»Und in dem Besuchernachweis steht, dass du dich um 22 Uhr eingetragen hast, aber möglicherweise hat der Wachmann die Zeit gerundet«, sagte Tyner. »Also zehn Minuten, vielleicht sogar noch weniger, für eine ziemlich detaillierte Unterhaltung und einen kurzen Kampf. In dieser Zeitspanne hättest du ihn zwar töten können, aber dazu hättest du viel effizienter vorgehen müssen. Und dann bleiben immer noch zwanzig Minuten, bis der Nachtwächter Abramowitz findet, Zeit genug für einen anderen, deine Arbeit zu beenden.«
»Aber wer?«, fragte Tess. »Ein verärgerter früherer Klient? Ein Räuber? Einer seiner Partner? Und ist das nicht ein ganz unglaublicher Zufall, dass dieser Jemand genau dann auftaucht, wenn Rock ihn so zugerichtet hat?«
»Du denkst immer noch wie eine Reporterin«, maßregelte Tyner sie. »Oder wie eine Staatsanwältin. Es ist nicht deine Aufgabe, diesen Fall zu lösen oder meine Theorie zu durchlöchern. Du sollst nichts anderes tun, als für mich genügend Informationen zu sammeln, damit ich in vier oder fünf Monaten in einen Gerichtssaal gehen und dort begründete Zweifel erwecken kann, ob Rock wirklich die Gelegenheit hatte. Dir ist es zu verdanken, dass er unglücklicherweise ein ganz besonders starkes Motiv hat, deswegen werden wir diesen Aspekt herunterspielen müssen. Ich möchte, dass du so bald wie möglich mit dem Wachmann und dem Nachtwächter sprichst. Zuerst mit dem Wachmann – er ist wichtiger, denn er bezeugt, dass Rock um 22 Uhr hinkam. Ob es sich lohnt, sonst noch jemanden zu befragen, sage ich dir später. Übrigens wäre es von Nutzen, wenn du wie eine Erwachsene aussehen würdest. Schneide dir doch endlich mal diesen Pferdeschwanz ab, der dir da hinten am Kopf herumbaumelt!«
»Nein!« Das kam von Rock. Tess trug ihre Haare lang, weil das weniger Arbeit machte. Sie hing nicht daran. Rock offensichtlich schon.
»Dann steck ihn wenigstens hoch. Und zieh ein Kostüm an«, sagte Tyner. »Normalerweise muss ein Rechtsanwalt seinen Klienten in die richtige Form bringen und nicht seine Assistentin.«
»Deine Assistentin? Entschuldige, Tyner, aber bekomme ich dafür vielleicht Geld? Ich habe bis jetzt noch niemanden etwas über Geld sagen hören.«
»Doch. Du behältst das Geld, das Rock dir für deine ursprünglichen Nachforschungen gezahlt hat. Aber ich finde, dass dein Gehalt ein bisschen zu hoch angesetzt ist, deshalb fängst du mit zwanzig Stunden minus an. Wenn du diese zwanzig abgearbeitet hast, zahle ich dir zwanzig Dollar pro Stunde und fünfzehn Cent pro Kilometer.«
Scheiße, dachte Tess. Sie würde allein schon zehn Stunden arbeiten müssen, um sich ein Kostüm kaufen zu können.
»Und was dich betrifft«, sagte Tyner und wandte sich an Rock, »keine Interviews. Halte dich von Ava fern, jedenfalls einstweilen. Und da du dir heute ja ohnehin freigenommen hast, denke ich, du solltest jetzt sofort zum Ruderklub gehen und lange trainieren. Mach ein paar Touren, fahr bis zum Fort Henry und zurück, fahr dazwischen ein paarmal mit langen Schlägen, für gute Zeiten. Das Charles läuft vor deiner Verhandlung, und ich werde dafür sorgen, dass du daran teilnehmen kannst.«
Ein Rudertrainer-Anwalt. Vielleicht hatte Rock doch den Richtigen ausgewählt. Es gab bestimmt nicht viele Anwälte in der Stadt, die die Termine der Herbstrennen im Kopf hatten oder wussten, wie man für ein besonders wichtiges Rennen trainierte. Wenn Tyner sich nur auch so liebevoll um sie gekümmert hätte.
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