»Dein was ?« Frank trat ein Stück zurück, und in diesem Moment kam Allie an die Tür.
»Hallo Ben, willkommen zurück. Ist Emma auch da?« Sie schaute von einem der Männer zum anderen. »Alles in Ordnung bei euch?«
Ben nickte. »Ja, klar. Ich bin nur gekommen, um Belle abzuholen.«
»Belle? Wer ist Belle?«
Jetzt reichte es Ben. »Leute, der Witz zündet irgendwie nicht. Ich will wieder nach Hause. Danke, dass ihr auf sie aufgepasst habt, aber ich muss zurück sein, bevor Zach kommt.«
Franks Gesichtsausdruck wurde nun ernst. »Ich bin mir nicht sicher, was hier los ist, Ben, aber du redest verrücktes Zeug.«
» Belle!« Bens Verwirrung wandelte sich nun langsam zu Ärger. »Mein Hund.«
»Ben, hier gibt es niemanden namens Belle.« Franks Stimme klang nun ebenfalls gereizt und Ben spürte, wie sich das Klima des Gesprächs mehr und mehr wandelte. Er war sauer, aber ihm wurde auch klar, dass Frank keinen Spaß machte. »Mein Hund?«
»Was zur Hölle ist ein Hund ?« Frank wandte sich an Allie: »Am besten, du gehst jetzt nach drinnen. Ich regle das schon.«
Allies Stirn lag in Falten, als sie Ben ein angedeutetes Lächeln zuwarf und dann im Haus verschwand, wobei sie die Tür hinter sich schloss.
Ben hatte das Gefühl, gerade in einer Folge von Twilight Zone mitzuspielen. »Mein Hund, Belle. Sie ist ein Labrador. Ihr habt auf sie aufgepasst.«
Frank kam einen Schritt nach vorn und legte seine Hand auf eine von Bens breiten Schultern. »Am besten, du fährst jetzt nach Hause. Ruh dich einfach mal ein bisschen aus.« Er führte Ben zu den Stufen. »Wir haben schon seit Monaten nicht mehr auf Zach aufgepasst, und garantiert nicht auf jemanden namens Belle.«
»Hör auf!« Ben zuckte zurück und drehte sich um. »Belle!«, rief er in Richtung des Hauses. Schnell ging er an Frank vorbei, der am Fuße der Treppe stehen blieb und ihm aufmerksam hinterherschaute.
»Belle!«, rief Ben erneut. Er legte seine Handflächen trichterförmig um den Mund: » Be-eeelle!« Aber es kam kein Hund angerannt.
Er pfiff so laut er konnte. Nichts. Das ergab doch alles keinen Sinn. Die Hündin war gut erzogen, und sobald sie Bens Stimme hörte, kam sie eigentlich sofort zu ihm gerannt.
Ben wirbelte herum. »Der Spaß ist aus, Frank. Wo ist mein gottverdammter Hund?«
Frank war fünfzehn Jahre älter und bestimmt zwanzig Kilo leichter, aber er baute sich jetzt vor Ben auf, so gut es ging. »Junge, ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Du machst meiner Frau Angst und ich bin inzwischen echt sauer. Fahr nach Hause und beruhige dich. Und zwar jetzt sofort.«
Ben ging ein paar Schritte, die Hände in die Hüften gestemmt, dann riss er die Arme in die Luft. »Scheiß drauf.« Er machte sich eigentlich am meisten Sorgen darüber, wie Zach darauf reagieren würde.
Er eilte zu seinem Wagen zurück, stieg ein, ließ den Motor an und rammte seinen Fuß aufs Gaspedal. Dreck und Kieselsteine wirbelten durch die Luft, als er das Auto drehte und auf das Tor zuraste.
Auf dem Weg nach Hause kreisten seine Gedanken wie wild umher. Er wusste, dass er Belle dort abgesetzt hatte. Er hatte gesehen, wie Frank ihr durch das Fell gestrichen hatte, und wie Allie ein Leckerli in das Maul des begeisterten Hundes hatte fallen lassen. Er wusste nicht, was für ein komisches Spiel sie spielten, aber er würde es herausfinden.
Wütend murmelte er auf der Fahrt vor sich hin. Wenn es sein müsste, würde er nachts mit einer Taschenlampe wiederkommen. Schließlich war er ein versierter Spurenleser und außerdem äußerst hartnäckig.
Zurück auf seinem Grundstück hielt er mit quietschenden Reifen vor dem Haus, stieß mit der Schulter die Autotür auf und joggte dann die Stufen hinauf, wobei er immer noch vor sich hin murmelte. Plötzlich kam ihm ein Gedanke und er blieb abrupt stehen. Vielleicht war Belle ja weggelaufen und es war ihnen zu peinlich gewesen, das zuzugeben. Ben drehte sich um und formte mit den Händen einen Trichter um seinen Mund.
»Belle!« Er wartete ein oder zwei Sekunden und schrie dann erneut: » Be-eeelle!«
Emma kam nach draußen und streckte ihm eine Flasche Bier entgegen. »Was ist denn los?«
Ben wandte sich ihr zu. »Das wüsste ich auch nur allzu gerne.« Er fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar, wobei er wieder dieses merkwürdige Kribbeln in seiner Magengrube spürte. »Irgendwas ist komisch.« Er seufzte. »Belle … du kennst Belle doch, oder?«
»Äh, ja?« Sie drückte ihm das Bier in die Hand. »Was ist denn mit ihr?« Sie legte die Stirn in Falten.
»Scheiße, ich weiß es nicht.« Er verzog das Gesicht. »Ich habe sie doch bei Frank und Allie abgesetzt, oder?«
»Natürlich hast du das.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Wo ist sie denn?«
»Sie haben gesagt, sie hätten sie nicht.« Ben schnaubte verächtlich. »Um genau zu sein, haben sie sogar gesagt, sie hätten noch nie im Leben von ihr gehört.« Obwohl er es nicht wollte, wurde seine Stimme immer lauter. »Sie haben außerdem gesagt, sie wüssten nicht, was ein gottverdammter Hund ist.«
»Das ist doch komplett irre, du musst dich verhört haben«, sagte sie.
»Nein, ich habe mehrfach nachgefragt – keine Belle, kein Hund.« Er blickte fragend in Richtung Himmel.
»Das ist doch Blödsinn, dann fahren wir eben noch mal zusammen zu ihnen.« Sie überlegte kurz. »Moment, ich hole schnell ein Foto von ihr.«
Sie nahm ihm das Bier wieder aus der Hand und verschwand im Haus. Ben wartete, wobei das ungute Gefühl in seinem Bauch sich immer weiter ausbreitete. Plötzlich fragte er sich, ob ihm jemand einen Streich spielen wollte, von dem alle wussten, bis auf ihn. Jetzt fehlte nur noch die Auflösung am Ende.
»Ben?«
Er eilte ins Haus und sah Emma am Kamin sitzen, die Arme auf den Sims gestützt. Langsam schüttelte sie den Kopf. »Weg! Einfach weg!«
Ben trat an ihre Seite und schaute sich um. Auf dem Kaminsims standen die üblichen Gegenstände. Kleine Vasen, ein bunter Stein, den Zach mal gefunden hatte und ein paar Bilder in silbernen Rahmen. Es gab ein Foto von seiner Mutter, seinem Vater, Emmas Eltern, ein paar Aufnahmen vom Haus zu verschiedenen Jahreszeiten, und diverse Schnappschüsse von Zach. Doch das war alles. Insgesamt waren es acht Bilder, so wie immer. Ben neigte den Kopf nach vorn. Eines der Bilder war anders. Wie in Trance machte er mit steifen Gelenken einen Schritt nach vorn. Auf dem Foto sah er Zach nach einem Football-Spiel. Er grinste außer sich vor Freude, weil er den letzten, entscheidenden Touchdown geschafft hatte. Auf der einen Seite lag sein Helm auf dem Boden, und auf der anderen … nichts.
»Wo ist Belle?« Er hob den Bilderrahmen an. »Er hatte seine Hand doch auf ihrem Kopf, und sie saß genau da!« Er zeigte mit dem Finger auf den leeren Rasen.
Emmas Mund öffnete und schloss sich, doch es kamen keine Worte heraus. Sie schaute ihn einfach nur verwirrt an.
Ben hielt sich das Bild ganz nah vor das Gesicht und suchte nach Spuren einer Bildretusche. Das musste doch ein Trick sein. Langsam schüttelte er den Kopf.
»Was zur Hölle ist hier los?« Er schaute Emma an, die inzwischen ganz blass war. Plötzlich weiteten sich ihre Augen und dann rannte sie in die Küche. Er hörte, wie Schubladen und Schranktüren geöffnet und geschlossen wurden und alle möglichen Dinge herumklapperten. Ben folgte ihr.
»Es ist alles weg.« Sie schaute ihn an und hob die leeren Handflächen. »Ihre Fressnäpfe, ihr Futter, die Spielsachen – alles weg.« Emma schüttelte den Kopf. »Es ist so, als hätte sie nie existiert.«
»Genau wie Frank gesagt hat«, murmelte Ben. »Er hat gefragt: Was ist ein Hund? «
»Das kann doch nicht sein.« Emma nahm ihm das Bild aus der Hand und kniff die Augen zusammen.
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