vitus Sültzrathers älteste schwester, die Kalber Cäcilia, gesagt, „da haben nach dem ersten großen krieg achtzehn kinder die kindheit überlebt“, jetzt lebe keines mehr. Doch das sei eine andere geschichte als die, die es zu erzählen gelte, sagt F., nämlich den einbruch der geschichte in die geschichten der aibelner und in die aibelnsche zeit an jenem letzten montag des neunundzwanzigerjahrs, am 29.
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